Bei der Polizei arbeiten viele Olympioniken und andere Sportler. Behörde hilft dabei, das doppelte Pensum zu schaffen. Ausnahmetalente eignen sich bestens als Aushängeschild für die von Nachwuchssorgen geplagte Polizei.

Hamburg. Polizisten sollten gut in Form sein und bleiben. Die körperliche Fitness spielt schon beim Einstellungstest eine wichtige Rolle: Bewerber, die weniger als zehn Klimmzüge schaffen, haben schlechte Karten.

Zehn Klimmzüge? Über solche Anforderungen können die fünf Leistungssportler der Hamburger Polizei nur müde lächeln. National und international gehören die drei Männer und zwei Frauen in ihren Disziplinen zum Spitzenpersonal. Sie stehen damit in einer Art Ahnenreihe von Leistungssportlerin wie Jobst Hirscht, der bei den Olympischen Spielen 1972 in München die Bronzemedaille in der 4x100Meter-Staffel holte – und noch bis 2006 als Sportlehrer bei der Polizei arbeitete.

Die Fitness-Elite trifft sich im Polizeipräsidium am Bruno-Georges-Platz: junge, smarte, durchtrainierte Menschen, die wie alle anderen Polizeibeamten Dienst schieben. Daniel Schmidt, 22, ist 16-facher Deutscher Meister und zweifacher Europameister auf dem Doppelminitrampolin im Einzel und im Team. Yvonne Frank, 34, hütet für die Deutsche Hockeynationalmannschaft und den Erstliga-Club Uhlenhorster HC das Tor. Robin Wendt, 24, gehört zu den besten Judoka im Land. Und dann sind da noch die zwei erfolgreichen Triathleten: Julian Fritzenschaft, 22, unter anderem Hamburger Meister über die Sprintdistanz im Triathlon, und Julia Kuhl, 31, deutsche Polizeimeisterin.

Ausnahmetalente wie diese fünf Beamten eignen sich bestens als Aushängeschild für die von Nachwuchssorgen geplagte Polizei. Dass die ihre sportliche Equipe fördert, indem sie etwa die Dienstpläne so flexibel gestaltet, dass die Athleten an ihren Wettkämpfen teilnehmen können, ist daher wenig überraschend. Yvonne Frank etwa ist in Nordrhein-Westfalen viermal zur Polizeisportlerin des Jahres gewählt worden, Daniel Schmidt gilt als das größte deutsche Talent im Trampolinspringen.

Seit Schmidt vier Jahre alt ist, trainiert ihn sein Vater in der Einzelsportart, bis zu achtmal pro Woche turnt der 22-Jährige in der Halle. Zusätzlich zum Dienst. Mit einer Größe von 1,68 Metern und seinem schmächtigen, fast zarten Körperbau, erinnert Schmidt an den Weltklasseturner Fabian Hambüchen. Aktuell arbeitet Schmidt als Bereitschaftspolizist – und steht damit an vorderster Front, wenn es etwa bei Demonstrationen hart auf hart kommt. Er brenne für seinen Sport und für seinen Job, sagt Schmidt. Bei der Polizei habe er angefangen, weil sein Vater schon dort beschäftigt gewesen sei und weil er den Job „schlicht spannend“ finde. Über den familiären Pfad ist er auch zum Trampolinspringen gekommen: Schon sein Großvater und sein Vater beherrschten atemberaubende Saltos und Schrauben auf der federnden Unterlage. Schmidt junior hat die Kunst der Körperkontrolle zur Perfektion getrieben. Ungebrochen ist auch sein Spaß daran, Schmidt beschreibt das Trampolinspringen als „eine Mischung aus Achterbahnfahren und Fliegen“. Erst vor zwei Wochen startete Schmidt bei der EM in Portugal, belegte dort allerdings nur einen enttäuschenden achten Platz. Sein nächstes Ziel ist jetzt die Weltmeisterschaft in Daytona Beach (USA) im November. Doch auch dieser Wettbewerb ist nur eine Etappe. „Das Highlight sind natürlich die Olympischen Spiele in Rio 2016, da will ich auf jeden Fall dabei sein.“

Man muss schon sehr ehrgeizig und sehr erfolgsdurstig sein, wenn man die Freizeit fast ausschließlich dem Sport opfert. Das trifft auf alle fünf Top-Athleten der Polizei zu, die vom heiligen Gral träumen: olympisches Edelmetall. „20 bis 25 Wochenenden im Jahr gehen für die Wettkämpfe drauf“, sagt Robin Wendt, Polizeimeister am Polizeikommissariat 23 (Eppendorf). Was allerdings nicht so tragisch ist. Seine Freundin, ebenfalls Polizistin, schiebe dann häufig Dienst. Als Fünfjähriger hat Wendt mit dem Judosport begonnen, sein Vater trainiert ihn noch immer. 2009 war er bei den unter 20-Jährigen Deutscher Meister, bei den Männern hat er es in Deutschland immerhin auf den dritten Platz gebracht. Ganz besonders reizt Wendt am Judo die „Psychologie“, er meint die „1:1-Situation auf der Matte“: das Einstellen auf den Gegner, das Ausloten seiner Schwächen in Sekunden, die unmittelbare Reaktion. „Freie Wochenenden sind rar“, sagt auch Yvonne Frank, Oberkommissarin im Verkehrsdienst der Polizei. „Darunter hat meine Familie schon gehörig zu leiden gehabt.“ Nach ihren ersten Olympischen Spielen in Peking hat sie viel Zeit und Energie investiert, die Nummer eins im Tor zu werden. Sie gewann den Konkurrenzkampf und fuhr als Stammtorhüterin zu den Spielen in London 2012. Verletzungsbedingt muss sie zwar aktuell etwas kürzertreten, peilt aber als nächstes Ziel die Champions Trophy in Argentinien an. Damit genug Zeit für die Vorbereitung und die Bundesligaspiele bleibt, arbeitet Frank nur 30 Stunden pro Woche, also in Teilzeit. Als Ausgleich für den geschmälerten Sold erhalten die Athleten allerdings häufig eine erfolgsabhängige Unterstützung der Deutschen Sporthilfe.

Wenn die Zeit für Vorbereitung und Wettkämpfe trotzdem nicht reicht, können sich die Ausnahmesportler freistellen lassen. Bis zu 20 Tage im Jahr bewilligt die Hamburger Polizei dafür beispielsweise als Sonderurlaub. Andere Bundesländer locken Top-Athleten zwar mit noch großzügigeren Konditionen. Hessen ermöglicht Spitzensportlern eine gestreckte Ausbildung, statt wie üblich drei haben sie viereinhalb Jahre Zeit, das Polizeihandwerk zu erlernen. Doch so ein Modell hat auch seine Tücken, meint Jörn Plamböck von der Sportdienststelle der Polizei. „Woanders kommt für die Sportler die Polizeiarbeit vielleicht zu kurz, aber unsere Athleten sind fest in die Praxis integriert, sie arbeiten richtig mit.“ Das sorge bei Kollegen für mehr Akzeptanz.

Dass auch der oberste Dienstherr körperlich auf der Höhe ist, will Innensenator Michael Neumann (SPD) beim Hamburg-Marathon am kommenden Sonntag zeigen, er geht als einer von 24 Staffelläufern an den Start. Dort zu glänzen dürfte ihm indes schwerfallen. Mit in seinem Team: Top-Triathlet Julian Fritzenschaft.