Die Hamburger Handelskammer fordert Unternehmen auf, umfassende Strategie für Mitarbeiter zu entwickeln. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in Hamburg bis 2030 um 28 Prozent zulegen.

Hamburg. Die Unternehmen in der Hansestadt müssen ihren Mitarbeitern künftig mehr Zeit zur Pflege eigener Angehöriger einräumen, der Bedarf dafür wird steigen. Das ist das Ergebnis einer Tagung in der Handelskammer zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Aufgrund des demografischen Wandels wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Hamburg bis 2030 um 28 Prozent zulegen. Damit steigt auch die Zahl der Personen, die nicht stationär, sondern durch ihre eigenen Angehörigen gepflegt werden, und zwar um 22 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und die Hamburg School of Business Administration (HSBA) für die Handelskammer erstellt haben.

"Da immer mehr Menschen immer länger erwerbstätig sein werden, gewinnt die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für Hamburger Unternehmen und ihre Mitarbeiter zunehmend an Bedeutung", heißt es in der Studie. Rund sechs Prozent der Beschäftigten pflegen privat einen oder mehrere Angehörige. Ein gutes Drittel der Pflegenden verwendet durchschnittlich eine bis sechs Stunden Zeit pro Woche für die Pflege eines Angehörigen. Weitere 28 Prozent pflegen wöchentlich zwischen sieben und zwölf Stunden, und knapp 16 Prozent sogar zwischen 13 und 19 Stunden. Ein gutes Fünftel ist mindestens 20 Stunden pro Woche mit der Angehörigenpflege beschäftigt. "Damit gewinnt die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in der Zukunft für Arbeitgeber und Personalverantwortliche zunehmend an Bedeutung", sagte Vizepräses Thomas M. Schünemann, bei der Tagung der Handelskammer.

Hamburgs Familiensenator Detlef Scheele ergänzte: "Die Diskussion um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie war lange Zeit von der Frage der Kinderbetreuung geprägt. Nun aber rückt zunehmend auch die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger in den Fokus." Wer Personal gewinnen wolle, müsse alle familiären Belange der Mitarbeiter im Blick behalten und geeignete Angebote auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege entwickeln.

Allerdings schenkt die Hamburger Wirtschaft dem Thema noch eine geringe Aufmerksamkeit, wie die Studie aufzeigt: 38 Prozent der Befragten halten das Thema für "eher nicht relevant". Auf der anderen Seite sei die Inanspruchnahme von bereits angebotenen Vereinbarkeitsmaßnahmen der Firmen durch die pflegenden Beschäftigten ebenfalls relativ gering. Am häufigsten müssen Frauen Beruf und Pflege unter einen Hut bringen. Das Durchschnittsalter der betroffenen Beschäftigten liegt laut Studie bei 48 Jahren.

Vizepräses Schünemann appellierte an die Hamburger Unternehmen, angesichts der zunehmenden Bedeutung des Themas "Pflege durch Erwerbstätige" eine umfassende Strategie zu entwickeln. Dies könnte über Informationsveranstaltungen geschehen. Zudem sollte das Thema fester Bestandteil bei der Personalgewinnung und -einsatz sein. Des Weiteren sei eine Kooperation von Betrieben mit lokalen Dienstleistern - etwa externen Pflegebetrieben - und Unterstützungsnetzwerken sinnvoll. Die Studie kommt zu dem übergreifenden Ergebnis: "Der Pflege muss bei den betrieblichen Vereinbarkeitsangeboten dieselbe Bedeutung wie der Kinderbetreuung zukommen, denn auch kinderlose Belegschaftsmitglieder pflegen ihre Eltern."