Hamburger Olympiastarter erinnern sich Schwergewichts-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, 38, gewann 1996 in Atlanta Gold

Für mich war die Maßgabe, mit der ich zu den Olympischen Spielen 1996 nach Atlanta reiste, eindeutig: Mein Vorsatz war, meine Karriere danach zu beenden. Ich dachte, dass nach einer Olympiateilnahme für einen Amateurboxer nichts mehr kommen könnte. Ich hatte keine Ziele mehr, an Profiboxen dachte ich überhaupt nicht. Doch dann hat sich mein Leben durch die Erlebnisse in den USA komplett verändert.

Ich hatte mich als Silbermedaillengewinner der EM 1996 im dänischen Vejle für Atlanta qualifiziert. Der Plan war, dass ich im Schwergewicht antreten würde, das im Amateurboxen, wo es als nach oben offene Gewichtsklasse das Superschwergewicht gibt, die Klasse bis 91 kg ist. Damit wäre ich meinem Bruder Vitali aus dem Weg gegangen, der im Superschwergewicht antreten sollte, denn wir hatten unserer Mutter versprochen, dass wir niemals gegeneinander in den Ring steigen würden.

Doch dann wurde Vitali wegen eines Dopingvergehens – er hatte von einem ukrainischen Arzt zum Ausheilen einer Verletzung ein auf der Dopingliste stehendes Medikament bekommen – für Atlanta gesperrt, sodass ich seinen Platz im Superschwergewicht einnehmen konnte. Ich glaube, dass das mein großes Glück war, denn das Gewichtmachen, das für einen Start im Schwergewicht nötig gewesen wäre, hat mich damals sehr erschöpft. Ich denke, dass ich nicht Olympiasieger wäre, wenn ich im Schwergewicht angetreten wäre.

Die Atmosphäre in Atlanta habe ich aufgesogen. Ich war 1995 einmal privat in den USA gewesen, aber geboxt hatte ich dort noch nie, und für einen 20-Jährigen, der in der Sowjetunion aufgewachsen war, hatte Amerika natürlich einen großen Reiz. Auch wenn ich es nicht geschafft habe, etwas von der Stadt zu sehen, weil ich immer auf mein Training und die Wettkämpfe fixiert war, habe ich besonders das Leben im olympischen Dorf genossen. Ich habe mein großes Idol Muhammad Ali getroffen, habe die russische Ringer-Legende Alexander Karelin kennengelernt, mit vielen anderen Sportlern gegessen. Und auch wenn ich es nicht geschafft habe, zu anderen Events zu gehen, so habe ich doch mit vielen anderen Athleten gemeinsam trainiert und dadurch wertvolle Erfahrungen gesammelt, die ich nie vergessen werde. Unvergesslich bleibt auch, dass ich bei der Schlussfeier die ukrainische Fahne ins Stadion tragen durfte. Welch eine Ehre!

Ich erinnere mich gern an das zurück, was uns der damalige Sportminister Waleri Borzow im Trainingslager vor den Spielen mit auf den Weg gab. „Jungs“, sagte er, „wenn ihr in Atlanta Gold gewinnt, wird das euer Leben zum Guten verändern. Wenn ihr verliert, dann habt ihr eure Chance vertan.“ Und genauso war es. Der Finalsieg gegen Paea Wolfgramm aus Tonga hat mein Leben in eine ganz andere Richtung verlaufen lassen. Auf einmal kamen die Angebote aus dem Profilager, von allen namhaften US-Promotern, aber auch aus Hamburg, vom Universum-Stall, für den Vitali und ich uns entschieden.

Ohne den Olympiasieg wäre ich mit Sicherheit nicht der geworden, der ich heute sein darf. Und ich habe noch immer diesen Traum: dass ich doch noch ein zweites Mal die Chance bekomme, bei Olympia zu starten. Der Amateur-Weltverband Aiba hat den Plan, Profiboxer aus seiner eigenen Weltserie 2016 in Rio de Janeiro mitkämpfen zu lassen. Ich hoffe sehr, dass man mir auch die Möglichkeit dazu gibt. Ich denke, dass ich mir das durch meine Erfolge in den vergangenen 18 Jahren verdient habe. Es wäre doch ein toller Abschluss, wenn ich mit dann 40 Jahren noch einmal um die Goldmedaille kämpfen dürfte. Dann würde sich ein Kreis schließen.