Zehntausende Partygäste machen den Elbstrand zur Müllkippe, kaum jemand benutzt die Abfalleimer. Reinigung kostet 35.000 Euro

Blankenese. Heinz Knaak schaut auf die Uhr. Es ist Viertel nach sechs morgens, und vor dem Einsatzleiter und seinen beiden Reinigungstrupps liegen noch mehrere Tausend Quadratmeter Uferfläche und Strand, die übersät sind mit Glasflaschen und Müll, vom verschleimten Taschentuch bis hin zum alten Dieselkanister.

Sie müssen sich sputen, denn schon bald kommen die ersten Jogger, dann die Hunde-Gassi-Geher, und am späteren Vormittag dann die Familien mit ihren Kindern zum Osterspaziergang hier unten auf dem Blankeneser Strandweg. Nur die erste von vier genehmigten Feuerstellen am Jollenhafen ist bereits wieder begehbar. „Dieses Jahr war es der Hammer“, sagt Knaak und starrt auf einen leeren grünen Mülleimer, um den herum etwa 60 Bierflaschen liegen, zum Teil zersplittert. „Die Polizei ging von mindestens 10.000 Besuchern aus, wahrscheinlich sind es sogar 15.000 gewesen. Kein Wunder, bei dem Wetter.“

Die privaten Wertstoffsammler haben immerhin schon mal die PET-Flaschen und Getränkedosen eingesackt. Einer von ihnen habe es Ostern auf rund 8000 Flaschen und Dosen gebracht, sagt Knaak, rechnet rasch im Kopf die Summe zusammen und kommt auf rund 2000 Euro Pfandgeld, schwarz – und das in einer Nacht. Dafür müssen seine Männer von der Finkenwerder Wasserwirtschaft, die der Hamburg Port Authority (HPA) unterstehen, mehrere Wochen arbeiten. Und die Glasflaschen einsammeln, die ja nur 8 Cent pro Flasche einbringen und den privaten Flaschensammlern überdies zu schwer sind. „In diesem Jahr sind es leider so viele, dass wir nicht mal unseren ‚Beach-Cleaner‘ einsetzen können“, sagt Heinz Knaak. Diese Spezialmaschine fährt normalerweise mit einem Höllenlärm über den Strand und kämmt wie mit einem großen Rechen den Sand durch. „Da würden jetzt zu viele Flaschen zersplittern. Ich denke da vor allem an Kinder und Hunde. Also müssen wir dieses Jahr alles händisch reinigen.“

Es sind nicht die riesigen Osterfeuer mit ihrem Qualm, von denen die Anwohner genervt sind. Sondern es ist das, was nach dem Spektakel übrig bleibt: ein komplett vermülltes Gelände. „Wir haben mehrere Jahre lang Extracontainer aufgestellt“, sagt Martin Boneß, Sprecher der HPA, „aber davon sind wir aus Kostengründen wieder abgekommen. Die Leute nutzen sie einfach nicht.“ Was Martin Boneß nicht verstehen kann. Einschränkend fügt er jedoch hinzu: „Natürlich spiegeln die Tausende von Glas- und Kunststoffflaschen sowie die mindestens ebenso hohe Anzahl von Plastikbechern, die an den Feuerstellen achtlos zurückgelassen werden, nicht den normalen Müll-Alltag wider.“

Bis zu 400 Kubikmeter Müll muss sein Unternehmen jährlich von den Stränden sammeln. Dafür fallen rund 335.000 Euro Betriebskosten an, die im vergangenen Jahr aufgrund des guten Wetters auf 350.000 Euro angestiegen sind. Allein die Reinigung und die Entsorgung von Abfällen zum Osterfeuer kostet 35.000 Euro. „Wir haben leider festgestellt, dass die Strandbesucher zunehmend sorgloser mit ihren Abfällen umgehen und nicht bereit sind, die 150 Mülltonnen und Grillkohleauffangbehälter zu nutzen.“ Am stärksten seien die Verschmutzungen in den Abschnitten Wittenbergen, Blankenese und Övelgönne. „In der Sommersaison ist unser Strandtrupp nicht nur werktäglich, sondern auch an den Wochenenden und an Feiertagen bereits frühmorgens im Einsatz. Zusätzlich setzen wir an etwa 100 Tagen im Jahr den BeachCleaner ein.“ Gleichwohl habe man gegen die Ignoranz einiger Zeitgenossen keine Chance. Und die Grillsaison habe ja noch gar nicht richtig angefangen.

Wie vermüllt ist Hamburg wirklich? Und vor allem, warum? Liegt es daran, dass das Abfallbeseitigungskonzept nicht mehr zeitgemäß ist? Dass zu viele Köche in einem Brei rühren? Immerhin sind vier verschiedene Institutionen für die Reinigung der Stadt zuständig: Die HPA für das gesamte Hafengebiet inklusive der Strände und Ufer (da es sich bei der Elbe um eine Bundeswasserstraße handelt), die Stadtreinigung für die Straßen und Wege, für Haus- und Gewerbeabfälle, Sperrmüll sowie Altglas und Altpapier, die sieben Bezirksämter für die öffentlichen Grünanlagen, und dann gibt es auch noch zahlreiche Flächen, die zwar öffentlich genutzt werden, sich aber in Privatbesitz befinden.

„Das Konzept Stadtreinigung und Bezirke hat sich aus Sicht des Bezirks Mitte bewährt“, sagt Norman Cordes, Sprecher der Behörde. Man arbeite selbstverständlich auch zusammen. „Im Allgemeinen gibt es kein generell höheres Müllaufkommen. Es gibt jedoch temporäre Belastungsspitzen, die dann auch zu einer Beschwerdelage führen. Die Reinigungs- und Pflegedurchgänge in den öffentlichen Grünanlagen sowie beim Straßenbegleitgrün sind in der Regel ausreichend.“ In den Phasen höheren Müllaufkommens werde dann „anlassbezogen reagiert“.

Auch der Unrat, der nach den üblichen Sonnabend-Nacht-Partysausen auf dem Kiez sowie im Schanzenviertel ab dem frühen Sonntagmorgen von der Stadtreinigung beseitigt wird, fällt naturgemäß reichlich voluminöser aus als an normalen Wochentagen. Aber die Abfälle auf den Bürgersteigen sowie die zahllosen kaputt getretenen roten Papierkörbe zeigen überdeutlich die Ignoranz einiger Zeitgenossen gegenüber der Allgemeinheit.

„Darüber hinaus müssen wir zunehmend feststellen, dass die Nachlässigkeit einiger Bürger mancherorts deutlich zugenommen hat, vor allem dort, wo wir Container aufgestellt haben“, sagt Reinhard Fiedler, Sprecher der Hamburger Stadtreinigung, der es sich nicht erklären kann, warum etwa große Pappkartons in der Regel einfach vor den Containern abgestellt werden. „Im Grunde ist es doch zumutbar, die Pappen zu zerreißen oder zu zerschneiden. Wir haben die Öffnungen der Container extra größer gemacht, aber einige wollen es anscheinend nicht kapieren.“

Interessanterweise befinden sich die „problematischsten Standplätze“ (Fiedler) in den wohlhabenderen Stadtteilen. Er nennt fünf Hotspots: die Parkallee in Harvestehude, den Heubergredder in Alsterdorf, den Goldbekplatz in Winterhude, die Bachstraße in Barmbek-Süd und die Bergstedter Kirchenstraße in Bergstedt. „Hier fahren wir bis zu zweimal täglich hin“, sagt Fiedler, der „die Hoffnung jedoch nicht aufgeben will, dass irgendwann einmal alle kapieren, wie man Müllcontainer befüllt.

Dass es neben den zahlreichen Ignoranten zum Glück auch viele andere Bürger gibt, denen etwas an einer sauberen Stadt liegt, beweisen die Anruferzahlen der Hotline (040-25761111). Im März registrierte die Stadtreinigung 1562 Aufträge. „1348 Aufträge wurden bis Ende des nächsten Arbeitstages erledigt, 137 innerhalb von drei Tagen und 77 nach drei Tagen“, sagt Fiedler. Dabei sei es unter anderem 38-mal um Einkaufswagen, 33-mal um Fahrradwracks sowie 169 Müllsäcke gegangen, die herrenlos herumlagen. Hinzu kamen 102 überfüllte oder defekte Papierkörbe, 282 Fälle von illegal entsorgtem Sperrmüll, 20-mal gab es Probleme mit der Straßensammlung (Altpapier), 511-mal musste die Stadtreinigung losen Restmüll aufklauben, und 17-mal beschwerten sich Anwohner über zugewucherte Wege.

„Wir können nur immer wieder an die Vernunft appellieren“, sagt Fiedler, der sich keinesfalls Verhältnisse wie in Singapur vorstellen möchte: Wer dort erstmals beim Wegwerfen von Unrat ertappt wird, kommt für kleinere Abfälle (Zigarettenkippe oder Kaugummi) mit einer Strafe von 150 Singapur-Dollar (94 Euro) davon. Getränkedosen oder Zeitungen schlagen bereits mit bis zu 1000 Dollar zu Buche, Wiederholungstätern drohen bis zu 5000 Dollar Strafe. Wahlweise oder zugleich können die Behörden auch einen Arbeitseinsatz von bis zu zwölf Stunden verhängen. Dann müssen die Unbelehrbaren Müll auf öffentlichen Straßen und Plätzen einsammeln – gut erkennbar für alle in einem orangefarbenen Overall.