Zahl der Unfälle, an denen Senioren beteiligt sind, steigt stark an. Die Polizei startet neue Präventionsaktion

Hamburg. Die Problematik ist seit Jahren bekannt: Die Zahlen von Verkehrsunfällen, in denen Senioren verwickelt sind, steigen kontinuierlich an. Nun nehmen Innenbehörde und Verkehrswacht einen neuen Anlauf, präventiv gegen den Trend anzugehen. Denn der erste Versuch, der 2010 gestartet worden war, erwies sich als Flop.

„Nachdem wir vor vier Jahren an den Start gegangen sind, ist eigentlich nicht viel passiert“, sagt Hans-Jürgen Vogt, Geschäftsführer der Verkehrswacht. Gerade mal fünf „Bremskurse für Senioren“ gab es seitdem. „Es gibt zu viele Hemmschwellen“, sagt Vogt. Das Problem liegt auf der Hand. Ältere Menschen wollen ihren Führerschein nicht abgeben. „Der Führerschein, die Möglichkeit selbst mit dem Auto zu fahren, ist für viele Senioren ein wichtiges Stück Freiheit“, sagt Hermine Hecker von der Seniorenunion. Innensenator Michael Neumann setzt noch einen drauf. „Hier bei uns ist der Führerschein so etwas wie ein Heiligtum.“

Die neueste Unfallstatistik der Polizei zeigt deutlich, dass Handlungsbedarf besteht. 64.995 Unfälle ereigneten sich im vergangenen Jahr auf Hamburgs Straßen. An 11.078 davon waren Autofahrer ab 65 Jahren beteiligt. Eine deutliche Mehrzahl dieser Unfälle, 61,2 Prozent, wurde dabei von den Senioren verursacht. „Dieser Wert ist in den vergangenen Jahren permanent gestiegen“, sagt der Chef der Verkehrsdirektion der Hamburger Polizei, Karsten Witt, bei der Vorstellung der Zahlen. Dabei steigt mit zunehmendem Alter der Anteil der Senioren, die die Schuld am Unfall tragen. In der Altersgruppe 86 bis 90 Jahre gelten vier von fünf Beteiligten an Unfällen auch als Verursacher. Und es sind nicht nur Autofahrer oder Fußgänger im hohen Seniorenalter, die an schweren Unfällen beteiligt waren. Drei der acht 2013 in Hamburg tödlich verunglückten Motorradfahrer waren über 65 Jahre alt.

Das Thema ist überaus heikel. Während die sogenannten jungen Erwachsenen von der Polizei gern hart rangenommen werden und auch die Politik sehr schnell nach Restriktion ruft, wenn ein junger Autofahrer einen schweren Unfall verursacht, setzt man bei den Senioren vor allem auf Prävention. Dabei sind die Folgen ihrer Unfälle oft dramatisch. 2010 fuhr ein 73-Jähriger auf dem Parkplatz am Hauptbahnhof ein Kind tot. Ursache war offenbar ein Fahrfehler des Mannes, verbunden mit einer falschen Reaktion. Fordert man hier härteres Durchgreifen, sieht man sich, das durfte der Innensenator am eigenen Leib erfahren, nachdem er verbindliche Sehtests gefordert hatte, dem Vorwurf der Altersdiskriminierung ausgesetzt. Mittlerweile ist Neumann moderater. „Es ist nicht absehbar, dass ein regelmäßiger, verbindlicher Sehtest oder Gesundheitscheck für Führerscheininhaber Pflicht wird“, sagt Neumann. „Deshalb appellieren wir an die Vernunft.“

Auto Club fordert ärztliche Tests, bei denen kein Führerscheinentzug droht

Dieser Appell soll ankommen. Deswegen versuchen die Beteiligten jetzt ältere Verkehrsteilnehmer über die Institutionen zu erreichen, die mit Senioren zu tun haben. 50.000 Postkarten sind an die entsprechenden Verbände rausgegangen. Auf dem Flyer zur Aktion ist ein Kind zu sehen, das fragt „sag mal Opa, was ist eigentlich ESP“. Das dürfte Opa auch nicht immer wissen. „Wir setzen darauf, dadurch die Neugier anzuregen“, sagt Hendrik Holland von der Verkehrsdirektion. ESP steht für Elektronisches Stabilitätsprogramm, es bezeichnet ein Fahrassistenzsystem, das durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder dem Ausbrechen des Wagens entgegenwirkt.

Peter Deutschland vom Auto Club Europa (ACE) ist das nicht genug. „Ein Gesundheitscheck unter dem Gesichtspunkt Fahrsicherheit muss in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden“, sagt er. „Außerdem muss er von einem Arzt durchgeführt werden, der mit dem Teilnehmer das Ergebnis durchspricht.“ Ein älterer Autofahrer dürfe nicht die Angst haben, dass ihm bei einem schlechten Testergebnis gleich der Führerschein abgenommen wird.

Während das neue Konzept vorgestellt wurde, absolvierten einige Senioren auf dem Verkehrsübungsplatz an der Großmannstraße ein Fahrsicherheitstraining. Paul-Georg Hecker setzte sich an einen Fahrsimulator der Dekra. „Ich hab so etwas noch nie gemacht“, sagt der 82-Jährige, der etwa 8000 Kilometer im Jahr mit dem Auto zurücklegt. Sein Reaktionstest lief gut. „Man ist natürlich viel konzentrierter, als wenn man normal fährt“, sagt er.

Auf die extra unter Wasser gesetzte Aquaplaningstrecke hat sich Hilde Eberhard getraut. „Ich hatte von diesem Training gehört und gedacht, dass es nicht schaden kann“, sagt sie. Den Anstoß hatte sie von ihrer Enkelin bekommen. „Die hat auch ein Training absolviert, eines für junge Leute.“