Lebensmittelkontrolleure entdecken mehr Verstöße, haben aber weniger Personal. Nur jeder zweite Gastro-Betrieb wird geprüft. Die CDU spricht von „Notstand“.

Hamburg. Wenn es um die einwandfreie Wurst auf dem Teller, saubere Restaurants und die Hygiene bei Lebensmitteln geht, hat Hamburg ein ungesundes Problem: Jeder zweite Betrieb kann in einer Grauzone arbeiten und machen, was er will: Er wird nicht kontrolliert. Denn die Zahl der Lebensmittelkontrollen in Hamburg ist in den vergangenen Jahren gesunken.

Obwohl mehr Kontrollen nötig wären, gab es weniger Kontrollbesuche. 40 Lebensmittelkontrolleure sollen jährlich mindestens 30.000 Betriebe prüfen. „Im Schnitt wurden im Jahr 2012 in ganz Hamburg nur 55 von 100 Betrieben kontrolliert“, erklärt Nils Fischer, Sprecher des Bezirksamtes Altona, das für den Verbraucherschutz aller sieben Bezirke zuständig ist.

Die Zahl der festgestellten Verstöße ist seit 2009 von 1150 auf 1363 im Jahr 2012 gestiegen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die zum Beispiel wie Berlin einen „Jahresbericht zur Lebensmittelsicherheit" veröffentlichen, gibt sich die Behörde zugeknöpft. Die Zahlen sind nicht öffentlich, werden nur „summarisch im Jahresbericht des Instituts für Hygiene und Umwelt veröffentlicht“, so das Bezirksamt Altona.

Zahlen, die Politiker und Verbraucherschützer alarmieren. So sieht der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Thering einen „Notstand", und die Hamburger Verbraucherzentrale fordert ein völliges Umdenken: eine „Task Force Lebensmittelsicherheit“, den Hygiene-Smiley, Schulungen aller, die mit Lebensmitteln umgehen, und eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Ämter. Auch behördenintern ist man alarmiert, will aber nicht öffentlich darüber reden.

„Mindestens das Vierfache am Mitarbeitern ist bei der Lebensmittelkontrolle nötig“, heißt es intern. Bis zum Ende des Jahres sollen alle Bezirke ihren Bedarf dem Senat melden, dann werde ein neues Controlling erarbeitet, das im Jahr 2014 in einem der sieben Bezirke probehalber laufen soll.

Bezirke meldeten dem Senat schon 2011 ihren Personalmangel

Doch die Suche nach einer Lösung läuft schleppend: Schon Anfang 2011 definierten die sieben Bezirke mit einer „Rückstandsmeldung“ ihren Bedarf an zusätzlichen Kontrolleuren. Seitdem wird über die notwenige Sollstärke geredet. Dennis Thering fordert, die Zahl der Lebensmittelkontrolleure sofort um 100 aufzustocken. Er sagt: „Es müssen wieder wie früher immer zwei Kontrolleure zusammen unterwegs sein. Sie können sich dann besser durchsetzen, wenn sie bedrängt oder gar bedroht werden.“

In der Gesundheitsbehörde gibt man sich beim Thema Lebensmittelkontrolle sehr zugeknöpft. Auf die Frage, ob es genügend Mitarbeiter bei der Lebensmittelüberwachung gibt, betonte Behördensprecher Rico Schmidt erst einmal, dass Mitarbeiter in der Vergangenheit nicht eingespart worden seien. Und antwortete dann ausweichend: „Die Zahl scheint zu reichen, denn es gibt Bezirke, die das schaffen.“ Eine mögliche Lösung: „Man könnte bei Engpässen Personal aus anderen Bezirken abziehen.“

Wenn es um Lebensmittel, Hygiene und Gammelwaren geht, herrscht Wirrwarr. Das im vergangenen Jahr propagierte System einer Hygiene-Ampel, mit der zum Beispiel an einer Restaurant-Tür mit „Rot“ angezeigt wird, dass es bei einer Überprüfung durchfiel, wird nicht eingeführt. Auch andere Systeme, wie der Smiley, hätten keine Chance in Hamburg, heißt es von der Behörde. „Vielleicht geht das mit einer neuen Bundesregierung“, sagt Rico Schmidt. Ein System, das Verbrauchern an der Tür zeigt, wie ein Restaurant oder Imbiss beim Test bewertet wurde, fordert auch die Verbraucherzentrale.

„Solange es noch keine bundesweite Lösung gibt“, sagt Ernährungs-Expertin Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucherzentrale, „sollte Hamburg den Hygiene-Smiley einführen, mit dem zum Beispiel Dänemark gute Erfahrungen gemacht hat. Außerdem sollte es ein zentrales System für anonyme Hinweise von Insidern geben.

Kontrolleure haben nur die Hälfte ihrer Zeit für Kontrollen zur Verfügung

In Wandsbek ist die Zahl der Kontrollen von 2011 auf 2012 um ein Viertel zurückgegangen, in Harburg um fast ein Fünftel, das ergab die Antwort des Senates auf eine Kleine Anfrage von Dennis Thering. Als Gründe werden Personalschwankungen und Überlastung angeführt. Thering sieht im jetzigen System „ein Riesenproblem“.

40 Kontrolleure könnten gar nicht eine so große Zahl von Betrieben überprüfen. Thering: „Das kann einfach nicht funktionieren, auch weil die Mitarbeiter nur die Hälfte ihrer Zeit tatsächlich für Kontrollen zur Verfügung haben.“

Auf den Vorwurf, es fehle Personal, erklärte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Fachsprecher für Gesundheit und Verbraucherschutz, Martin Schäfer (SPD): „Mehr Personal ist mehr Geld. Es ist immer leicht zu sagen, dass mehr Personal eingestellt werden muss, aber das muss auch finanziert werden.“

Der Skandal um Pferdefleisch vom Anfang des Jahres, als man dieses zu „Rindfleisch“ umdeklarierte und es mit bis zu 100 Prozent in Tiefkühl-Lasagne verarbeitete, brachte die Ämter auf Trab. So zitiert Dennis Thering in seiner Kleinen Anfrage Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke aus dem Februar: „Aktuell sind im Bezirksamt Eimsbüttel nur sechs der acht Stellen besetzt, was sich wie folgt auswirkt: Von den erforderlichen Routinekontrollen konnte nur noch rund ein Drittel abgearbeitet werden.“

Bezogen auf den Wirkungsgrad liege Eimsbüttel mit 45,9 Prozent damit leider an vorletzter Stelle im bezirklichen Ranking. „Ich denke, vor diesem Hintergrund erübrigt es sich, dass ich noch auf die aktuelle Situation Pferdefleisch eingehe.“