Hamburgerin berichtet von ihrem Erlebnis während der Fahrt. Ein Unternehmen hatte das Flugobjekt für Aufnahmen eingesetzt. Auch drei Wochen nach dem Unfall ist ihre Aufregung noch nicht verflogen.

Hamburg/Itzstedt. Es war ein Dienstag, vier Minuten nach 13 Uhr, daran erinnert sich Renate Poussin ganz genau. Ein mächtiges Krachen erschütterte ihren silbernen Polo. Die 63-Jährige kam von einer Freundin, fuhr durch das beschauliche Itzstedt, ein Dorf im Kreis Segeberg nordöstlich von Norderstedt, als ein Gegenstand den Kleinwagen aus der Luft traf. „Da ist mir gerade ein Ufo raufgeknallt, hab ich im ersten Moment gedacht“, sagt Poussin, die in einem Haus in Wohldorf-Ohlstedt lebt. „Der Knall hat mir noch Tage später in den Ohren gelegen.“ Als sie benommen aus dem Polo stieg, lag das „Ufo“ direkt vor ihren Füßen: Eine mehrarmige Drohne war vom Himmel und auf das Auto gestürzt.

Wie sich herausstellte, hatte ein Ingenieurbüro für Vermessung aus der Nähe von Bremen den Auftrag, eine Kreuzung mit der Drohne abzufotografieren. Beim Landeanflug passierte das Unglück, die schwere Drohne stürzte aus mehreren Meter Höhe mitten in den Verkehr. „Der Unglückspilot stand da mit seinem Bauchladen“, erinnert sich Poussin. „Das tut mir ja leid“, habe er gesagt. Sie habe aufgebracht geantwortet: „Gehen Sie doch mal auf die Wiese: üben.“

Auch drei Wochen nach dem Unfall ist ihre Aufregung noch nicht verflogen. Mehr als 1500 Euro wird die Reparatur kosten, hinzu kommt ein nicht unbeachtlicher Wertverlust. Die abgestürzte Drohne hat tiefe Schrammen im Silberlack hinterlassen, dazu eine Delle in der Stahlhaut. Hinzu kommt: Das Auto gehört einer Freundin aus Südafrika, die zunächst nicht erreichbar war, die Ohlstedterin hatte es sich nur ausgeliehen.

„Ich verstehe nicht, dass die Drohne über der Straße fliegen durfte“, sagt Renate Poussin. „Und dass der Pilot nicht in der Lage war, sie so zu kontrollieren, dass nichts passiert.“ Nicht auszudenken, sagt sie, was passiert wäre, wenn das „unbemannte Luftfahrtsystem“, wie die Drohnen im Amtsdeutsch heißen, nicht die Dachkante getroffen, sondern die Frontscheibe durchschlagen hätte. Oder wenn das Fluggerät Menschen verletzt hätte.

So sei zum Zeitpunkt der Kollision direkt neben dem Polo ein Spaziergänger auf dem Gehweg unterwegs gewesen, vielleicht zwei Meter neben der Fahrbahn. „Die Drohne war schon so ein Riesending mit mehreren Rotoren“, so Poussin, die sich auf St.Pauli ehrenamtlich für die Belange Prostituierter einsetzt. Der Spaziergänger habe sich später als Zeuge gemeldet.

Mit bis zu 8000 Umdrehungen pro Minute rotieren die Propeller der ferngesteuerten und nicht gerade leichten Fluggeräte. Selbst eine Amateurdrohne mit fünf Kilogramm Gewicht kann es in der Luft auf Tempo 60 bringen, mit entsprechender Aufprallenergie.

Das Ingenieurbüro, das den Unfall am Steindamm in Itzstedt zu verantworten hat, wollte sich auf Nachfrage des Abendblattes nicht zu dem Vorfall äußern und verwies auf das laufende Verfahren. Auch die Frage, wofür die Drohne eingesetzt worden war, ließ ein Sprecher unbeantwortet. „Wir haben eine Genehmigung, kommerzielle Flüge durchzuführen“, hieß es nur.

Die Polizei, die den Unfall am 18.Februar aufgenommen hatte, spricht von einer „Verkettung unglücklicher Umstände“. „Es hat diesen Vorfall gegeben“, bestätigte eine Sprecherin und erklärte: An dem Dienstag Mitte Februar sei es sehr windig gewesen. Beim Landeanflug sei die Drohne von einer Windböe erfasst worden, die Drohne stürzte unkontrolliert ab und prallte gegen Poussins Volkswagen. Wie die Polizei noch erklärte, habe die beschuldigte Firma eine Zulassung für amtlich genehmigte Bildaufnahmen gehabt.

Solche Zulassungen sind für Drohnenbetreiber mittlerweile Pflicht: Eine allgemeine Erlaubnis, die zwei Jahre Gültigkeit hat, benötigen Hobby-Piloten in Schleswig-Holstein, wenn die Drohne nicht schwerer als fünf Kilogramm ist. Verboten ist aber, über Menschenmengen, Gefängnisse, Flughäfen oder Kraftwerke zu fliegen. Hamburg verlangt sogar eine Genehmigung für jeden Aufstieg und darüber hinaus einen Nachweis, dass der Pilot seine Drohne beherrscht. 700 Genehmigungen wurden 2013 ausgestellt, Tendenz steigend.

„Wir bauen auf die Vernunft“, sagt Axel Raab, Sprecher der Deutschen Flugsicherung . „Bisher ist uns kein einziger Fall gemeldet worden, dass jemand in der Nähe eines Flughafens, Flugfeldes oder in einer Einflugschneise eine private Drohne aufsteigen ließ.“

Für gewerbliche Flüge, solche mit Drohnen über fünf Kilogramm und „Aufstiege mit einem erhöhten Gefährdungspotenzial“, also etwa über Menschenmengen, ist eine Erlaubnis für den Einzelfall durch die zuständige Behörde des Landes gefordert. In Hamburg ist das die Wirtschaftsbehörde, in Schleswig-Holstein der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr.

Renate Poussin sagt, sie sei sehr langsam gefahren und auch überhaupt kein ängstlicher Typ, aber nach dem Aufprall habe sie richtig unter Schock gestanden. Die Versicherung der Vermessungsfirma hat jetzt noch das Ergebnis des Gutachters angefordert. Poussin hofft, dass die Schäden am Polo schnell behoben werden und sie das Auto so schnell wie möglich ihrer Freundin zurückgeben kann.