Nach dem Abpfiff war es so ruhig auf dem Fanfest wie bislang nie bei dieser WM. Polizei verzeichnet vereinzelte Ausschreitungen.

Katzenjammer auf dem Heiligengeistfeld . 70.000 Hamburger Fußballfans sind entsetzt, als Carles Puyol in der 73. Minute zum 1:0 für Spanien einnetzt und Deutschland im Halbfinale der WM ausscheidet. "Ich bin furchtbar traurig und geknickt. So ein Ende hat unsere Mannschaft nicht verdient", sagt Ilka Whang aus Schnelsen. Die 47-Jährige versucht trotz der Enttäuschung, Fassung zu bewahren: "In vier Jahren haben wir eben die nächste Chance." Nach der Niederlage kam es auf St. Pauli zu Rangeleien und Flaschenwürfen auf Beamte - allerdings zum Glück im überschaubaren Rahmen. „Im Prinzip war es recht ruhig – es gab aber kleine, vereinzelte Frust-Fouls, um in der Fußballsprache zu bleiben“, sagte ein Polizeisprecher. Sieben Menschen wurden fest- und acht in Gewahrsam genommen. Als sich ein Festgenommener losreißen wollte, wurde ein Beamter leicht verletzt. Die Polizei erteilte zudem 27 Platzverweise. „Das ist für eine Menschenmenge von 70.000 eher Peanuts“, betonte der Sprecher. 70.000 Fans hatten das Halbfinale auf dem Heiligengeistfeld verfolgt.

Während beim Fanfest die Trauer groß war, erlebten die Spanierin Isabel Peréz-Cano und ihr deutscher Mann Roland Claaßen eine Art Familienduell im heimischen Wohnzimmer. Und zwar ein entspanntes, trotz der einseitigen Freude am Ende. Seit neun Jahren ist der 47-jährige Informatiker mit der Korrektorin von der Iberischen Halbinsel zusammen. Die Sympathien auf der Couch waren - herkunftsgetreu - klar gespalten: Er fieberte mit der deutschen Elf, sie wollte ihr Heimatland siegen sehen. "Mit der Niederlage wird die Welt nicht untergehen. Mein Nationalstolz hält sich in gesunden Grenzen. Aber es wurmt mich schon", sagt Roland Claaßen. "Jetzt kann ich mir die Sticheleien meiner Frau anhören." Die Spanierin beteuert mit Siegerlächeln: "Wir werden uns nicht streiten."

Schon in der ersten Halbzeit herrschte fast beängstigende Ruhe auf dem Heiligengeistfeld. Bis auf den Fernschuss von Piotr Trochowski in der 32. Minute gab es keinen Grund, in Euphorie zu verfallen. Beim Fanfest war es so ruhig wie bislang selten bei dieser WM. Spanien war das bessere Team, die Zurückhaltung der deutschen Elf in Durban quittierten die Besucher in Hamburg mit ehrfürchtiger Stille.

"Ich bin furchtbar angespannt, weil es für uns nicht gut aussieht", sagte Jo Christian Hansen, während er entgeistert auf die Leinwand starrte. "Ich wünsche mir das erste Tor für Deutschland." Stattdessen fiel es auf der Gegenseite.

500 Meter entfernt, beim deutsch-spanischen Paar an der Simon-von-Utrecht-Straße rückte das Spiel zeitweise in den Hintergrund. Das Positive wird gesehen: "Wir wohnen mitten auf St. Pauli. Ein deutscher Sieg wäre zwar super gewesen - aber so bleibt uns der Autokorso wenigstens erspart", sagte Roland Claaßen lachend. Dabei habe er besonders das Wohl seiner zweijährigen Tochter Charlotte-Isabel im Blick. Sie schlafe ohne Korso bedeutend ruhiger.

Auf dem Fanfest war nicht nur Steffi Bittner enttäuscht: "Es ist so bitter, das Deutschland verloren hat", sagte die 28-Jährige, die extra von der Insel Rügen angereist ist. Sie verfolgte das Spiel mit dem ernüchternden Ausgang - genau wie der frisch vermählte Merzad Marashi und Stefan Gwildis - auf dem Heiligengeistfeld. Am Sonnabend spielt das DFB-Team nun um Platz drei.

In der Familie Peréz-Claaßen war die Stimmung entspannter, wenngleich Isabel Peréz mehr Grund zum Jubeln hatte. "Ich war schon auf dem Balkon und habe 'Espana' gebrüllt." Roland Claaßen: "Nicht schlimm. Ich bringe jetzt meine Tochter ins Bett."