Regierung verabschiedet Dienstag ein Konzept, das auch präventive Maßnahmen gegen religiösen Extremismus vorsieht

Hamburg. Mit einem Programm gegen Salafismus versucht die Stadt Hamburg dem Phänomen dieser Form des Extremismus Herr zu werden. Am Dienstag wird der Senat eine entsprechende Drucksache beschließen. Sie umfasst eine Reihe vorbeugender Maßnahmen sowie Schulungen und den Aufbau eines Netzwerks zwischen staatlichen Stellen und privaten Organisationen und Vereinen. Daneben gibt es auch einen repressiven Teil: Der Senat kündigt an, gewaltbereiten Extremisten den Reisepass zu entziehen.

Ende Mai hatte die Bürgerschaft für einen entsprechenden Antrag der FDP gestimmt. Nun liegt das Konzept vor, an dem neben den Behörden für Inneres, Soziales und Schule auch muslimische Verbände wie DITIB, Schura, Rat der Islamischen Gemeinschaften, Verband der Islamischen Kulturzentren und der Alevitischen Gemeinde gearbeitet haben. Gemeinsam soll der Extremismus in Hamburg bekämpft werden. So heißt es in der Drucksache: „Insbesondere der Salafismus droht, sich in Hamburg als demokratie- und integrationsfeindliche Ideologie zu etablieren.“ Seine Anhänger agitierten besonders unter jungen Menschen gegen Menschenrechte und Demokratie und für ein extremistisches Weltbild. Salafisten würden die jungen Leute „zwecks ideologischer Indoktrination in Gruppenzusammenhänge“ einbinden. Zudem, so die Verfasser, werben die Anhänger für Unterstützung des Heiligen Krieges (Dschihad).

Derzeit geht der Verfassungsschutz in Hamburg von einer Gruppe von 320 Salafisten aus. Etwa 150 von ihnen gelten als gewaltbereit. Es ist davon auszugehen, dass die Gruppe, die zum Sympathieumfeld gezählt werden kann, etwa 1000 Personen stark ist. Bislang ist von 40 Personen bekannt, dass sie in die Dschihadgebiete Syrien und Irak ausgereist sind, um dort zu kämpfen. Etwa 17 von ihnen sind wieder nach Hamburg zurückgekehrt. Ein 19-jähriger Hamburger ist bei Kämpfen in Syrien bereits getötet worden.

Innensenator Michael Neumann (SPD) hatte sich unlängst für den Pass-Entzug starkgemacht, der schon heute möglich sei. Und zwar dann, wenn der begründete Verdacht bestehe, dass jemand das Land verlassen wolle, um ausländische Terrorgruppen zu unterstützen. Auf Bundesebene zu klären sei noch die Frage, wie man auch den Personalausweis entziehen könne, mit dem gleichfalls gereist werden kann. Unklar ist auch, wie mit der doppelten Staatsbürgerschaft umgegangen wird.

Da Salafisten vornehmlich bei Jugendlichen rekrutieren, sollen gerade an Schulen, Jugendeinrichtungen, Vereinen und nicht zuletzt auch in den Familien Fachkräfte und Eltern geschult werden, die Veränderung der Jugendlichen zu erkennen und ihnen zu begegnen. In Schulen fallen Betroffene etwa dadurch auf, dass sie sich im Unterricht über angeblich unislamische Verhaltensformen ereifern. In Familien erfahren Angehörige häufig eine zunehmende Distanzierung. So hat sich etwa ein Mädchen beim Jugendamt wegen angeblicher Kindeswohlgefährdung gemeldet. Es wollte so erreichen, getrennt von der Familie, mit seinen salafistischen Freunden in Kontakt zu treten.

Um Derartiges zu verhindern, soll nun ein Netzwerk zwischen Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, Kitas, Jugendberufsagenturen, Ausbildungsbetrieben und entsprechenden Vereinen hergestellt werden. Ein wichtiger Aspekt der Prävention ist der Abbau von Vorurteilen. Denn nicht nur die Suche nach Identität kann zu einer Radikalisierung führen, sondern auch antimuslimische Diskriminierung. „Derzeit sind viele Einrichtungen der Regelsysteme noch nicht ausreichend auf die Auseinandersetzung mit den Problematiken der Islamfeindlichkeit und des Salafismus eingestellt“, heißt es in der Drucksache. Besonders im pädagogischen Bereich sei eine „verbreitete Handlungsunsicherheit“ festzustellen. Zudem sollen Beratungsteams betroffenen Angehörigen zur Seite stehen. Den Familien fällt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines radikalisierten Familienmitglieds zu. Und schließlich sollen die Teams beim Ausstieg helfen, indem sie den Perspektiven eröffnen.

Der Senat will das Konzept mit 1,1Millionen Euro bis 2016 unterstützen. Das Geld soll aus bereits bestehenden Haushaltstöpfen abgezweigt werden. Die SPD-Fraktion will das Anti-Salafismus-Konzept noch in diesem Jahr durch die Bürgerschaft bringen.