Der öffentliche Dienst nähert sich bei den Arbeitsbedingungen der Privatwirtschaft an – ist aber noch im Vorteil. Hamburger Beschäftigte berichten von ihren Jobs.

Wer für den Staat arbeitet, braucht sich keine Sorgen um die berufliche Zukunft zu machen. Ist das wirklich so?

Bundesweit ist die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren leicht zurückgegangen – von 4,8 Millionen im Jahr 2002 auf knapp 4,6 Millionen im vergangenen Jahr. In Hamburg arbeiten 68.319 Männer und Frauen für die Stadt: 40.077 als Beamte und 28.242 als Angestellte. Umgerechnet sind das 59.730 Vollzeitstellen. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren erneut gestiegen – obwohl der SPD-Senat den Personalbestand um jährlich 250 Vollkräfte verringern will. Stattdessen sind es im vergangenen Jahr 877 Stellen mehr geworden. So ist etwa die Zahl der Lehrer um 1000 gestiegen.

Susanne Kohaut vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat untersucht, wie sich die Arbeitsbedingungen des Staates von denen in der Privatwirtschaft unterscheiden. Kohaut sagt: „Die Unterschiede sind in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Aber unterm Strich schneidet der Öffentliche Dienst immer noch besser ab.“ Wer für den Staat arbeitet, hat der Studie zufolge ein sicheres Einkommen: Für die Angestellten gibt es in fast allen Fällen Tarifverträge, Beamte bekommen ihre Besoldung. In der Privatwirtschaft zahlen nur etwas mehr als die Hälfte der Betriebe nach Tarif. Das kann bedeuten, dass die Beschäftigten ihr Gehalt frei verhandeln und mehr für sich herausschlagen – in vielen Fällen kann das jedoch auch schlechte Bezahlung bedeuten.

Angestellte müssen Sozialabgaben zahlen – Beamte nicht. Mit dem Eintritt in die Rente wird die Einkommensschere größer: Beamte bekommen nach 40 Jahren im Beruf 72 Prozent ihrer letzten Bezüge, das Rentenniveau eines normalen Arbeitnehmers dagegen liegt bei 48 Prozent des durchschnittlichen Bruttogehalts des gesamten Berufslebens. Allein im vergangenen Jahr zahlte Hamburg für Beamtenpensionen 990,6 Millionen Euro. Insgesamt hat die Stadt für die Versorgungsansprüche ihrer Beschäftigten Rückstellungen in Höhe von über 16 Milliarden Euro gebildet (Stand Ende 2011).

Die Interessen der Arbeitnehmer werden im Öffentlichen Dienst besser vertreten als in der Privatwirtschaft: 93 Prozent aller Betriebe im Staatsdienst haben Betriebs- oder Personalräte – in der Privatwirtschaft sind es lediglich knapp 40 Prozent.

Der Staat stellt der Studie zufolge sogar häufiger befristet ein als private Unternehmen. Und nur jedem dritten befristet Eingestellten gelingt in Staatsunternehmen der Sprung in eine dauerhafte Beschäftigung – in der Privatwirtschaft bekommt die Hälfte einen unbefristeten Vertrag. Dafür kündigen Beschäftigte in privaten Firmen häufiger – und es gibt auch mehr Kündigungen der Chefs. Wer hingegen im Öffentlichen Dienst beschäftigt ist, der bleibt.

Öffentliche Unternehmen haben in Führungspositionen einen Frauenanteil von 25 Prozent, private Unternehmen nur 13 Prozent. Für ältere Beschäftigte setzt sich der Staat besser ein als die Privatwirtschaft. Susanne Kohaut sagt: „Die Arbeitsverhältnisse im Öffentlichen Dienst sind stabiler. Aber reinzukommen ist nicht leicht. In der Privatwirtschaft gibt es bessere Karrierechancen, die Verdienste sind höher.“

Auch die Gewerkschaft Ver.di sieht die Vorteile eines Jobs im Öffentlichen Dienst. Aber auch die Nachteile: „Die öffentlichen Unternehmen setzen ihre Mitarbeiter unter Druck“, sagt Sieglinde Frieß, „sie vermitteln ihnen, dass sie froh sein sollten, einen festen Arbeitsplatz zu haben – und verschlechtern die Arbeitsbedingungen.“ Rudolf Klüver vom Beamtenbund Hamburg: „Die Stadt Hamburg bezahlt im Vergleich zur freien Wirtschaft mies. Da hinken wir um einiges hinterher. Besonders im Technik- und IT-Bereich haben wir erhebliche Nachwuchssorgen.“

Gärtnerinnen

Die eine hegt Storchschnabel und Eisenhut im Stadtpark, die andere zieht Chrysanthemen in Kirchwerder. Die beiden Frauen sind Gärtnerinnen, Jana Pape beim Bezirksamt Nord und Claudia Rieck im Gartenbaubetrieb Kröger. „Ich mag die Vielfalt in den städtischen Grünanlagen“, sagt die 29-jährige Pape, die auch schon mal die Hecke an der Stadtparkbühne stutzt oder Baumarbeiten mit der Motorsäge ausführt. Die Winsenerin hat den klassischen Weg gewählt: Ausbildung in der Gartenbau-abteilung des Bezirks, danach Übernahme. Seit vier Jahren arbeitet sie inzwischen in der 60 Mitarbeiter großen Abteilung. „Für mich ist das genau das Richtige“, sagt sie.

Claudia Rieck ist 42 Jahre alt und hat beruflich schon einiges gemacht. Seit sechs Monaten ist die Mutter einer Tochter im Betrieb von Andreas Kröger. „Der familiäre Kontakt ist mir wichtig. Ich habe nie überlegt, mich bei der Stadt zu bewerben. Das wäre mir zu unübersichtlich.“ Die gelernte Zierpflanzengärtnerin und Floristin ist für die Aufzucht der Jungpflanzen zuständig. „Man sieht den Pflanzen beim Wachsen zu. Das ist nicht nur mein Beruf, sondern meine Berufung.“

Das sagt Jana Pape auch. Als gewerbliche Angestellte in der Lohngruppe 6 des Öffentlichen Dienstes verdient sie 2518 Euro brutto im Monat, dazu kommt eine Jahressonderzahlung. Wie hoch die in diesem Jahr ausfällt, steht noch nicht fest. Im Schnitt hat die junge Frau 1500 Euro netto im Monat. „In Gärtnereien bekommt man teilweise deutlich weniger“, sagt sie. Auch Überstunden, wie sie im Sommerhalbjahr in privaten Betrieben üblich sind, muss Pape nur selten machen. In der Woche arbeitet sie 38,5 Stunden pro Arbeitstag. Von morgens um 7 Uhr bis 15.30 Uhr. Freitags ist schon um 14 Uhr Schluss. „Die Stadt“, sagt sie, „ist ein guter Arbeitergeber.“

Claudia Rieck wird etwas über dem Tariflohn bezahlt. Trotzdem liegt der Bruttolohn für den 40-Stunden-Job unter dem ihrer städtischen Kollegin. Durch den Kinderfreibetrag gleicht es sich an, auch sie hat etwa 1500 Euro netto im Monat. Außerdem sieht der Tarifvertrag des Gartenbauverbands Nord ein anteiliges Urlaubsgeld vor. „Manchmal ist die Arbeit ganz schön anstrengend, aber ich bin zufrieden“, sagt sie.

Bezirksgärtnerin Jana Pape macht zu schaffen, dass für Pflege und Erhalt der Anlagen immer weniger Geld zur Verfügung steht. Freiwerdende Stellen in den Gartenbauabteilungen werden meist nicht nachbesetzt. Angst um ihren Job hat sie trotzdem nicht. Andere sind pessimistischer. „Natürlich gibt es angesichts der Sparvorgaben Bedenken, dass wir privatisiert werden könnten,“ sagt einer der Kollegen vom Bezirksamt. Jana Pape nickt.

Ingenieure

Lars Stücken, 40, hat 2009 als angestellter Ingenieur bei der städtischen Hamburg Port Authority (HPA) angefangen. Er hat zum Beispiel eine Tankerlöschbrücke am Blumensandhafen gebaut und beschäftigt sich aktuell unter anderem mit der geplanten Westerweiterung des Hafens. „Die HPA hat mich wegen ihrer Vielfalt gereizt“, sagt er. Er hatte auch Angebote aus der Privatwirtschaft. „Dort hätte ich mehr verdienen können.“ Was das Gehalt angeht, sind Stückens Möglichkeiten begrenzt: Für ihn gilt der Tarifvertrag für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst. Was er verdient, will er nicht sagen. Ingenieure werden bei der HPA nach dem Studium mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2800 Euro eingestellt. Mit den Berufsjahren können sie mehr verdienen – bei 5600 Euro ist Schluss. 2800 Euro brutto sind bei einem unverheirateten Ingenieur 1660 Euro netto, 5600 Euro sind rund 3000 Euro netto.

Von 437 Ingenieuren bei der HPA sind 75 Beamte. Sie verdienen zwischen 2600 und 6000 Euro brutto. Nur: Bei ihnen bleibt netto mehr übrig. Von 2600 Euro bleiben einem unverheirateten kinderlosen Beamten 2200 Euro, von 6000 bleiben 4200 Euro netto. Weil Ingenieure rar sind, versucht die HPA schon mal, die Arbeit mit dem Beamten-Status schmackhaft zu machen.

Auch Jan Nils Nissen will sein Gehalt nicht verraten. Der 42-Jährige arbeitet ebenfalls im Hafenbau, im Ingenieurbüro iwb Ingenieurgesellschaft. Sein Gehalt wird höher sein als das eines Staats-Ingenieurs. „Bei uns wird nach Leistung gezahlt. Das ist gerechter als ein Tarifvertrag, wo man mit den Jahren automatisch mehr Geld bekommt – völlig unabhängig von der Leistung“, sagt Nissen. In Bauingenieurbüros können Uniabsolventen auf ein Jahresgehalt von 42.000 Euro kommen – das ergibt bei zwölf Gehältern ein Monatsgehalt von rund 3500 Euro.

Nissen ist Projektmanager. Er sorgt dafür, dass Termine, Kosten und Qualität eingehalten werden. Seine Projekte: die Hafenerweiterung Altenwerder, der Finkenwerder Knoten. Jan Nils Nissen sagt: „In der Privatwirtschaft hat man mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten, es gibt flache Hierarchien. Der Öffentliche Dienst ist statischer.“

Lars Stücken sagt, dass er es schätzt, dass sein Arbeitsplatz sicher sei. Er habe flexible Arbeitszeiten, könne Fortbildungen besuchen. „Für mich ist der Staat ein guter Arbeitgeber.“

Jan Nils Nissen sagt, dass Ingenieure immer gebraucht werden – und dass es seine Firma schon über 25 Jahre gebe, er selbst ist seit 15 Jahren da. Flexible Arbeitszeiten habe er auch – und Fortbildungen könne er auch besuchen. Und so kommt Nissen zu dem Schluss dass die Privatwirtschaft für ihn der beste Arbeitgeber ist.

Lehrer

Als Helge Pepperling vor 30 Jahren seine erste feste Stelle bekam, wurde der Lehrer ohne großes Aufsehen auch gleich zum Beamten ernannt. „Das war im staatlichen Schuldienst ganz normal“, sagt der Mathe- und Physiklehrer an der Erich Kästner Schule. Natürlich sei es auch ein gutes Gefühl gewesen, quasi unkündbar zu sein. Daran hat sich im Grundsatz nichts geändert. Der 57-Jährige liebt seinen Beruf, ist Physik-Fachleiter an der Farmsener Stadtteilschule, engagiert sich im Personalrat und als Landesvorsitzender beim Deutschen Lehrerverband. „Mir ist der Kontakt zu den Schülern wichtig“, sagt er.

Die Augen von Antje Trumpf leuchten, wenn sie von ihrem Arbeitsplatz bei den Brecht Schulen spricht. Seit 18 Jahren unterrichtet sie Deutsch und Kunst an der Privatschule in der Norderstraße. Der Kontakt war entstanden, nachdem sie mit Mann und zwei kleinen Söhnen aus Magdeburg nach Hamburg gezogen war. „Ich fand es gut, dass ich gleich einsteigen konnte.“ Und sie ist geblieben. „Ich hätte mich auch an einer staatlichen Schule bewerben können. Aber das habe ich gar nicht versucht.“

Dabei macht sich der Unterschied sehr deutlich auf der Gehaltsabrechnung bemerkbar. 4100 Euro brutto im Monat verdient Trumpf für ihre Vollzeitstelle, bei Steuerklasse 3 macht das 2700 Euro netto. Bei ihrem verbeamteten Kollegen Pepperling bleibt von den etwa 4700 Euro Monatssalär in der Tarifstufe A14 deutlich mehr über. 4200 Euro überweist die Stadt auf sein Konto, davon muss er 50 Prozent der Krankenkasse selbst zahlen. Anders als Privatschullehrerin Trumpf bekommt er weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. „Man verdient gut als Lehrer“, sagt der Pädagoge, der zudem eine Pension von etwa 3300 Euro zu erwarten hat – abzüglich Steuern und Krankenkasse. „Der Staat ist ein treuer Arbeitgeber.“

Aber er sagt auch: „Es gibt eine Kehrseite. Man ist als Beamter dem Dienstherrn verpflichtet und muss umsetzen, was vorgegeben ist.“ Ein Beispiel sei die Einführung des Lehrer-Arbeitszeitmodells, das faktisch eine Erhöhung der Arbeitszeit war. „Und wir durften nicht streiken.“ Und auch die Entwicklungschancen seien deutlich geringer. „Im Freundeskreis sind viele an mir vorbeigezogen.“ Pepperling nutzte die Chance und ließ sich sechs Jahre auf deutsche Schulen in Italien und in Portugal schicken.

„Ich habe an meiner Schule mehr Freiheiten als an einer staatlichen Schule“, sagt Antje Trumpf. Beamtin möchte sie nicht sein. „Klar ist, wenn die Schüler ausbleiben, verliere ich meinen Job. Auch bei Krankheit oder Berufsunfähigkeit stehe ich schlechter da als die Kollegen bei der Stadt.“ Trotzdem sagt sie: „Ich will nirgendwo anders arbeiten.“