Algenblüte und hohe Nährstoffeinträge lösen Fischsterben in der Elbe aus. Fischer zieht es jetzt in andere Regionen

Blankenese. Elbfischer Lothar Buckow aus Stade hatte vergangene Woche gar keine Lust mehr, seinem Beruf nachzugehen. Statt immer mit seinem Kutter „Elise“ unterwegs zu sein, blieb er auch mal zu Hause. Der Grund: Er konnte die vielen toten Fische in der Elbe nicht mehr sehen. „Die ganze Stintbrut vor Wedel – sie gibt es nicht mehr“, klagt er. Ums Leben gekommen, weil die Elbe nicht mehr genügend Sauerstoff mit sich führt. Ähnliches beobachtet in diesen Tagen Elbfischer Walter Zeeck, der sein Fanggebiet jetzt auf die Unterelbe verlegt hat. In Blankenese gab es massenhaft tote Fische – Meerforellen, Schnäpel, Stinte und Neunaugen. „Ein Drama“, sagt Zeeck, der seit 50 Jahren in dem Strom fischt.

Der Fischer fügt hinzu: „Seit der letzten großen Baggerei im Jahr 1999 hat der Sauerstoffmangel in der Elbe drastisch zugenommen. Vorher gab es so etwas nicht.“ Tatsächlich hat jetzt in der Hamburger Elbe ein Fischsterben begonnen. Wie fast immer, wenn die Sommerhitze über der Metropole brütet und die Wassertemperaturen der Elbe, wie am Mittwoch, in Wedel 24,5Grad Celsius betragen. Zwar erwartet die Umweltbehörde zurzeit kein dramatisches Ausmaß. Schließlich werde sich zum Wochenende die Wettersituation ändern, sagte Behördensprecher Magnus-Sebastian Kutz. „Außerdem können die Fische versuchen, in sauerstoffreichere Flachwasserzonen zu gelangen.“ Doch am Mittwoch schrammte der Sauerstoffgehalt nur knapp am Grenzwert von drei Milligramm pro Liter vorbei. In Blankenese wurden in den Morgenstunden 3,5 mg/l gemessen. Fällt in einem Gewässerabschnitt die Konzentration des im Wasser gelösten Sauerstoffs jedoch unter 3 mg/l, nennt man es „Sauerstoffloch“ – dann sterben die Fische.

Derweil sitzt Wilhelm Petersen vom Helmholtz Zentrum Geesthacht in seinem Büro. Im Computer schaut der Experte der Abteilung für Küstenforschung nach, wo sich dieses Sauerstoffloch gerade befindet. „Unterhalb des Hamburger Hafens“, sagt er und verweist auf die Daten der vergangenen Woche. Die Messstation Seemannshöft meldete den Tiefstwert von 1,5 mg/l, womit die Todeszone für die Fische eindeutig markiert war.

Als Ursache für den Sauerstoffmangel im Fluss spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Die Umweltbehörde verweist – neben „den menschlichen Eingriffen am Fluss über Jahrhunderte hinweg“ – auf die sommerlichen Algenblüte an der mittleren Elbe. Welche Effekte sie auslöst, erklärt der Wissenschaftler Wilhelm Petersen so: „Die Algenblüten im Oberlauf der Elbe bis zum Wehr Geesthacht produzieren erst mal Sauerstoff und führen zu einer starken Sauerstoffübersättigung.“ Unterhalb des Wehres jedoch ändern sich die Bedingungen für die Algen dramatisch. „Denn die durchschnittliche Tiefe der Elbe sinkt von zwei auf bis zu zehn Meter.“ Die Folge: Das Lichtklima für die Algen verschlechtert sich, weil es nicht mehr in zehn Metern Tiefe ankommt. „Bei den dann beginnenden mikrobiellen Zersetzungsprozessen wird Sauerstoff verbraucht. Sauerstofflöcher entstehen“ – mit tödlichen Folgen für die Flussbewohner.

Elbfischer Eberhard Rübcke sagt: „Das Plankton explodiert.“ Er macht die Landwirtschaft mit der Überdüngung für das immense Algenwachstum verantwortlich. Vor ein paar Jahren sei das Fischsterben noch viel schlimmer als jetzt gewesen. Um das deutlich zu machen, wählt er ein drastisches Beispiel: „Da hätten die Finkenwerder fast trockenen Fußes über die toten Fische in der Elbe laufen können.“ Die Naturschutzorganisation BUND verweist darüber hinaus auf Elbvertiefung, die den Sauerstoffmangel verschärfe. Seit der letzten Elbvertiefung im Jahr 1999 habe sich die Konzentration in der Elbe dramatisch verschlechtert. Außerdem führe das regelmäßige Ausbaggern der Elbe dazu, dass organische Prozesse beschleunigt würden und der Sauerstoffgehalt sinke, sagte BUND-Sprecher Paul Schmid. Nach Angaben der Umweltbehörde hat die Hansestadt inzwischen einiges unternommen, um den sommerlichen Sauerstoffmangel zu mindern. Dazu gehören die Ausweisung von Naturschutzgebieten wie die Auenlandschaft Norderelbe und der Holzhafen genauso wie der Wärmelastplan Tideelbe. Er legt fest, wie viel Abwärme Unternehmen mit ihrem Kühlwasser in die Elbe einleiten dürfen. Wichtig sei es nun, die Nährstoffeinträge von Düngemitteln aus der Landwirtschaft zu reduzieren, sagte der Behördensprecher.

Die Elbfischer hoffen nun auf das kommende Wochenende. Die angekündigten Gewitter dürften den Fischen wieder mehr Luft zum Atmen bringen.