Die in die Jahre gekommene Fuhlsbüttler Straße wird wieder attraktiver. Besondere Läden und Cafés siedeln sich an und werten die Gegend auf.

Barmbek-Nord. Wildsalami, im Fass gealterter Rum, karibischer Senf, feine Sardinen, pfiffige Gewürzmischungen, gute Weine und lecker Selbstgekochtes – das „Kleine Glück“ bietet alles, was der Gaumen begehrt. Für die Nachbarn ist der Feinkostladen von Sonja Lettich seit der Eröffnung im November ein beliebter Treffpunkt. Sie kommen nach der Arbeit, nach dem Einkaufen, nach dem Spielplatzbesuch mit ihren Kindern oder einfach zwischendurch vorbei, auf einen Cappuccino, einen Wein, oder um ein paar Besorgungen bei ihr zu machen.

Solche liebevoll gestaltete Läden kennt man sonst eher aus Eppendorf oder von der Schanze, doch das „Kleine Glück“ liegt an der Fuhlsbüttler Straße. Die ist schon vor Langem von einer Flaniermeile zur tristen Einkaufsstraße verkommen, vornehmlich geprägt von Billigläden, Imbissen, Handyshops – und den blinden Fensterscheiben leer stehender Geschäfte. Das soll sich jetzt ändern. Durch die Sanierung fast der kompletten Straße im vergangenen Herbst und die Eröffnung einiger neuer Läden – ähnlich dem von Sonja Lettich – vollzieht sich ein Wandel, den Bezirksamtsleiter Harald Rösler unlängst so zusammengefasst hat: „Die Fuhle hat wunderbare Zeiten gesehen, aber auch miese Zeiten. Nun ist sie aus dem Schlimmsten heraus.“

Viele neue Wohnungen gebaut

Das glaubt auch Omar Tarin, der mit seiner Frau Anna seit April vergangenen Jahres das Marktcafé „Pantarin“ an der Fuhlsbüttler Straße/Ecke Hartzloh betreibt. „Die Fuhle entwickelt sich“, sagt der gebürtige Barmbeker, der seinen Gästen Kuchen aus dem Alten Land, Kaffeespezialitäten, selbst zubereitete Snacks und diverse Getränke anbietet. Wie Sonja Lettich haben auch die Tarins mit ihrem Lokal eine langersehnte Anlaufstelle für die Barmbeker geschaffen. „Es geht familiär zu, das mögen die Leute. Bei uns kommen sie ins Gespräch, auch wenn sie sich vorher nicht kannten“, so Omar Tarin, der die Fuhle noch aus seiner Kindheit kennt, als dort mehr Menschen einkauften als in der Mönckebergstraße. Nach der Sanierung komme sie dieser zumindest auf den ersten Blick wieder nahe. Jetzt fehle nur noch ein besserer Branchenmix. „Wir brauchen mehr attraktive Läden. Doch wegen der hohen Mieten haben es Einzelhändler hier schwer.“ Auch er und seine Frau stünden nicht so gut da, wenn nicht der dreimal wöchentlich stattfindende Markt und (im Sommer) der neu gestaltete Hartzlohplatz Gäste anlocken würden.

Zu hohe Mieten und viele leer stehende Geschäfte – das Interesse an der Straße war lange weder bei Kunden noch bei Gewerbetreibenden groß. Auch das ändert sich. In der Umgebung leben wieder mehr junge Familien, neue Wohnungen werden gebaut, allein im Quartier Q 21 auf dem Gelände des ehemaligen Barmbeker Krankenhauses leben mehr als 1000 Neu-Barmbeker. „Die Kaufkraft ist gestiegen“, sagt Petra Henze von der IG Fuhle. Damit steigt auch das Interesse von Gewerbetreibenden an den leer stehenden Läden, wie sie von mehreren Immobilienmaklern gehört habe. Die Straßensanierung, aber auch die Impulse durch neue, erfolgreiche Läden wie das „Kleine Glück“ und „Pantarin“, die Cupcake-Bäckerei „Was das Herz begehrt“, das Café „Echte Marmelade“, das Blumengeschäft „Rosis“, und das „Café May“ hätten das Vertrauen in die Straße gesteigert.

Die Anwohner wünschen sich dringend mehr Abwechslung. „Verhungern tut hier niemand. Aber für alles andere muss man in die Stadt“, sagt Rentnerin Waltraud Sommerfeld, die inmitten ihrer Einkaufstüten auf einer der neuen Bänke sitzt. In der Tat gibt es zahlreiche Supermärkte, Bäckereien, die Traditionsgeschäfte Giesler (Fisch, seit 1919) und Göpp (Fleisch, seit 1972), auf die die Barmbeker stolz sind. Doch was zum Anziehen findet man nur bei Textildiscountern wie Kik und Woolworth.

Auch Informatiker Thomas Reichhard sagt: „Beim Einkaufen vermisst man die Vielfalt.“ Er ist vor vier Jahren mit seiner Frau Rosane und den beiden Kindern von Eppendorf hergezogen. Barmbek habe ihn damals an die Schanze der 80er-Jahre erinnert, jetzt sei auch dieser Stadtteil im Aufbruch. Der Wandel sei deutlich spürbar, findet auch Nachbarin Franziska Aick. „Ich sehe das nicht unkritisch, denn Wohnungs- und Ladenmieten steigen bereits. Eine Aufwertung ist aber nur ein Gewinn, wenn es nicht zu teuer wird.“ Doch sie sei froh, dass endlich in die Sanierung der Straße investiert wurde.

Lob für breite Gehwege und neue Bänke

Die breiten Gehwege und neuen Bänke finden bei allen Lob. Der Wegfall von Parkplätzen und der Verlauf des Radwegs werden dagegen kritisiert. „Vor unserem Café sind zwei Parkplätze weggefallen“, sagt Omar Tarin. „Stattdessen gibt es dort jetzt den dritten Taxistand der Gegend.“

Von einer Gefährdung der Radfahrer spricht Thomas Hübener, Vorstandsmitglied der Verkehrsclubs Deutschland (VCD). „An einigen Stellen, wo Schrägparken erlaubt ist, gibt es keine Rangierzonen. Die schlechte Sichtbarkeit des Radverkehrs beim Ausparken birgt besonders hinter hohen Fahrzeugen eine große Unfallgefahr für Radfahrer.“ Letztendlich gebe es auf langen Streckenabschnitten für Fußgänger auch keine Möglichkeit, die Straße sicher zu überqueren. Der VCD fordert daher Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit auf der Fuhle.