Die Einrichtung an der Berzeliusstraße wird verspätet im Januar bezogen. Fläche liegt direkt an einem unbeschrankten Bahnübergang

Billbrook. Die ersten roten Wohncontainer an der Berzeliusstraße sind aufgebaut. Hier im Billbrooker Industriegebiet entsteht mit 600 Plätzen das größte Flüchtlingsdorf der Hansestadt. Die Kosten liegen nach Abendblatt-Informationen bei rund 15,5 Millionen Euro. Der Standort ist umstritten, denn in unmittelbarer Nähe leben in den Unterkünften am Billstieg und Billbrookdeich bereits 774 Flüchtlinge.

Außerdem hatte auf diesem Areal im Industriegebiet bereits in den 90er-Jahren eine Slum-ähnliche Einrichtung bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Diese wurde 2002 geschlossen. Die Gebäude wurden abgerissen. Geblieben sind drei große Brachflächen.

Trotzdem konnte der Zeitplan nicht eingehalten werden: Eigentlich hatte die Sozialbehörde geplant, dass bereits im Oktober an dem Standort Berzeliusstraße die ersten Bewohner einziehen sollten. Aber daraus wurde nichts. Grund sei unter anderem eine nicht vorgesehene Kampfmittelsondierung gewesen, so Behördensprecher Marcel Schweitzer. Nun sollen die ersten 120 Flüchtlinge Ende Januar 2015 hier untergebracht werden. Der zweite Bauabschnitt soll im Februar fertiggestellt sein.

Das Abendblatt hatte exklusiv die Möglichkeit, einen ersten Blick in die zweistöckigen Unterkünfte zu werfen: Zwei Vierzimmerwohnungen mit jeweils etwa 83 Quadratmeter Fläche und zwei Dreizimmerwohnungen mit etwa 75 Quadratmeter Fläche sind auf eine Containereinheit verteilt. Insgesamt können hier bis zu 24 Menschen untergebracht werden. Die weißen Fliesen in der Küche und im Bad, wobei Dusche und WC in getrennten Räumen liegen, sind bereits angebracht. Noch liegen Heizkörper und Waschbecken auf dem Fußboden, sollen aber in den nächsten Tagen befestigt werden.

Die Container haben eine lange Reise hinter sich. Sie werden in Tschechien gefertigt und von der Harburger Firma Comma geliefert.

Aus welchen Ländern die Flüchtlinge kommen, die an der Berzeliusstraße untergebracht werden, ist noch unklar. „Zur genauen Belegung können wir heute noch keine Aussage treffen, sondern erst kurz vor Inbetriebnahme der Einrichtung“, sagte Fördern-und-wohnen-Sprecherin Christiane Schröder. Das städtische Unternehmen, kurz f&w, ist für den Betrieb der Flüchtlingsunterkunft verantwortlich. Und damit wohl auch für die Sicherheit der Menschen, auch vieler Kinder, die hier einziehen werden. Nur wenige Meter von der Unterkunft entfernt liegt ein ungesicherter Bahnübergang. Auf der Strecke verkehren Güterzüge.

Der Billstedter CDU-Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp warnt: „Das ist lebensgefährlich.“ Erkalp fordert: „Die Sozialbehörde muss dringend gemeinsam mit der Deutschen Bahn dafür sorgen, dass hier Schranken installiert werden.“ Es sei unglaublich, dass hier im Januar die ersten Bewohner einziehen sollen und die Stadt sich offensichtlich noch gar nicht mit diesem Sicherheitsrisiko beschäftigt habe, so Erkalp weiter. “ F&w-Sprecherin Schröder kündigte an: „Eine mögliche Verbesserung werden wir zur Prüfung an die Bahn weiterleiten.“

Schon jetzt begeben sich die Bewohner der Unterkünfte Billstieg und Billbrookdeich, die ihre Kinder zum Kindergarten an der Berzeliusstraße bringen wollen, in Lebensgefahr. Denn zurzeit ist die Verbindung zur Kita über einen Trampelpfad durch einen Baustellenzaun versperrt. Anstatt einen größeren Umweg in Kauf zu nehmen, gehen viele Familien häufig direkt an den ungesicherten Bahnschienen entlang.

Die Entscheidung für den Standort Berzeliusstraße bleibt auch aus anderen Gründen umstritten: „Es gibt hier bereits in unmittelbarer Umgebung 774 Flüchtlinge. Dass die Sozialbehörde nun noch mal 600 Menschen hier unterbringen will, zeigt, dass die Verteilung der Flüchtlinge über das Stadtgebiet völlig unausgeglichen ist“, so der CDU-Politiker Erkalp. Die Stadt schaffe sich hier „sehenden Auges ein Getto“, kritisiert Erkalp.

Das Verwaltungsgericht beschäftigt sich unterdessen mit zwei Eilanträgen von Anliegern, die die Unterkunft an der Berzeliusstraße verhindern wollen.