...oder kann das weg? Wegen seltener Zeichnungen darf ein Bunker in Eimsbüttel nicht abgerissen werden. Bezirksamt sieht Arbeitsplätze in Gefahr

Eimsbüttel. Es ist kalt. Ziemlich kalt sogar. Draußen wärmt der Frühling, aber hinter den dicken Betonmauern kommen maximal acht Grad an. Auch das macht das Innere des Hochbunkers am Eidelstedter Weg zu einem unwirtlichen Ort. Weiße Flure, vier Etagen und 120 Schutzräume verstärken den Eindruck. Ohne Grund ist hier niemand länger als nötig. Im Zweiten Weltkrieg suchten bis zu 1500 Menschen Schutz in dem gepanzerten Gebäude.

Doch was im Krieg als Lebensversicherung galt, ist heute seiner Funktion beraubt. Im Nachkriegs-Hamburg wurden Löcher in den Bunker gesprengt, er diente als Notenlager, steht inzwischen leer und ist in den Augen vieler ein nutzloser Klotz. Der Bezirk Eimsbüttel würde das Gebäude am liebsten abreißen lassen, um der benachbarten Beiersdorf AG eine Werkserweiterung zu ermöglichen. Aber es gibt da ein Problem: Der 1940/41 erbaute Bunker steht unter Denkmalschutz.

Im Sommer 2014 bietet der Verein Hamburger Unterwelten hier wieder gut angenommene Führungen an. Denn wegen seines originalgetreuen Innenlebens gilt der Eimsbütteler Betonkoloss als Besonderheit unter den einstmals 1200 Hamburger Bunkern. Daran lässt auch Klaus Pinker keinen Zweifel.

Pinker ist ein sachkundiger Mann mit grauen Haaren. Als Vereinsmitglied der Hamburger Unterwelten und Bunkerexperte führt er heute durch die kargen Gänge. Vor einem Haufen durchnummerierter, ausgehängter Türen erklärt er, was dieses Gebäude einzigartig macht. Diese Türen etwa, sagt Pinker, seien im Gegensatz zu vielen anderen Bunkertüren noch fast vollständig erhalten. Und die Lüftungsanlage aus Kriegstagen, die die Sauerstoffversorgung der Insassen sicherstellte, gebe es auch nicht mehr so häufig. Aber die Zeichnungen an den Wänden, die seien das wirklich Besondere.

In den Kriegsjahren verewigten sich einige Maler in Hamburger Bunkern. 17 hat die Diplom-Restauratorin Christina Muhsil in ihrer Dokumentation zusammengetragen. Die Maler zeichneten keine Propaganda, sondern mal Saufszenen, mal Werke von Wilhelm Busch oder, wie im vorliegenden Fall, Wandgemälde mit Hamburger Originalen. Vermutlich sollten die Bildnisse von Vetter Kirchhoff oder Zitronenjette die Bunkerinsassen vom Kriegsgeschehen ablenken und ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. In jedem Fall seien es „Raritäten“, sagt Klaus Pinker.

Diese Zeichnungen gebe es in dieser Form nur am Eidelstedter Weg. Derselben Meinung ist Diplom-Restauratorin Muhsil. Es gebe zwar zwei weitere „Hamburg-Strecken“ in den Bunkern an der Reeperbahn und am Wiesendamm. Aber am Eidelstedter Weg sieht sie „in Sachen kunstgeschichtlicher Einordnung“ Forschungsbedarf.

Die Kulturbehörde begründet die Unterschutzstellung des Gebäudes zum einen mit seiner historischen Bedeutung als bauliches Zeugnis der Zeit des Nationalsozialismus. Zum anderen seien die etwa 15 Malereien im Innern eine „Rarität“. Sprecher Enno Isermann: „Die Malereien zeigen lokale Berühmtheiten, Bilder der Stadt und Berufe vergangener Zeiten. Einige Bilder beziehen sich auf Lithografien, die Anfang des 19.Jahrhunderts von Christoffer Suhr angefertigt wurden.“ Über den Erhalt des Bunkers und die Abwägung der Interessen liefen derzeit Gespräche.

Für Menschen wie Klaus Pinker oder Michael Berndt, der ebenfalls beim Verein Hamburger Unterwelten aktiv ist, wäre der Abriss eine Tragödie. „Von dieser historischen Substanz ist in Hamburg nicht mehr viel erhalten“, sagt Berndt. „So einen Bunker gibt es kein zweites Mal“, sagt Pinker.

Für Menschen wie Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) wäre ein Abriss dagegen vertretbar. „Wenn Beiersdorf zusätzliche Arbeitsplätze am Standort schaffen will, dann hat das für mich Priorität“, so Sevecke. Nach Abendblatt-Informationen ist der Konzern an den Flächen nebst Bunker interessiert, um sein Werksgelände zu erweitern. Anstelle des Bunkers soll ein Spielplatz entstehen, dessen altes Pendant wohl einer Werkserweiterung weichen müsste. Beiersdorf will das weder bestätigen noch dementieren. Eine Sprecherin sagt: „Standortplanung ist ein kontinuierlicher Prozess. Am Standort Eimsbüttel gibt es immer wieder Überlegungen hinsichtlich einer Flächenarrondierung und der Zukunft des Bunkers Eidelstedter Weg 10.“

Für Torsten Sevecke steht indes schon fest: „Beiersdorf und Spielplätze haben Vorrang vor fragwürdigen Kunstwerken aus der Nazizeit.“ Der Bunker sei weder typeneinmalig, noch sei er ein Denkmal erster Kategorie. Sevecke könne es jedenfalls nicht verantworten, wenn eine Werkserweiterung am Denkmalschutz scheitere. Zu einem Kompromiss sei er aber dennoch bereit: „Wenn sich der Bunker in irgendeiner Form in die Pläne von Beiersdorf integrieren lässt, kann man darüber reden.“ Aber Arbeitsplätze für Eimsbüttel hätten Priorität. Wirtschaftspolitisch wäre alles andere töricht.

In dieser Saison werden die Hamburger Unterwelten ihre Führungen aber wohl noch anbieten können. Für 7.April hat Kultursenatorin Barbara Kisseler den Eimsbütteler Bezirkschef erst einmal zu einem Krisengipfel eingeladen. Es geht um die Bunkerfrage.