Mit dem Rauchen aufhören, keine Süßigkeiten mehr essen, Marathon laufen: Der Hypnotiseur Jan Becker zeigt Menschen, wie sie jedes Ziel erreichen. Hier sind seine besten Tricks und Tipps

Es geht schon mal groß los. Die Kursteilnehmer sollen eine Siegerpose einnehmen, die Faust zum Himmel strecken und jubeln, als hätten sie gerade einen Wettbewerb gewonnen. Einige Minuten lang besteht der Seminarraum nur aus Gewinnern. Yeah! 40 Menschen auf dem obersten Treppchen, sie lachen, machen sich so groß wie möglich und feiern sich selbst. „Was soll das wohl bringen?“, fragt eine Frau lachend ihren Nachbarn, um dann weiter wie eine Weltmeisterin zu gröhlen. „Weiß nicht“, antwortet er. „Es fühlt sich zumindest gut an.“

Und schon haben sie die erste Suggestion des Tages erlebt, ohne es zu merken. Plötzlich geht es allen gut, weil sie ihrem Inneren durch das Jubeln einen Erfolg suggeriert haben. Der Geist folgt dem Körper. „Wer Selbstbewusstsein benötigt, für den ist die Siegerpose ideal“, sagt Jan Becker.

Becker ist eine fleischgewordene Siegerpose. Groß, dunkler Anzug, komische Mondsichelfrisur, die an jedem anderen lächerlich wirken würde. Doch kombiniert mit dem Selbstbewusstsein seines Trägers wirkt sie passend, fast normal. Und dann diese Augen. Es gibt Leute, die schauen Jan Becker nicht an, weil sie fürchten, er blicke direkt in sie hinein. Becker ist Deutschlands bekanntester Hypnotiseur.

Bekannt wurde er 2009 als Gewinner der „The next Uri Geller“-Show, und seitdem hat der 39-Jährige immer wieder öffentlich für Verblüffung gesorgt. Hat Unbekannte mit einem Schnippen einschlafen lassen, hat ihre Sternzeichen erraten oder Wörter, an die sie denken sollten. Wenn Becker will, können Freiwillige aus dem Publikum ihre Füße oder Beine nicht mehr bewegen, oder sie bekommen scheinbar unglaubliche Kräfte, sodass sie wie ein Brett zwischen zwei Stühlen liegen oder mit dem Zeigefinder 80 Kilo schwere Dinge heben. Er hat vor 50.000 Fußballfans im Stadion von Borussia Mönchengladbach einen Sieg vorhergesehen, der tatsächlich so eintraf und noch vieles mehr, was alles Zufall sein könnte. Aber so viele Zufälle über Jahre?

„Ich nutze nur die Kraft der Gedanken“

„Ich habe keine übersinnlichen Fähigkeiten. Ich nutze nur die Kraft der Gedanken. Alles, was man mit seinem eigenen Geist tun kann, kann man auch ändern“, sagt Becker. Selbstbewusster auftreten, Ängste überwinden, gesünder essen, mehr Sport treiben – die ganze Palette von guten Vorsätzen, die man alljährlich im Januar fasst, um sie dann ebenso alljährlich über die Monate in Vergessenheit geraten zu lassen.

Dieses Jahr wird es anders laufen. Das Seminar bei Jan Becker soll die Grundlage legen, dort werden Gehirnbesitzer zu Gehirnbenutzern. Die Anwesenden wollen lernen, wie sie durch ihre eigene Fantasie die Realität verändern können. Wie sie ihre Ziele erreichen können.

Die Teilnehmer sind aus den unterschiedlichsten Gründen aus ganz Deutschland in das Hotel am Berliner Alexanderplatz gereist, wo das Seminar stattfindet. Gaby aus Hamburg würde gerne ihre Angst vor dem Skifahren überwinden, Cordula aus Erfurt weniger Süßes essen, Frank leidet darunter, dass scheinbar alle beruflich an ihm vorbeiziehen. Jana arbeitet als Hebamme und erhofft sich Tipps für die Schmerzbehandlung ihrer Patientinnen, und Silke ist – wie viele andere – einfach nur Jan-Becker-Fan. Hinzu kommen echte Profis in Sachen Autosuggestion und Hypnose: Martin und Ulrike beispielsweise betreiben eine Kinderwunschpraxis in der Nähe von Rendsburg und sind davon überzeugt, dass der Glaube einer Frau mehr als ihr Körper eine große Rolle dabei spielt, schwanger zu werden. Und Eberhart hat bereits eine Trennung von Körper und Geist erreicht, die fast unmenschlich erscheint: Er lief mehr als 100 Marathons und 15 Ironmans, durchquerte die Sahara und fuhr beim härtesten Radrennen der Welt „Race across Amerika“ 5000 Kilometer nonstop von Küste zu Küste. Der Körper kann alles, glauben Menschen wie Eberhart und Becker: „Jeder gesunde Mensch würde mit einer vernünftigen Vorbereitung einen Marathon schaffen.“

Viele wären schon mit ein bisschen Joggen zufrieden, doch selbst da bremst der innere Schweinehund. Allein das Wort „guter Vorsatz“ sei hinderlich, findet Becker. Um ein Ziel zu erreichen, müsse man sich aufmachen und es nicht nur planen. „Egal, was man vorhat, man sollte sofort in die Aktion gehen und sich danach gleich belohnen“, sagt Becker. So bleibt das Erlebnis – und sei es nur eine klitzekleine Laufeinheit – als Erfolg in Erinnerung und gelinge zunehmend besser. Profis werden mit derselben Methode trainiert. Ein Tennisspieler übt beispielsweise nicht zehn Minuten Rückhand, zehn Minuten Vorhand und dann zehn Minuten Aufschlag. Er übt so lange Rückhand, bis alles perfekt läuft, und erst dann macht er mit dem anderen Schlag weiter.

Jan Becker baut seine Tipps nicht auf Hokuspokus auf. Es mag in dem Metier unpassend klingen, aber der Hypnotiseur scheint geradezu wissenschaftlich vorzugehen, liest jede Studie, die im Entferntesten mit dem Thema zu tun haben. Angefangen hat er als Kind mit dem Buch des in den 1930er-Jahren berühmten Hypnotiseurs Erik Jan Hanussen. Das Irrationale begeistert Becker so sehr, dass er fortan seine Familie mit Zaubertricks unterhält und bereits mit sieben Jahren beschließt, keinen normalen Beruf ergreifen zu wollen, sondern Wunder zu bewirken. Das scheint zu funktionieren. Unter dem Becker-Fans im Seminar sitzen viele, die mit seiner Hilfe bereits einige Hürden genommen haben, sich das Rauchen abzugewöhnen beispielsweise.

Eine Teilnehmerin erzählt, dass sie sich ständig Sorgen macht und sich gefangen fühlt in ihrer negativen Gedankenspirale. Becker hat für dieses Problem einen Gedankenstopper entwickelt, der in vier Schritten funktioniert: 1. Sobald man einen negativen Denkprozess erkennt, denkt man sofort an ein großes rotes Stoppschild. 2. Man sagt innerlich mehrmals das Wort „Löschen“. 3. Tief ein- und ausatmen. Entspannen. 4. Den Gedanken vom Negativen ins Positive drehen, anstatt „Ich kann doch nicht ...“ etwa „Ich werde das schaffen ...“ denken, aus „Ich habe Angst vor ...“ „Ich bin neugierig auf ...“ machen. Gedanken und Gefühle sind keine Fakten. Sie sind veränderbar. Und sie haben eine subtile Kraft. Jeder Gedanke in uns strebe danach, wirklich zu werden, glaubte Émile Coué, ein französischer Apotheker und Begründer der Autosuggestion. Coué stellte fest, dass die von ihm ausgegebenen Arzneien bei den Kunden besser wirkten, wenn er einen positiven Kommentar dazu angab wie: „Mit diesem Medikament werden Sie sicher ganz schnell gesund.“

Damit war das Prinzip der Suggestion erkannt. Von ihm stammt der berühmte Satz, den sich am besten jeder Mensch, der ein erfolgreiches und glückliches 2015 anstrebt, täglich morgens und abends 20-mal halblaut vorspricht: „Es geht mir mit jedem Tag in jeder Hinsicht immer besser und besser!“ Dabei spielt es angeblich keine Rolle, ob man daran glaubt oder nicht, solange der Satz nur laut genug für den Gehörsinn ist, der das Gesprochene im Unterbewussten verankert. Alles, was man zu sich selbst sagt, entfaltet seine Wirkung.

Jan Beckers wichtigster Satz lautet: „Das Kind lernt laufen!“ Würde man einem Kleinkind, das beim Laufen lernen hinfällt, etwa empfehlen: „Bleib liegen, das wird nichts?“ Natürlich nicht. Man würde es ermutigen, es immer wieder zu probieren. Doch Erwachsene gehen häufig anders mit Rückschlägen um. Sie versuchen es selten nochmal. Warum? „Weil sie resignierte Elefanten sind“, sagt Becker. Er vergleicht unser Nichtschaffen mit einem Zirkuselefanten. Der wurde als kleiner Elefant an einen Pflock gebunden, was ihm natürlich nicht passte. Er zerrte an seinen Ketten, war aber noch zu klein und zu schwach. Tage- und monatelang versuchte er erfolglos, sich zu befreien. Dann gab er auf. Er würde es nie schaffen, dachte er. Einige Jahre später war er ein starker, ausgewachsener Elefant, der mühelos den Pflock hätte ausreißen können, doch er probierte es gar nicht mehr. „So wie der Elefant unterschätzen viele von uns die Kraft, die in uns wohnt, und vor allem die Macht unserer Gedanken“, sagt Jan Becker.

Gedanken von Angst blockiert

Häufig genug werden Gedanken von Angst blockiert. In diesem Fall empfiehlt der Seminarleiter folgende Übung: Man stellt sich vor, auf Gleisen zu stehen. Von vorne kommt ein großer Zug immer näher, vollgeladen mit Waggons voller Angst. Zack, mit voller Wucht brettert der Zug durch einen hindurch, man dreht sich um und schaut ihm nach. Dann richtet man sich wieder nach vorne und sieht einen weiteren Zug auf sich zukommen, diesmal ist er nicht so groß, hat weniger Waggons. Er durchfährt einen, man schaut ihm nach, in der Ferne wird er kleiner und kleiner. Als Letztes kommt ein Zug in der Größe einer Märklin-Eisenbahn. Er fährt einfach durch die Beine hindurch. Es sieht sehr skurril aus, wenn sich 40 Personen in einem Raum mit zunächst sehr ängstlichen Gesichtern drehen, manche weinen sogar, aber schließlich lösen sich die Gesichtszüge. „Ich fühle mich befreit“, sagt eine Dame. „Wir sind nicht die Angst, sie geht durch uns hindurch“, sagt Becker. „Genauso beim Stress: Wir sind nicht der Stress, der Stress ist um uns herum.“

Zu viel Stress verstellt das Gefühl für die Intuition, für unser Bauchgefühl, das wir brauchen, um Entscheidungen zu treffen. Der Geist belohnt Entscheidungen, man fühlt sich unweigerlich besser. Aufschieberitis hingegen kann uns quälen. Das Problem ist nur: Oft genug scheint man selbst gar nicht zu wissen, was man eigentlich will. In diesem Fall hilft das Arm-Orakel. Es ist eine Art Biofeedback-Instrument, bei dem eine einfache körperliche Reaktion etwas über das Innere verrät. Dafür stellt man sich hin und breitet die Arme seitlich aus. Man führt die ausgestreckten Arme vor dem Körper zusammen, sodass die Handflächen sich berühren; das ist die Neutralposition. Anschließend breitet man die Arme wieder aus und denkt an etwas, das definitiv nicht stimmt, zum Beispiel: „Der Eiffelturm steht in Hamburg.“ Während dieses Gedankens führt man die Arme wieder zusammen – sie scheinen plötzlich unterschiedlich lang zu sein, die Hände landen nicht mehr aufeinander. Was ist passiert? Das Unterbewusstsein hat eine „Stimmt nicht“-Botschaft gesendet, die sich in der Asynchronizität des Körpers ausdrückt. Etwas scheint nicht zu passen. Wenn man jetzt denkt: „Der Eiffelturm steht in Paris“, dann sind die Arme wieder synchron. Nahezu jede Frage kann man sich so beantworten. Soll ich dieses Plätzchen essen? Will ich umziehen? Soll ich den neuen Job annehmen? Bei „Ja“ werden die Arme synchron sein, bei „Nein“ nicht. Durch diesen Mechanismus tritt die Meinung des Unterbewusstseins zu Tage.

Der einfachste Tipp zum Schluss: Morgens zwei bis drei Minuten ein Lächeln halten, das stimmt positiv für den Tag, glaubt Jan Becker: „Lächeln ist eine Wunderwaffe.“ Und wer würde nicht gerne mit Glück beschossen werden.

Termine: Jan Becker gibt am 8. März in Hamburg ein ganztägiges Seminar über Selbsthypnose. Kosten 379 Euro. Anmeldungen unter: www.jan-becker.com

Rauchern wird auch online geholfen: „Für immer Nichtraucher in 120 Minuten“ heißt Beckers neues Online-Angebot. Mehr Informationen auf www.dernichtraucherguru.de