Immer mehr Abiturienten und bessere Noten der Absolventen: Parteien streiten über die Qualität und die Anforderungen für die Hochschulreife

Hamburg. Seit einigen Jahren steigt die Quote der Abiturienten in Hamburg kontinuierlich an. Schafften 2005 noch 33,4 Prozent der Schulabgänger das Abitur, waren es 2012 bereits 51,7 Prozent. „Vor dem Hintergrund der Anstrengungen, die seit dem ‚PISAschock‘ unternommen wurden, um das Hamburger Schulsystem leistungsfähiger zu machen, ist dieser Anstieg zu begrüßen“, schreibt die CDU in ihrer Großen Anfrage an den Senat zum Niveau des Hamburger Abiturs. Er berge jedoch auch Risiken. Denn zugleich beklagten viele Universitäten das Leistungsniveau der Erstsemester. Die Anzahl der Studienabbrecher ist stark gestiegen. „Vor diesem Hintergrund muss man fragen, ob ein derartiger Anstieg der Abiturientenquote, wie er in Hamburg und anderen Großstädten zu beobachten ist, nur über eine Veränderung der Leistungsansprüche erklärbar ist“, so die CDU. Ist das Niveau des Abiturs in Hamburg gesunken?

Ja, sagt Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Es gehe zu wenig um Fachwissen. Auch die sprachliche Richtigkeit bei der Bewertung im Abitur spiele eine immer geringere Rolle. Statt eines Fehlerquotienten, der Auskunft über die Häufigkeit von Rechtschreib- und Grammatikfehlern gibt, werde inzwischen nur noch beurteilt, ob ein Schülertext eine sogenannte kommunikative Funktion erfülle. „Es kann nicht sein, dass es in Hamburg inzwischen Abiturienten gibt, die selbst einfachste Texte nicht fehlerfrei schreiben können“, sagt Prien. Es könne nicht nur darum gehen, dass immer mehr Schüler in Hamburg das Abitur machen. „Wenn die Folge ist, dass ein Teil davon nicht mehr richtig lesen und schreiben kann, dann ist damit niemandem geholfen“, sagt Prien.

„Offenbar hat schon unter Schwarz-Grün eine nachhaltige Absenkung des Abitur-Niveaus begonnen, gegen die SPD-Schulsenator Rabe bis heute nichts unternimmt“, sagt Anna von Treuenfels (FDP). Ein Beispiel: „Spätestens ab 2008 sind zweisprachige Wörterbücher in fremdsprachlichen Abiturprüfungen erlaubt.“ Hinzu komme die deutliche Absenkung der Bewertungsvorschriften: „Seit 2008 dürfen Rechtschreib- und Grammatikfehler nur noch bewertet werden, wenn sie ‚die Kommunikation stören‘, das heißt, wenn der Lehrer vor lauter Fehlern den Sinnzusammenhang nicht mehr erkennen kann – und das im Abitur.“

Stefanie von Berg (Grüne) hält dagegen: „Wer zur Beurteilung des Erfolgs einer Schulform nur auf die Abi-Durchschnittsnoten schaut, schießt am Ziel vorbei. Denn Schulleistungen haben auch etwas mit dem sozialen Hintergrund der Kinder zu tun. Die hohe Abiturientenquote in Hamburg zeigt vor allem eines: Vor allem die Stadtteilschulen schaffen es, den Bildungserfolg zu erhöhen und so allen Kindern eine Chance zu geben, den höchsten Schulabschluss zu erreichen. Denn gerade hier gehen Kinder zu Schule, die früher kein Abitur erreicht hätten. Mehr als die Hälfte der Stadtteilschulen liegen in sozial benachteiligten Stadtteilen.“

Auch Schulsenator Ties Rabe kann dem Schul-Ranking der Abiturnoten wenig abgewinnen: „Über die Qualität der jeweiligen Schule sagen diese Ziffern null und gar nichts aus.“ In diesen Wochen müssen viele Eltern entscheiden, auf welche weiterführende Schule sie ihr Kind schicken. „Ich habe drei Kinder und würde allen Eltern raten, sich die Lehrer und die Schulen genau anzusehen“, sagt Rabe. Sollten Eltern diese Noten in ihre Bewertung einbeziehen, könnte sich das „fatal auswirken“, so der Senator.