Wegen Bauprojekten werden Äcker in Naturschutz-Ausgleichsflächen umgewandelt. Viele Betriebe stehen damit vor dem Aus. Hamburger Landwirte haben sich jetzt zu einer Klagegemeinschaft zusammengeschlossen.

Altona. Hamburg als Bundesland wird meist als sogenannter Stadtstaat bezeichnet, Bilder vom Hafen, von großen Wohnblöcken, viel befahrenen Straßen und Geschäftszeilen hat man dann vor dem inneren Auge. Doch in Hamburg gibt es auch noch Landwirtschaft: in Bergedorf, im Alten Land und auch ganz im Westen, am Rande des Bezirks Altona. Rund 800 Vollerwerbsbetriebe mit einer Fläche von zusammen 13.000 Hektar Nutzfläche sind es laut Bauernverband im Stadtgebiet, 20 Betriebe davon in Bezirk Altona. Viel Pferdehaltung ist dabei; Heinz Behrmann etwa, Präsident des Hamburger Bauernverband, baut aber auch Roggen, Weizen und Raps dort an.

Doch wie lange noch Landwirtschaft im Hamburger Westen möglich ist, das sei mehr als fraglich, sagt Behrmann und spricht von einem „Flächenfraß“, weil immer mehr Wiesen oder Äcker in Naturschutz-Ausgleichsflächen umgewandelt würden. Der ohnehin in Hamburg begrenzte Platz für die Landwirtschaft werde da immer enger.

„In Altona ist es besonders schlimm“, sagt Behrmann. Entsprechend groß ist dort der Aufruhr unter den Landwirten, die teilweise um ihre Existenz fürchten. Weil die Bezirksverwaltung auch für die geplante Überdeckelung der A7 in Bahrenfeld neue Ausgleichsflächen am Rand von Altona ausweisen will, haben sich dort laut Behrmann mehrere Landwirte aus den Stadtteilen Sülldorf, Osdorf und Rissen nun zu einer Klagegemeinschaft zusammengeschlossen, um gegen die Pläne vorzugehen. Tatsächlich gilt gerade die Sülldorfer und Osdorfer Feldmark als idealer Ort für mögliche Ausgleichsflächen, wenn in Altona gebaut wird. Aktuell etwa für ein geplantes Neubaugebiet mit Einfamilienhäusern in Rissen, für einen Technologiepark in Lurup oder eben für den A-7-Deckel in Bahrenfeld, wo am Rand ein neuer Sportpark entstehen soll.

Ausgleichsflächen sind ein gängiger Begriff im Bau- und Naturschutzrecht. Im Prinzip bedeutet dies, dass immer, wenn für größere Projekte Brachflächen, Stadtwiesen oder Wälder weichen müssen, an anderer Stelle Ersatz geschaffen werden muss, wenn es in direkter Nachbarschaft aus Platzgründen nicht möglich ist – was in einem Stadtstaat meist der Fall ist, beispielsweise wenn intensiv genutzte Wiesen zu Feuchtbiotopen umgewandelt werden.

In Hamburg werden die Ersatz-Biotope seit den 1980er-Jahren nach dem „Staatsrätemodell“ mit einer Art Punktesystem berechnet: Je seltener von einer Bebauung betroffene Pflanzen- oder Tierarten sind, desto mehr Punkte sind anzusetzen. In der Folge wird die Ausgleichsfläche dann oft größer als der frühere Lebensraum. Etwa 100 Hektar verbrauche die wachsende Stadt jährlich, so der Bauernverband. Doch die tatsächlichen Ausgleichsflächen seien im selben Zeitraum zusammen 300 bis 400Hektar groß. „In einigen Jahren ist dann Schluss mit der Landwirtschaft in Hamburg“, sagt Bauernpräsident Behrmann.

Doch Behörden und Politiker sehen das anders. „Wo sonst, wenn nicht in der Feldmark, soll denn Ausgleich geschaffen werden?“, äußert der Altonaer Politiker und Umweltexperte Lars Andersen von den Grünen, die in der Bezirksversammlung mit der SPD eine Mehrheitskoalition bilden. Außerdem seien die Ausgleichsflächen ja nicht für die Landwirtschaft verloren, sie müssten lediglich „extensiv bewirtschaftet und gepflegt werden“, sagt der Grünen-Politiker.

Ähnlich argumentiert das Bezirksamt Altona. So schreibt der Bebauungsplan Bahrenfeld 63 für das neue große Sportplatzgelände am künftigen A-7-Deckel ebenfalls einen Ausgleich in der Osdorfer Feldmark vor. 4,31Hektar, gut sechs Fußballfelder groß, sollen dort nun umgewandelt werden.

Wie so oft in Hamburg sind das bereits städtische Grundstücke, die an Landwirte verpachtet sind. Zehn Prozent der früheren Wiesen sollen nun eine „temporäre Flachwasserzone“ werden, der andere Teil darf dann nur noch extensiv genutzt werden, um Wiesenbrütern einen Lebensraum zu bieten. Die Fläche gehe der Landwirtschaft damit aber nicht verloren, heißt es in der Begründung zum Bebauungsplan.

Das sieht Bauernpräsident Heinz Behrmann jedoch völlig anders. Extensive Nutzung bedeute, dass dort zwar in jährlichen Abständen gemäht – aber die Maht nicht mehr als Futter vewendet werden kann. Damit, sagt Bauernverbands-Präsident Heinz Behrmann, seien solche Gebiete eben doch für die Landwirtschaft verloren.

Allein für die Bahrenfelder Deckelplanung seien daher vier Bauernhöfe im Bezirk Altona jetzt akut gefährdet und müssten aufgeben. „Man kann dann dort nur noch Frösche zählen, das reicht nicht“, sagt der Sülldorfer.

Gefordert sei in Hamburg deshalb nun eine Abkehr von der bisherigen Praxis: Landwirtschaft müsse Vorrang vor großflächigen Schutzgebietsausweisungen bekommen, fordert der Bauernverband weiter.