Keine Zeltstadt für die afrikanischen Flüchtlinge. Stattdessen sollen sie nun dauerhaft im Gotteshaus übernachten. Ärztin aus der Nachbarschaft hat bereits medizinische Hilfe angeboten.

Hamburg. Viele Flüchtlinge seien gehetzt, übermüdet und krank. Einen Ort des Schutzes und der Würde wolle er für sie schaffen, sagt Pastor Sieghard Wilm. Jetzt wurde dieser Ort gefunden: die St.-Pauli-Kirche.

Eine Ärztin aus der Nachbarschaft habe bereits medizinische Hilfe angeboten. "Der Stadtteil solidarisiert sich", sagt Wilm. St. Pauli helfe.

Gut 60 Afrikaner haben erneut die Nacht in der Kirche am Pinnasberg verbracht, nachdem sie zuvor unter freiem Himmel campiert hatten. Tagsüber fehlt allerdings jede Spur von ihnen. Dort, wo sie vor wenigen Stunden auf dem Boden geschlafen haben, stehen nun wieder Tische. Decken und Kissen stapeln sich unterm Kreuz, Essensspenden werden von Ehrenamtlichen in die Kirche getragen. Erst mit Anbruch der Dunkelheit werden die Kriegsflüchtlinge wiederkommen. Die vierte Nacht.

Eine Zeltstadt wollte Sieghard Wilm, Pastor der St.-Pauli-Kirche, für die Afrikaner errichten. Doch dieser Plan hat sich wegen geltender Brandschutzbestimmungen und zu wenig Platz zerschlagen. Deshalb sollen nun rund 70 Flüchtlinge dauerhaft ein Nachtlager in der evangelischen Kirche bekommen. Das habe der Kirchengemeinderat beschlossen.

Auf höchster Ebene gebe es derweil weiter Gespräche zwischen Behörden und Kirche über die Zukunft der Männer, sagte Senatssprecher Christoph Holstein. Er bedauere, dass keine Lösung gefunden wurde. Aber das Tischtuch sei nicht zerschnitten. Kirche und Diakonie hatten bekannt gegeben, dass man nicht weiter mit dem Senat an einer Lösung arbeite, weil unannehmbare Bedingungen gestellt wurden. Dazu zählt die Kirche eine Identitätsfeststellung der Flüchtlinge. Die als Unterkunft angebotene Schule in Langenhorn war abgelehnt worden, weil sie "an Bedingungen geknüpft war, die allein der Abschiebung dienen", sagte Diakoniechefin Annegrethe Stoltenberg. Die Behörden, so Holstein, bemühten sich jedoch weiter um eine Unterbringung der insgesamt etwa 300 Flüchtlinge.

Wie lange einige von ihnen nun am Pinnasberg in der Kirche ihr Nachtlager erhalten, ist unklar. "Die Polizei hält sich zurück, wir haben hier eine Art der Duldung", sagt Wilm, der von einem Anfang spricht und explizit nicht über ein Ende. Die Kirche sei zwar kein rechtsfreier Raum, dennoch gebe es einen gewissen Respekt vor dem Gelände. Auf einem Boule-Spielfeld, dem einzigen größeren Platz neben der Kirche, steht nun das Begegnungszelt, die sogenannte Embassy of Hope. "Hier sollen die Leute mit unseren afrikanischen Gästen ins Gespräch kommen", sagt Wilm. Ein ähnliches Zelt steht auch am Hauptbahnhof.

Zustimmung für das "spontane" und "zugewandte" Nachtlager auf St. Pauli kommt von Bischöfin Kirsten Fehrs: "Das ist praktizierte Nächstenliebe. Wir werden diese humanitäre Hilfe, die dringend geboten ist, nach Kräften unterstützen." Ebenso wie den wöchentlichen Mittagstisch des Afrika Zentrums Borgfelde. Dessen Pastor Peter Sorie Mansaray sprach von einem "skandalösen" und "unwürdigen" Verhalten" der Stadt bisher. "Es ist beschämend, dass Menschen in Not in dieser reichen Stadt auf der Straße leben mussten." Die St.-Pauli-Kirche sei sicher keine dauerhafte Lösung. Aber endlich habe sich jemand der Flüchtlinge angenommen.

Vor der Kirche soll nun auch ein Container mit Duschen und Toiletten stehen, umliegende Lokale, Nachbarn und Gemeindemitglieder haben Essensspenden zugesagt. Zudem sollen die Flüchtlinge, die größtenteils in Libyen als Gastarbeiter tätig waren, als symbolischen Akt ein Papier bekommen, auf dem die Kirche als Meldeadresse eingetragen wird. Dem Pastor stehen nun auch eine Mitarbeiterin des Diakonischen Werks sowie ein ehrenamtliches Team zur Seite, die sich nur um die Organisation der Hilfsleistungen kümmern.

"Auch eine Ausstellung zur Situation und den Hintergründen der Flüchtlinge ist geplant", sagt Wilm. Ein Benefizkonzert soll es am kommenden Wochenende geben. Da die Flüchtlinge nur nachts in der Kirche unterkommen, sei der kirchliche Betrieb nicht beeinträchtigt. "Gottesdienste finden wie gewohnt in der Kirche statt."

"Die Kapazität des Gotteshauses ist mit 60 bis 80 Leuten ausgelastet", sagte Wilm. Dabei betonte er nochmals, dass es sich nicht um Kirchenasyl handele. "Wir leisten hier einfach humanitäre Nothilfe." Kirchenasyl würde bedeuten, dass ein Asylantrag abgelehnt wurde und die Menschen nun illegal in einem Land sind. Das sei bei den afrikanischen Flüchtlingen allerdings nicht der Fall, weil sie nach ihrer Ankunft in Italien von der dortigen Regierung Tourismus-Visa ausgestellt bekommen hätten.

Die Innenbehörde möchte die Afrikaner zurückschicken. Sprecher Frank Reschreiter sagt, man werde jeden Fall einzeln prüfen.