Die Debatte um die Tram ist zurück. Christdemokraten wollen drei große Linien für 2,7 Milliarden Euro. SPD ist dagegen

Hamburg. Seit 1997 sitzt Klaus-Peter Hesse in der Bürgerschaft. 17 Jahre. Aber dieser Donnerstag war für den CDU-Politiker etwas ganz Besonderes. Nachdem seine Partei Pläne für die Wiedereinführung der Straßenbahn zwei Mal gestoppt hatte – 2002 und 2010, damals schon unter dem Namen „Stadtbahn“ –, hatte Hesse maßgeblich für einen Meinungsumschwung gesorgt. Seit 2011 setzen sich seine Christdemokraten nun für das neue, alte Verkehrsmittel ein. Drei Jahre haben sie an einem Konzept gebastelt, und am Donnerstag war nun die große Präsentation.

„Moderne Mobilität 2030: Eine Stadtbahn für Hamburg“ heißt das Papier, das Hesse und CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich im Rathaus vorstellten. Es sieht im Wesentlichen drei große Stadtbahn-Trassen mit insgesamt 17Linien vor: Die erste Trasse würde von Burgwedel im Nordwesten Hamburgs über Niendorf und die City bis auf die Veddel führen (siehe Grafik, grüne Linie). Die zweite Strecke (rot) soll vom Elbe-Einkaufszentrum über die Arenen am Volkspark in West-Ost-Richtung bis zur Sieker Landstraße östlich von Rahlstedt verlaufen. Im Osten soll es einen Abzweiger gen Süden bis nach Billstedt geben (lila). Linie drei (blau) soll vom Volkspark im Westen über Langenhorn und Poppenbüttel bis nach Wandsbek verlaufen. So entstünde eine Ringlinie im Norden Hamburgs.

Das sei nur ein Vorschlag, betonte Wersich. „Wir wollen einen Wettbewerb der Ideen.“ Dank bestehender Vorplanungen könnte 2016 mit dem Bau begonnen werden, zeigte sich Hesse optimistisch. Teile der Strecken eins und zwei könnten dann 2020 in Betrieb genommen werden. Das gesamte Streckennetz mit 93,4 Kilometer Länge könnte 2029 fertiggestellt sein und würde 2,7 Milliarden Euro kosten. Die Hälfte davon würde der Bund tragen. „Das ist die schnellste, beste und einzig bezahlbare Lösung für die Verkehrsprobleme“, sagte Hesse.

Die Herausforderungen sieht die CDU in den stetig steigenden Fahrgastzahlen des HVV (seit 1999 von 488 auf 717 Millionen im Jahr), dem Bevölkerungswachstum Hamburgs und dem gesellschaftlichen Sinneswandel. „Das Auto ist nicht mehr das Statussymbol der jungen Generation“, sagte Hesse. Der Trend gehe zum öffentlichen Nahverkehr. Das Busbeschleunigungsprogramm des SPD-Senats sei als Antwort nicht ausreichend.

Die Stadtbahn biete die meisten Vorteile. „Überall wo es eine gibt, ist sie sehr beliebt“, sagte Wersich. Ein wichtiger Grund sei, dass die Tram oberirdisch bei Tageslicht fahre, ohne Treppen und Rampen barrierefrei erreichbar sei und die Fahrgäste nicht wie ein Bus durchschüttele. Außerdem könne sie mit bis zu 253 Personen ein Drittel mehr Menschen befördern als ein XXL-Gelenkbus: „Eine voll besetzte Stadtbahn ersetzt eine Autoschlange von 1,25 Kilometern“, rechnete der CDU-Fraktionschef vor. Zudem sei sie schneller als ein Bus, langlebiger (30 bis 40 Jahre gegenüber zehn bei Bussen), verbrauche kein Erdöl und koste nur ein Zehntel bis ein Viertel einer U-Bahn.

Ein wichtiger Aspekt aus CDU-Sicht ist der nur moderate Eingriff in den öffentlichen Raum. Die wandernden Stadtbahnen-Baustellen seien maximal zwölf Wochen an einem Ort, während U- und S-Bahnbaustellen Straßen, Kreuzungen oder ganze Stadtteile mitunter jahrelang lahmlegen würden. Eventuellen Protesten wollen die Christdemokraten durch eine enge Einbindung der Bevölkerung in die Planung begegnen. Das sei eine Lehre aus 2010: Damals seien die schwarz-grünen Pläne vor allem an der von oben diktierten Trassenführung über den Winterhuder Marktplatz gescheitert. Diese Ecke will die CDU daher nun umgehen. 2010/2011 hatten sich in einer Umfrage zwei Drittel der Bevölkerung gegen eine Stadtbahn ausgesprochen. Die SPD hatte das Tram-Projekt daher nach der Regierungsübernahme endgültig beerdigt, obwohl sie es selbst jahrelang gefordert hatte. Bei dieser Haltung bleibt es.

„Alle, die jetzt im Hauruck-Verfahren eine Stadtbahn wollen, fordere ich auf, ehrlich zu sein: Sagen Sie, was dann aus S 4 und S 21 werden soll“, sagte SPD-Verkehrsexpertin Martina Koeppen. „Denn es dürfte ja wohl allen klar sein, dass für den S-Bahn-Ausbau dann das Geld fehlt, wenn gleichzeitig ein zusätzliches Milliardenprojekt wie die Stadtbahn kommen soll.“ Sie verwies auf den Auftrag an die Hochbahn, den Ausbau des U-Bahn-Netzes zu prüfen. Koeppen: „Statt völlig neue Systeme zu planen, setzen wir darauf, die vorhandenen Systeme zu erweitern und zu verbessern.“

Auch Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) betonte, dass die Stadtbahn als weiteres schienengebundenes Verkehrsmittel mit einer völlig neuen Trassenführung in Hamburg „nicht umzusetzen ist“. Er freue sich, dass die Handelskammer diese Ansicht in ihrem Mobilitätskonzept teile (siehe Artikel auf dieser Seite).

FDP-Fraktionschefin Katja Suding erteilte den CDU-Plänen ebenfalls eine Abfuhr. Stattdessen sollten S- und U-Bahn ausgebaut und Hybridbusse eingesetzt werden. Till Steffen (Grüne) begrüßte die neue Diskussion hingegen: „Die CDU hat die Lage treffend analysiert und kommt zum richtigen Schluss.“