Acht Politiker, acht Fragen, acht Steckbriefe. Warum die sieben Männer und die eine Frau bei der Wahl am Sonntag in Hamburg antreten, was sie zur Gemeinschaftswährung und zur Flüchtlingsproblematik sagen – die große Übersicht.

Hamburg. Der Befund überrascht denn doch: Hamburg und Europa können offensichtlich nicht sehr viel miteinander anfangen, jedenfalls wenn es um die Beteiligung an den Wahlen zum Europaparlament geht. Die Stadt, die so sehr von Europa, von internationalen Wirtschaftskontakten profitiert, die ein Knotenpunkt der nordeuropäischen Verkehrsströme ist, bisweilen auch ihr Nadelöhr, ausgerechnet Hamburg also bildet bundesweit fast das Schlusslicht: Gerade einmal 34,7 Prozent der Hamburger gaben bei der letzten Wahl 2009 ihre Stimme ab. Nur die Brandenburger waren mit 29,9 Prozent noch desinteressierter. Seit der ersten Europawahl 1979, als 66,4 Prozent wählen gingen, hat sich die Beteiligung in Hamburg fast halbiert. Das „Tor zur Welt“, diesen Schluss könnte man versucht sein zu ziehen, interessiert sich nicht für die Welt draußen.

Die enttäuschende Wahlbeteiligung hatte weitreichende Folgen: Die Bürgerschaft beschloss, die Europa- und Bezirkswahlen zusammenzulegen. Die Hoffnung: Die bislang deutlich höhere Beteiligung bei Bezirkswahlen könnte die Zahlen bei der Europawahl nach oben ziehen. Ein Blick auf die Briefwähler bietet Anlass zu vorsichtiger Hoffnung: Bis zum Mittwoch hatten 15,6 Prozent der Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen beantragt. Am vierten Tag vor der Europawahl 2009 hatte die Quote lediglich 10,1 Prozent betragen. Mit Blick auf den kommenden Sonntag hatte Bürgerschafts-Präsidentin Carola Veit (SPD) gesagt: „Alles über 50 Prozent wäre großartig. Unter 45 Prozent sollten es nicht sein.“

Am Sonntag sind 1,284 Millionen Hamburger aufgerufen, an der Europawahl teilzunehmen. Neben den automatisch wahlberechtigten Deutschen, die 18 Jahre und älter sind, haben auch rund 3000 EU-Ausländer einen Wahlschein beantragt. Jeder Wähler hat eine Stimme, die er an eine der 24 Parteien vergeben kann, die zur Wahl antreten. Auf den vorliegenden Seiten geben die Hamburger Spitzenkandidaten der acht Parteien, die am ehesten Chancen haben, in das Europaparlament einzuziehen, ihre politische Visitenkarte ab. Ende Februar hatte das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltende Dreiprozenthürde gekippt. Das Fehlen jeglicher Sperrklausel erhöht die Chancen der kleinen Parteien.

Bislang wurde Hamburg von drei Abgeordneten im Europaparlament vertreten: Knut Fleckenstein (SPD) und Jan Philipp Albrecht (Grüne) kandidieren erneut. Birgit Schnieber-Jastram (CDU) beendet ihre politische Laufbahn. Für die frühere Sozialsenatorin und Zweite Bürgermeisterin strebt der CDU-Bürgerschafts-Vizefraktionschef Roland Heintze nach Europa. Wer die EU-Tickets löst, entscheidet sich über die bundesweiten Listen, die fast alle Parteien aufgestellt haben. Entscheidend für die Hamburger Kandidaten ist also nicht das Hamburger Ergebnis, sondern ihre Platzierung auf der Bundesliste.

Sozialdemokrat Fleckenstein steht auf Platz 19 der SPD-Liste. Da Deutschland 96 Abgeordnete in das nächste EU-Parlament schicken wird, würde es für den Osteuropa-Experten bei einer SPD-Schlappe von unter 20 Prozent eng werden. Vor fünf Jahren holte die SPD 20,8 Prozent. Der Grüne Jan Philipp Albrecht ist mit seinem Engagement für den Datenschutz auf europäischer Ebene eine Art Shootingstar seiner Partei und steht auf Listenplatz sechs. Das sollte reichen. Ausgesprochen günstig sind auch die Aussichten von Wolf Achim Wiegand, der auf Platz zwei der Bundesliste der Freien Wähler steht. Sollte die Wählervereinigung den Sprung nach Europa schaffen, ist Wiegand wohl dabei. Schwieriger hat es Najib Karim, der auf Platz elf der FDP-Liste steht. Die anderen Bewerber müssen auf Wahlwunder hoffen, die bekanntlich kaum eintreten: Martin Dolzer steht auf Platz 18 der Linken-Liste, Martina Pöser (sie ist als Bremerin die einzige Nicht-Hamburgerin des Tableaus) auf Platz neun bei den Piraten und Jörn Kruse auf Platz 20 bei der Alternative für Deutschland (AfD).

Nur CDU und CSU bilden eine Ausnahme: Sie stellen traditionell Landeslisten auf, sodass das Abschneiden der Landesverbände eine zentrale Rolle spielt. Die Verteilung der Plätze kann erst abgeschlossen werden, wenn das letzte Bundesland sein Ergebnis gemeldet hat. Das ist der Grund, warum der Hamburger CDU-Kandidat häufig bis in die Morgenstunden zittern muss, ehe sein Einzug sicher ist.