In den Bezirksversammlungen sollte es um Themen gehen, nicht um Fraktionen

Es ist eine Frage, die sich manchmal nach einer wirklich guten Party stellt, immer aber nach Wahlen: „Wer mit wem?“

Und so ist es auch nach den Bezirkswahlen in Hamburg: Bisher regierte die SPD in den oft fälschlicherweise als Bezirksparlamenten bezeichneten Bezirksversammlungen überall mit, in Bergedorf und Harburg hatte sie sogar eine absolute Mehrheit. Diese Macht ist dahin, auch dort müssten sich die Sozialdemokraten Partner suchen, wenn sie denn wollen.

In Altona indes ist die gewohnte Koalitionsstärke hauchdünn geworden und eine Fortsetzung der Partnerschaft mit den Grünen fraglich. Offen ist auch ein Bündnis in Nord, während es in Wandsbek und Eimsbüttel erst einmal mit Rot-Grün weitergehen soll.

Zumindest in Altona wollen die Kommunalpolitiker aber jetzt einen anderen Weg wagen und es mit wechselnden Mehrheiten in der Bezirksversammlung versuchen – was übrigens in Bergedorf schon länger ganz gut praktiziert wird.

Das klingt ungewöhnlich, sollte es aber nicht sein. Denn anders als in echten Parlamenten gibt es in den Bezirksversammlungen keine Regierung, keine Minister oder Senatoren, die von stabilen Mehrheiten gestützt werden müssen. Man beschließt dort keine Gesetze, und die großen Weichenstellungen in der Stadt werden in der Bürgerschaft entschieden.

Bezirksversammlungen sind im Grunde Ausschüsse, die der eigenen Bezirksverwaltung auf die Finger schauen sollen. Bei Bebauungsplänen dürfen sie mitentscheiden; das war es dann aber auch schon meist. Selbst Tempo-30-Zonen können diese Hamburger Kommunalvertretungen nicht eigenständig durchsetzen. Allenfalls Vorschläge können sie machen.

Der lange Arm der großen Stadt streckt sich eben tief rein in die Bezirke, viel tiefer, als manche Debatten dort erahnen lassen. Vielleicht ist auch das ein Grund für die niedrige Wahlbeteiligung, weil die Wähler wissen, dass vieles eben doch in letzter Konsequenz im Hamburger Rathaus entschieden wird, die Bezirksversammlungen nicht ganz so wichtig sind.

Das wurde in der Vergangenheit immer ein wenig ausgeblendet, weil damals Bürgerschafts- und Bezirkswahlen gleichzeitig stattfanden. Diesmal mussten die Bezirksgremien im Kielwasser der Europawahl mitschwimmen, die traditionell nicht sehr viele Wähler an die Urnen lockt.

Und möglicherweise ist die geringe Machtfülle der Bezirke auch ein Grund für das miserable Abschneiden der SPD, die sich vor Ort in den vergangenen Jahren allzu oft als brave Vollstrecker des Senatswillens präsentierte – auch wenn in den Stadtteilen der Protest der Bürger hochkochte.

So aber machen Koalitionen in einem derartigen Gremium wie einer Bezirksversammlung in Wahrheit nicht viel Sinn. Blockdenken in kommunalen Fragen nützt allenfalls als Planspiel für die weitere politische Karriere des einen oder anderen Abgeordneten, nicht aber den Bürgern vor Ort. Wechselnde Mehrheiten bilden den Mehrheitswillen in einem Bezirk viel besser ab als fest verabredete Mehrheiten. Geradezu ärgerlich werden Koalitionen, wenn gute Vorschläge geschlossen von festen Kooperationen abgelehnt werden, nur weil sie von der „falschen“ Partei stammen.

Und wechselnde Mehrheiten dürften auch viel eher zu einem guten Kompromiss führen, weil man sich immer wieder um Mehrheiten bemühen muss. Mit Argumenten und nicht mit Fraktionsdisziplin.

Das wird die Bezirkspolitik für den Senat etwas unberechenbarer machen. Ein Schaden für die Demokratie ist die Abkehr von solchen politischen Ritualen in den Bezirksversammlungen aber nicht. Es wäre vielmehr ein echter Gewinn, den diese Gremien nach der erschreckend niedrigen Wahlbeteiligung dringend brauchen.