Friseurin ist weiterhin die begehrteste Handwerksausbildung unter Hamburgs Mädchen - trotz niedriger Löhne und familienunfreundlicher Arbeitszeiten. Erst 2015 kommt ein Mindestlohn.

Hamburg . Für Ronja Weithart ist es der Traumberuf. Der modische Pfiff, die richtige Farbe oder auch die totale Veränderung? "Als Friseurin kann ich kreativ sein. In jedem Haarschnitt, den ich mache, liegt meine Handschrift", sagt die 22-Jährige. Eine andere Ausbildung sei für sie nicht infrage gekommen. Jetzt steht sie nach drei Jahren Lehrzeit bei Peter Polzer kurz vor der Gesellinnenprüfung. Auch Sabrina Jurk wollte schon immer Friseurin werden. Dafür schmiss sie ihr Sinologie-Studium nach einem Semester. "Es ist natürlich auch viel Alltag", sagt die 23-Jährige, die ebenfalls in einem Polzer-Salon lernt. Waschen, Schneiden, Strähnchen - die Hamburgerin liebt es klassisch. "Aber es gibt immer wieder diese Highlights, wenn man Menschen richtig glücklich machen kann."

Zwei von 686 Friseurschülern in Hamburg. Auf der Liste der beliebtesten Ausbildungsberufe rangiert das Handwerk mit Kamm und Schere nach wie vor ganz weit vor - trotz niedriger Löhne, familienunfreundlicher Arbeitszeiten und gesundheitlicher Belastungen. Mit knapp 40 Prozent sind die angehenden Friseurinnen in den Top 10 der Handwerkskammer Hamburg die mit Abstand größte Gruppe, unter den zehn lehrlingsstärksten Handwerksberufen bei den Frauen stellen sie fast die Hälfte. Und auch beim Blick auf das gesamte Ausbildungsspektrum in der Hansestadt liegt das Friseurhandwerk laut Arbeitsagentur Hamburg im April 2013 immerhin noch auf Platz sieben.

Ken Siegel ist einer der wenigen männlichen Azubis in der Branche. Ihr Anteil liegt bei etwa zehn Prozent, das aber stabil seit mehreren Jahren. Im Februar hat er beim Filialisten F.O.N. angefangen zu lernen, nachdem er seine Ausbildung als Bürokaufkaufmann kurz vor dem Ende abgebrochen hatte. "Ich möchte Menschen, ihrem Typ entsprechend verändern", sagt der 20-Jährige aus Henstedt-Ulzburg, der aus einer Friseurfamilie kommt. Dafür ist er auch bereit, mit weniger Geld auszukommen. Nicht mal halb so viel wie bei seiner vorigen Ausbildung bekomme er jetzt im ersten Lehrjahr, sagt Siegel. Genau 300 Euro im Monat. Eine eigene Wohnung lässt sich davon wohl nicht finanzieren? Der junge Mann mit der steilen Haartolle schüttelt energisch den Kopf. "Ich wohne noch bei meinen Eltern. Mir ist wichtiger, dass ich machen kann, was mir wirklich liegt", sagt er.

Es gibt sie also, die die sich für das Friseurhandwerk geboren fühlen - entgegen dem Negativimage des Berufsstands in Deutschland. Trotzdem macht sich Unruhe in der Branche breit. Gut ausgebildetes Personal ist selbst in einer Metropole wie Hamburg eher Mangelware. An der Elbe ist ähnlich wie in ganz Deutschland die Zahl der Friseursalons in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, auf 1465 Ende 2012. Gleichzeitig gibt es immer weniger Auszubildende.

Waren 2004 laut Handwerkskammer noch 864 Lehrlinge gemeldet, sind es aktuell 200 weniger - ein Minus von fast 25 Prozent. Im nächsten Jahr könnte es noch schlechter aussehen. Die Berufsschule Friseur geht von 650 angehenden Friseuren in allen drei Lehrjahren aus. Auch renommierte Salons suchen inzwischen händeringend nach geeigneten jungen Leuten - obwohl derzeit nur knapp ein Fünftel der Betriebe überhaupt ausbildet. "Jeder, der Friseur werden will, kann das auch", sagt Birger Kentzler, Obermeister der Friseur-Innung Hamburg und Inhaber eines kleinen Betriebs in Bahrenfeld. Ende April waren laut Arbeitsagentur 111 freie Plätze für Friseur-Azubis gemeldet.

Gute Zeiten für Bewerber. "Ich habe mir einen Laden ausgesucht, bin hingegangen und habe gefragt, ob sie jemand brauchen", erzählt Philine Cora Krohn aus Ahrensburg, die die Walddorfschule nach dem Hauptschulabschluss verlassen hatte. Im Februar begann sie eine Lehre bei Exakt in Ottensen. "Das hat gleich gepasst." Jeden Morgen um 11 Uhr muss sie im Laden sein, um 20 Uhr ist Schluss. "Mit Fahrzeiten habe ich locker einen Zwölf-Stunden-Tag. Aber das ist okay", sagt die 17-Jährige. Im Moment ist sie für ihren ersten Ausbildungsblock an der Beruflichen Schule Burgstraße.

Dort macht sich die sinkende Zahl der Auszubildenden besonders drastisch bemerkbar. "Wir haben ganze Klassen gestrichen", sagt Schulleiterin Astrid Arndt. Aus ihrer Sicht gibt es dafür verschiedene Gründe. Neben dem demografischen Faktor, der nach den geburtenstarken Jahrgängen weniger junge Leute ins Ausbildungssystem spült, spielten vor allem die schlechten Verdienstmöglichkeiten eine Rolle. Aber Astrid Arndt kann dem Schwund auch Positives abgewinnen: "Jetzt kommen die, die es wirklich wollen." Für viele junge Leute sei neben Kreativität und Glamour wichtig, dass der Beruf krisenfest sei, und dass sie sich in einem Betrieb aufgehoben fühlten.

Die Schule geht inzwischen neue Wege. Es gibt die Möglichkeit neben der Ausbildung, die Fachhochschulreife zu machen, Auslandspraktika sogar in China werden angeboten und sogenannte Plusklassen mit zusätzlichen Möglichkeiten für besonders qualifizierte Auszubildende. "Aber", fordert Abteilungsleiter Thomas Lücking, "auch die Ausbildung in den Betrieben muss attraktiver werden. Die Azubis wollen heute nicht nur Aushilfe sein, sondern am Kunden mitarbeiten." Einige Unternehmen hätten sich darauf bereits eingestellt. Einer der Vorreiter sei Peter Polzer gewesen, auch bei Edelcoiffeur Lars Nicolaisen im Salon am Ballindamm bedienen dienstags ab 16 Uhr die Azubis zu speziellen Tarifen. Größereilialisten wie F.O.N. hätten inzwischen gute Ausbildungskonzepte, so Lücking. Und auch bei Exakt in Ottensen schneiden die Lehrlinge schon im ersten Jahr.

Trotzdem bleibt der Dreh- und Angelpunkt das Geld. Im vergangenen Jahr wurden die Lehrlingsentgelte angehoben: Nach 300 Euro im ersten Lehrjahr gibt es jetzt 325 Euro im zweiten und 500 Euro im dritten Jahr. Und auch danach sollen die Gehälter steigen. Die Tarifpartner haben sich nach langen Verhandlungen im März auf ein Stufenmodell geeinigt, nach dem ab 1. August im Westen ein Mindestlohn von 7,50 Euro gilt. Bis Sommer 2015 soll ein einheitlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt werden. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di will diesen Tarif auch allgemein verbindlich erklären lassen, um Billiganbietern die Schlupflöcher für Dumpinglöhne und Arbeitsverhältnisse in Scheinselbstständigkeit zu verschließen. Einen entsprechenden Antrag bei der Bundesregierung werde die Gewerkschaft noch vor der Sommerpause stellen, so Verhandlungsführerin Ute Kittel.

Die Hamburger Friseur-Innung hat bereits angekündigt, sich an diese Vorgaben halten zu wollen. Schon jetzt, so Innungsobermeister Kentzler, würden viele Friseure in Hamburg deutlich mehr verdienen. Dabei bezieht er sich auf eine aktuelle Studie aus dem Friseurmarktreport 2013. Danach könne ein angestellter Friseur mit 22 Jahren bei einem Bruttosalär von etwa 1800 Euro plus Erfolgsprovision, Trinkgeld und einem Pauschalbetrag für Ausbildungsunterstützung 2500 Euro im Monat verdienen. "Oder man besucht die Meisterschule und macht sich selbstständig. Wo gibt es solche Möglichkeiten sonst noch", sagt Kentzler, für den auch nach 25 Berufsjahren, Friseur immer noch ein "toller Beruf" ist.

Derzeit ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Friseure gut. Wenn Ronja Weithart und Sabrina Jurk in den nächsten Wochen beziehungsweise Monaten ihre Ausbildung abschließen, stehen ihnen viele Möglichkeiten offen. "Ich verhandele gerade mit meinem Betrieb über eine Übernahme als Gesellin", sagt Ronja Weithart. Dabei geht es um die Höhe der Provision - zusätzlich zu dem Tariflohn und Trinkgeldern. "Die sind aber nicht kalkulierbar", sagt die junge Frau. "Und mein Ziel ist, dass ich allein von meinem Gehalt leben kann und nicht zusätzlich Hartz IV beantragen muss." Sabrina Jurk denkt schon weiter. "Ich will mich später selbstständig machen", sagt sie. "Aber nicht mit einem eigenen Salon, sondern als Hair- und Make-up-Artistin."

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