Wie kreativ sind sie bei der Steuererklärung? Laut Finanzbehörde haben sich in Hamburg seit 2010 insgesamt 1100 Steuersünder selbst angezeigt und Zinserträge in Höhe von 372 Millionen Euro nachgemeldet.

Hamburg. "Geld ist ein guter Soldat, mein Herr, und macht sich Bahn." Was William Shakespeare seinen Sir John Falstaff sagen lässt, hat auch 400 Jahre später nichts von seiner Wucht verloren. Vor allem diejenigen, die eine Menge Geld angehäuft haben, wissen um seine Vorzüge. Und viele von ihnen versuchen es deshalb, so gut es geht, vor dem Fiskus in Sicherheit zu bringen. John Falstaff war ein raufsüchtiger Soldat und trinkfester Angeber - ein Millionär war er nicht. Davon gibt es in Hamburg mehr als anderswo.

Hamburg ist in Deutschland die Stadt mit den meisten Einkommensmillionären. 859 Hamburger zählen zum erlauchten Kreis. Zählt man das gesamte Vermögen - ohne die eigen genutzte Immobilie - dazu, besitzen in der Hansestadt rund 42.000 Menschen mehr als eine Million Euro. Das sind knapp 2,4 Prozent - und in etwa so viele Bürger, wie in Elmshorn wohnen. Für acht Hamburger sind das eher Peanuts: Sie sind Milliardäre - mit einem Gesamtvermögen von 33 Milliarden Euro.

Wie kreativ sind Hamburgs Millionäre bei ihrer Steuererklärung? Wichtig ist es dabei, erst einmal zu unterscheiden: Geht es um echte Vergehen, also den Verstoß gegen geltende Gesetze - oder handelt es sich um das Ausnutzen steuerlicher Schlupflöcher wie beispielsweise die Verlagerung von Wohn- und Firmensitzen in Niedrigsteuerländer wie Luxemburg oder Irland, Zypern oder Belgien? Manchmal sind die Grenzen auch fließend: Nicht jeder, der sein Geld auf die Jungferninseln oder in Steueroasen bringt, ist ein Betrüger. So mancher ist ein gewiefter Steuervermeider.

Die Kanzlei SchlarmannvonGeyso mit Sitz am Veritaskai kennt seit Jahren das Thema Selbstanzeige. "Wir haben immer eine Häufung von Fällen, wenn eine neue CD mit Bankdaten auftaucht", sagt Rechtsanwalt und Steuerberater Michael Niemeyer. Selbstanzeigen seien ein Dauerthema.

Laut Finanzbehörde haben sich in Hamburg seit 2010 insgesamt 1100 Steuersünder selbst angezeigt und Zinserträge in Höhe von 372 Millionen Euro nachgemeldet. In den ersten dreieinhalb Monaten dieses Jahres gab es knapp 100 Selbstanzeigen - etwa eine pro Tag.

Dabei passt der durchschnittliche Hamburger "Steuersünder" nach den Erfahrungen der Kanzlei nicht in das Bild, das oft gezeichnet wird. "Die meisten Mandanten, die unsere Dienste im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige in Anspruch nehmen, sind ältere Menschen, die reinen Tisch machen oder zukünftige Erbschaften regeln wollen", sagt Niemeyer. Sie seien auch nicht Multimillionäre, die aus Raffgier Geld ins Ausland schafften. "Bei den meisten Selbstanzeigen geht es bei uns um Beträge zwischen 100.000 und 800.000 Euro, die im Ausland angelegt wurden. Das haben die Betroffenen sehr oft bereits vor langer Zeit gemacht", sagt Niemeyer. Dabei ginge es nicht um Zinsersparnis. "Es waren meist ,Notgroschen', die dort hinterlegt wurden", sagt Niemeyer. "Niemand sollte davon wissen. Die Menschen hatten Angst im Kalten Krieg, angesichts der Anschläge der RAF oder vor politischen Entwicklungen. Die Gelder, die sie in die Schweiz brachten, waren oft Erbschaften oder Abfindungen. Oder eben angespartes Geld. Schwarzgeld ist es in der Regel nicht."

Weil es der geheime "Notgroschen" war, wurde es bei der Steuererklärung nicht angegeben. So kommt es auch vor, dass Erben zu Mandanten werden, weil die in ihrer Erbschaft plötzlich mit ihnen vorher nicht bekannten Auslandskonten konfrontiert sind. Niemeyer: "Wer über richtig große Vermögen oder Firmen verfügt, der lässt sich ohnehin ein Konzept nach Maß schneidern, das die ganz legalen, vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeiten ausnutzt."

Hier geht es dann also nicht um Steuerhinterziehung und eine mögliche Selbstanzeige à la Uli Hoeneß, sondern um die größtmögliche Dividende des eigenen Kapitals. Und da fallen drei Stichworte: Immobilien, Gold und Kunst.

"Am beliebtesten ist nach meiner Einschätzung immer noch der Kauf einer Immobilie", sagt ein Hamburger Steuerberater. Wer Häuser oder, noch besser, gleich ganze Wohnblocks erwirbt und sie nach Ablauf der Spekulationsfrist von zehn Jahren verkauft, braucht auf den erzielten Gewinn keine Steuern zu bezahlen. "Wenn man die Immobilien auch noch renoviert und höhere Mieten durchsetzt, und das womöglich in Stadtteilen, die in zehn Jahren erheblich attraktiver sind als heute, kann man richtig Kasse machen", sagt der Steuerberater.

Beim Kauf von Gold sowie von Kunst oder Antiquitäten beträgt die Spekulationsfrist sogar nur ein Jahr. Einzige Bedingung: Man darf innerhalb dieser zwölf Monate zum Beispiel mit einem erworbenen Bild keine Einkünfte erzielen, indem man es etwa an ein Museum ausleiht. In dem Fall würde sich die Frist wieder auf zehn Jahre erhöhen. Regen Gebrauch machen Menschen mit viel Geld nach wie vor von den Möglichkeiten, ihre Ausgaben von der Steuer abzusetzen. Steuerberater berichten von Millionären, die ihren Fitnesstrainer, ihr Hochzeitskleid, ihren Friseurbesuch oder ihre Shoppingtouren mit dem Mercedes als Betriebsausgaben abzusetzen versuchen. Selbst teure private Urlaube werden zuweilen als Betriebsausgabe deklariert. "Und auch Restaurantbesuche mit Frau oder Freunden werden immer wieder, egal ob Millionär oder Kleinunternehmer, als Geschäftsessen von der Steuer abgesetzt", sagt eine Steuerberaterin.

Schon da ist die schmale Grenze zwischen Trick und Betrug wieder überschritten. Ist das noch ein Kavaliersdelikt und ist der Ehrliche, der es nicht macht, schlichtweg der Dumme?

Auf jeden Fall ist auch das ein Verstoß gegen Steuergesetze. Von der Idee, die Selbstanzeige in der heutigen Form in Steuersachen in Zukunft nicht mehr zuzulassen, hält Michael Niemeyer wenig. "Die Gesetzgebung hat sich ja nicht so lange gehalten, weil der Staat Steuervergehen begünstigen wollte. Der Staat bekommt durch eine Selbstanzeige einfach viel Geld", sagt Niemeyer.