Die Titanenwurz in Planten un Blomen zeigte am Wochenende ihre riesige, stinkende Blüte. Das gab es in Hamburg zuletzt im Jahre 1929.

Neustadt. Eine solche Attraktion hätten sich die Macher der Internationalen Gartenschau (igs) in Wilhelmsburg vermutlich als Attraktion gewünscht, doch sie fand einige Kilometer weiter nördlich statt. Am späten Sonnabend hat die größte Blume der Welt, die Titanenwurz, im Tropenhaus von Planten un Blomen für kurze Zeit ihre Blüte geöffnet – und das in Hamburg erstmals seit 84 Jahren. Das Tropenhaus öffnete daher am Sonntag bereits um 7 Uhr seine Pforten und lockte viele zusätzliche Besucher an. Mittlerweile hat der Verwelkungsprozess der rund 1,40 Meter hohen Pflanze eingesetzt.

„Die Nacht zuvor habe ich geträumt, dass ich den Zeitpunkt der Blüte verpasst hätte, und habe schnell die Live-Kamera angeschmissen“, sagte Stefan Rust, Kustos des Botanischen Gartens, am Sonntagabend noch sichtlich mitgenommen. Doch zum Glück war noch nichts passiert. Als Rust dann am Sonnabend um kurz vor 16 Uhr auf dem Weg zu Planten un Blomen war, kam der Anruf von Gärtnermeister Sven Bernhard: „Wo steckst Du – es geht los!“ Eine Situation, die ein wenig an die erwartete Ankunft des königlichen Babys dieser Tage in London erinnert.

Die letzte Blüte der Titanenwurz in Hamburg im Jahre 1929 wurde zu einem medialen Großereignis. Nach Aussage des Botanischen Gartens konnten die Hamburger damals den „Blütenduft“ bis zum Dammtorbahnhof wahrnehmen. Tausende von Besuchern kamen, sogar Postkarten wurden mit der Pflanze gedruckt.

Auch in diesem Jahr war die seltene Blüte mit Spannung erwartet worden, auf der Internetseite informierte der Botanische Garten regelmäßig über die Entwicklung. Die Knolle der Pflanze stammt aus dem Botanischen Garten Wageningen (Niederlande) und wird erst seit drei Jahren im Hamburger Botanischen Garten kultiviert. Sie ist Teil einer größeren Sammlung von Amorphophallus-Arten.

Ein Gestank-Mix für Jedermann

Die Pflanze ist eigentlich auf der indonesischen Insel Sumatra beheimatet. Sie kann mehr als zwei Meter hoch werden. Die Blüte sondert jedoch einen unangenehmen Geruch ab – sie stinkt nach Aas und verrottetem Fisch. In der Natur dient der Aas-Geruch der Befruchtung. Er lockt Aas-Käfer und Aasfliegen an, die eigentlich ihre Eier auf einem toten Tier ablegen wollen. Das ist der Trick der Pflanzen: Die Insekten bestäuben, fehlgeleitet durch den Geruch, die Blüten, wenn sie vorher eine andere Titanenwurz besucht haben. Damit sich der Gestank besonders weit verbreitet und die Tiere im Regenwald die Titanenwurz besser entdecken, kann die Pflanze den Zapfen in der Mitte ihrer Blüte auf bis zu 40 Grad Celsius erhitzen. Mit der Verdunstung werden die Geruchsstoffe weit fortgetragen.

Im Tropengewächshaus in Planten un Blomen fiel der „Duft“ erst gar nicht so auf, erzählt Stefan Rust: „Durch die Thermik im Haus und die auf die Pflanze gerichteten Scheinwerfer zog der Gestank ziemlich in die Höhe ab.“ Als er sich aber darüber gebeugt habe, wäre ihm fast übel geworden: „Das war eine ungute Mischung aus Aas, nassem Tier und Dung. Für jeden etwas dabei“, fasst der Pflanzenkenner zusammen.

Bis zu drei Meter hoch kann die Blüte werden, wenn sie sich voll entfaltet. Zu einem solchen Riesengewächs zu werden, kostet die Pflanze viel Kraft. „Wir hoffen deshalb, dass unsere Titanenwurz die Blüte überlebt“, sagt Rust. Jede Amorphophallus titanum habe ihren eigenen Rhythmus: „Sie machen Ruhepausen von einigen Wochen bis zu einigen Monaten, nachdem sich über der alten, ausgelaugten Knolle eine neue gebildet hat.“ In Gärten werden die Knollen während der Pausen trocken und warm gelagert, bis sie wieder austreiben.

Knolle wiegt stolze 20 Kilogramm

Die Knolle der Titanenwurz, die jetzt blühte, ist stolze 20 Kilogramm schwer. Doch das ist vergleichsweise klein; in Extremfällen kann die Knolle bis zu 150 Kilo wiegen. „Die Knolle muss vor etwa 17 Jahren ausgesät worden sein“, sagt Rust. Dann wurde sie von Gewächshaus zu Gewächshaus gereicht, bis sie in Hamburg landete.

Pünktlich zum 50. Jubiläum des Botanischen Gartens stellte die Titanenwurz nun ihre seltene Blüte zur Schau. Den Rekord der weltweit größten Blume hält derzeit die Titanenwurz der Wilhelma in Stuttgart, deren Blütenstand 2005 eine Höhe von 2,94 Metern erreichte. Vorher hatte die Titanenwurz des Botanischen Gartens in Bonn mit 2,74 Metern den Rekord gehalten.

Wann es in Hamburg die nächste Blüte geben könnte, die nur vier bis sechs Stunden voll geöffnet ist, kann man nicht sagen. „Frühestens nach drei Jahren könnte diese Pflanze wieder blühen, zeigt die Erfahrung“, sagt Rust. Und die anderen Hamburger Exemplare seien erst drei Jahre alt und mit nur handballgroßen Knollen noch zu klein. Und auch wer mit den verblühten Resten heute oder in den nächsten Tagen Vorlieb nehmen möchte, könnte enttäuscht werden, sagt Rust: „Ein Wissenschaftler möchte eventuell die Blüte für seine Doktorarbeit zerlegen.“