Im Verfassungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft gab es kaum Annäherungen. Differenzen bei der CDU, Termin für Volksbegehren offen.

Hamburg. Viereinhalb Stunden lang haben sich die Abgeordneten des Verfassungs- und Schulausschusses der Bürgerschaft mit der Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ zur Abschaffung des Turbo-Abiturs an Gymnasien beschäftigt. In der derzeit spannendsten Frage gab es keine Entscheidung: Dabei geht es um den Antrag der Initiative, ihr durch eine Fristverlängerung zu ermöglichen, außerhalb der Sommerferien für das Volksbegehren Stimmen zu sammeln. Nach dem regulären, allerdings von der Initiative selbst vorgegebenen Zeitablauf müsste „G9-Jetzt-HH“ während der Ferien mehr als 60.000 Unterschriften innerhalb von drei Wochen sammeln, was als schwierig gilt.

Landeswahlleiter Willi Beiß erläuterte den Abgeordneten, dass das Volksabstimmungsgesetz die Ferien nicht ausdrücklich als Grund für eine Fristverlängerung vorsieht. Das Gesetz nennt gar keine Gründe und lässt der Bürgerschaft damit freie Hand. „Wir müssen also eine politische Entscheidung treffen“, sagte Walter Scheuerl, parteiloser Abgeordneter der CDU-Fraktion, der selbst die Volksinitiative gegen die Primarschule zum Erfolg geführt hatte. „Keine Partei vergibt sich etwas dabei, dem Antrag jetzt sofort zuzustimmen. Dann kann niemand dem Parlament vorwerfen, die Volksinitiative benachteiligt zu haben“, so Scheuerl. „Die Botschaft sollte sein: Fairness gegenüber der Initiative. Und wenn Sie nicht überzeugt sind, dann sage ich: Drücken Sie ein Auge zu!“, riet FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels den anderen Fraktionen.

Über die Fristverlängerung entscheidet die Bürgerschaft Ende Februar

Doch Grüne, SPD, Linke und CDU wollen erst einmal in ihren Fraktionen das weitere Vorgehen beraten. Damit tritt ein deutlicher Konflikt in der CDU-Fraktion zutage, weil Scheuerl einerseits sowie die schulpolitische Sprecherin der CDU, Karin Prien, und Unions-Schulexperte Robert Heinemann andererseits unterschiedliche Auffassungen vertreten. Voraussichtlich wird die Bürgerschaft auf ihrer Sitzung am 26. und 27. Februar über die Fristverlängerung für die Initiative entscheiden.

Zuvor hatten Initiativensprecherin Mareile Kirsch und ihre Mitstreiter fast zwei Stunden lang ihr Anliegen ausführlich erläutert. „G9-Jetzt-HH“ fordert die Rückkehr zur neunjährigen Schulzeit bis zum Abitur an allen Hamburger Gymnasien. Auch das verkürzte G8 soll weiterhin angeboten worden. „Wir sind nicht für G8, aber wir sind gegen Zwang“, sagte Kirsch, die an der verkürzten Schulzeit kritisiert, dass Kindern zu wenig Möglichkeiten für außerschulische Aktivitäten bleiben. Die längere Schulzeit ermögliche außerdem eine vertiefte Bildung und mehr Zeit für Übung und Wiederholung.

Nur Walter Scheuerl erklärte seine Sympathie für die Volksinitiative

Der Abend ergab kaum eine inhaltliche Annäherung: SPD, CDU, Grüne, Linke und FDP lehnen die Rückkehr zu G9 vor allem mit dem Hinweis ab, dass der verlängerte Weg zum Abitur bereits von den Stadtteilschulen angeboten wird. Allein Walter Scheuerl erklärte seine Sympathie für das Anliegen.

„Wie erklären Sie, dass es knapp 30 Prozent mehr Anmeldungen seit dem Start von G8 am Gymnasium gibt, wenn es eine so schreckliche Schule ist?“, fragt Heinemann. „Vielleicht liegt es daran, dass viele Stadtteilschulen so schlecht sind“, konterte Mareile Kirsch. „Wenn wir G9 und G8 an allen Gymnasien einführen wollen, müssten alle jetzigen Schulbauplanungen gestoppt werden. Das können wir uns nicht leisten“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Die Umsetzung des Volksentscheids ist Sache der Politik. Wir vertreten als Volksinitiative die Interessen der Kinder“, gab Kirsch kühl zurück. „In anderen Ländern geht es auch.“

„Wenn es der Initiative wirklich um das Wohl der Kinder geht, dann muss sie klar sagen, wie die komplizierte Reform umgesetzt werden kann. Unter einem neuen Reformchaos an Schulen würden die Kinder am meisten leiden“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) nach der Sitzung. Nach der Anhörung gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass es noch zu einer Einigung zwischen Bürgerschaft und Initiative kommt.