Das vor fast 140 Jahren gegründete Familienunternehmen Görtz hat seit Längerem unter der Konkurrenz aus dem Onlinebereich, früheren Überkapazitäten und falschen Sortimenten zu leiden.

Hamburg. In der Hamburger Wirtschaft könnte es schon bald zu einer der spektakulärsten Übernahmen der vergangenen Jahrzehnte kommen. Nach Informationen des Abendblatts ist die Hamburger Otto Group daran interessiert, bei der angeschlagenen Schuhhandelskette Görtz einzusteigen. Dabei geht es offenbar zunächst um eine Minderheitsbeteiligung, mit der Option, diese später zu einer Mehrheitsbeteiligung von mehr als 50 Prozent auszubauen. Weder die Otto Group noch Görtz wollten sich am Montag offiziell dazu äußern.

Noch befinden sich die Gespräche in einer sehr frühen Phase. Der Handelskonzern Otto, zu dem so bekannte Marken wie Otto, Baur, Bonprix und Hermes gehören, habe in Form einer Absichtserklärung („Letter of Intent“) sein Interesse an Görtz signalisiert und prüfe nun zusammen mit weiteren Interessenten die Daten des Unternehmens, hieß es aus Finanzkreisen. Ob es am Ende tatsächlich zu einer Beteiligung oder Übernahme komme, sei im Augenblick noch völlig offen.

Das vor fast 140 Jahren gegründete Familienunternehmen Görtz hat seit Längerem unter der Konkurrenz aus dem Onlinebereich, früheren Überkapazitäten und falschen Sortimenten zu leiden und schreibt seit mehreren Jahren rote Zahlen. Mitte Juni hatten sich die Inhaber Ludwig, Friedrich und Thomas Görtz daher dazu entschlossen, fremde Investoren mit ins Boot zu holen, und zu diesem Zweck eine Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Berlin gegründet. Schon damals hieß es, dass es durchaus zu einem Verkauf von mehr als 50 Prozent der Anteile kommen könnte, obwohl ursprünglich eigentlich eine Minderheitsbeteiligung angestrebt wurde.

Für Otto wäre die Übernahme einer Schuhhandelskette grundsätzlich kein ungewöhnlicher Schritt, da der Konzern längst nicht mehr nur im Versand- und Onlinehandel aktiv ist, sondern auch im stationären Einzelhandel. Zur Gruppe zählen unter anderem die Kette SportScheck sowie die US-amerikanische Einrichtungskette Crate & Barrel.

Görtz könnte hingegen von der E-Commerce-Kompetenz des weltweit zweitgrößten Onlinehändlers hinter Branchenprimus Amazon profitieren. Auf diese Weise wäre es für die Kette besser möglich, aggressiven Konkurrenten wie Zalando Paroli zu bieten. Bereits heute arbeiten Otto und Görtz bei der Hamburger IT-Dienstleistungsfirma Nubon zusammen, die sich mit der Entwicklung von Programmen für Smartphones beschäftigt, mit denen sich beispielsweise digitale Kassenbons auf die Geräte spielen lassen. Im Februar hatte Otto eine Mehrheitsbeteiligung an der kleinen Firma erworben, die von der Görtz-Tochtergesellschaft Ethalon gegründet wurde.

Angesichts der aktuell schwierigen Lage ist Görtz darüber hinaus gerade dabei, die Strukturen weiter zu straffen und die Kosten zu senken. Dazu werden mehrere Görtz-Einzelgesellschaften zu einer übergeordneten Vertriebsgesellschaft verschmolzen.