Sich schick zu machen, ist eine Frage des Respekts. Aber was zieht man zu welcher Gelegenheit an? Mode-Expertinnen sagen, was der Dresscode von Hotels, Restaurants und bei Bällen bedeutet

Die drei jungen Damen treten mit ihren schicken Schuhen sehr selbstbewusst auf. Zwei von ihnen pflegen einen Modeblog, die dritte trägt schwarze Lippen zur auffallenden Sonnenbrille. Alle drei haben sich zum abendlichen Ausgehen gestylt. Ihr Dresscode ist „casual“ – die elegante Freizeitkleidung – einmal für ein edles City-Restaurant, einmal für ein In-Lokal im Karoviertel und einmal für die Szenekneipe in der Schanze. Jedes Kleidungsstück der drei Modestudentinnen ist ausgesucht und ein Statement. Alles soll bitte auffallend geschmackvoll sein.

Was den jungen Damen so leicht gelingt, ist heute etwas schwerer geworden, denn der Dresscode beginnt sich zu lockern. Auf einen Schlips – eigentlich zwingend erforderlich mit dem Dresscode Business – , wird häufiger verzichtet. Selbst im Zwei-Sterne-Restaurant Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten ist er abends nicht mehr Vorschrift. Doch die Frage des Geschmacks hat sich hier nur etwas verschoben. „Und in Hamburg ist es anders als in Berlin mit seinem Laissez-faire-Style oder beim Show-off in München“, sagt Jörg Zimmermann, Verkaufsdirektor im Vier Jahreszeiten. Was er nicht so deutlich sagen will: Laissez-faire bedeutet auch nachlässig und Show-off bedeutet prahlen. „Hamburg ist extrem elegant und schick. Und zurückhaltend, das mag ich“, sagt Zimmermann.

Im Haerlin sind abends Turnschuhe, Jeans und Hemden über der Hose nicht erwünscht. Und der Schlips wird „immer noch gern gesehen“. 98 Prozent der Männer tragen ihn doch im Haerlin, sagt Sophie Ernst, die Assistentin des Verkaufsdirektors. Richtig lässig geht es dort jetzt morgens zu Tisch. Kurze Hosen sind beim Frühstück im Vier Jahreszeiten erlaubt. Eine ganz nachlässige Kleidung mit altem Kapuzenshirt und runtergetretener Jeans, wie man sie auf den Straßen sieht, würden sich die drei Modestudentinnen nicht erlauben. Ihr Statement: „Ich zeige, dass ich offen, kommunikativ und etwas provokativ bin und Vintage (neues in altem Stil) mag“, sagt Lucy Grzybowski, 24 Jahre alt, die den Blog twocomposite.com pflegt und gern ihre Handtasche aus rot gefärbtem Springbockfell trägt. Nina Kämpf, 20, kombiniert Flohmarkttasche mit Monki-Jeans, die sie mit Löchern versehen hat und neonrotem Pulli. Frech soll das für die Schanze sein. Fein und zurückhaltend mit Blazer, hohen Absätzen und einer Bundfaltenhose im verspielten Blumendekor kleidet sich Aimee le Forain, die im Internetportal Youtube Mode- und Schminktipps gibt, fürs feine Restaurant.

Und wie kleidet sich der Mann bei einer Einladung zum feinen abendlichen Essen? „Der Trend geht bei gesellschaftlichen Einladungen zu smart casual“, sagt Professorin Susanne Müller-Elsner, Studien-Dekanin an der Hamburger Akademie Mode&Design. Also weg vom Schlips. Smart casual ist die zweite der sieben Kategorien der Dresscodes. Etikette-Trainerin Meike Slaby-Sandte erklärt die Codes:

1. Casual: Freizeitkleidung locker aber nicht sportlich. Männer: lange Hose, Jeans, Poloshirt, Hemd, Jackett ohne Krawatte. Frauen: Rock plus Blazer, Jeans plus Shirt.

2. Smart casual: elegante Freizeitkleidung, ohne Krawatte, Chino-Hose, Jeans nur mit hochwertiger Kombi. Frauen: Kleid, Hosenanzug, Kombi.

3. Business casual: Anzug ohne Krawatte, keine Jeans, keine Chino. Frauen: Kostüm, Kombination, Hosenanzug, Shirts, auch flache Schuhe.

4. Business: dunkler Anzug, dunkle Krawatte, dunkle Schuhe. Frauen: klassisches Kostüm oder eleganter Hosenanzug.

5. Dark suit: dunkler Anzug (kein Schwarz, kein Braun), weißes Hemd, schwarze Schuhe, dezente Krawatte. Frauen: Etuikleid, Cocktailkleid.

6. Black tie: kleiner Gesellschaftsanzug. Smoking plus Smokinghemd und Fliege. Frauen: langes Abendkleid.

7. White tie: großer Gesellschaftsanzug. Frack, weiße Weste, weiße Fliege. Frauen: pompöses Ballkleid. Schmuck: üppig.

Der Dresscode variiert je nach Branche und Region. Nach den 50er-Jahren verschwand der Hut, den man einst auf der Straße bei jedem Mann gesehen hat. Auch Socken können mittlerweile bei Männern weggelassen werden: „Chinos und Loafer können bei Männern ohne Socken sehr gut aussehen“, sagt Susanne Müller-Elsner. Das wäre auch am Nachmittag (mit Hemd und Jacke) in der „Wohnhalle“ des Vier Jahrszeiten angebracht.

Lässig zu wirken, sei bei Männern gefragt. Zum Accessoire entwickelt sich das Tuch oder ein Schal. „Das kann frisch und smart wirken und Leichtigkeit zeigen“, sagt die Mode-Professorin. Allgemein gilt nach ihrer Meinung: „Wie man sich kleidet, ist eine Frage des gesellschaftlichen Umfeldes, der persönlichen Vorlieben und des Respekts anderen und sich selber gegenüber.“ Doch der Schlips werde weiter ein wichtiges Mode-Accessoire bleiben. Susanne Müller-Elsner: „Es existiert ein unausgesprochenes Übereinkommen, dass zum korrekten stilvollen Businessoutfit eine Krawatte gehört, teilweise ist es beruflich ein Muss.“

Die drei jungen Damen, die für das Abendblatt unterschiedliche Outfits präsentieren, sind sich einig, wie ihr Auftritt funktioniert: „25 Prozent macht die Kleidung – 75 Prozent die Ausstrahlung“, sagt Aimee le Forain.