Zehn Tipps des Hamburger Sportmediziners Professor Klaus-Michael Braumann, damit Ihr Kreislauf wieder in Schwung kommt.

Hamburg. Keine Angst! Niemand hat die Absicht, Sie zum Sporttreiben zu überreden oder gar zu zwingen. Sie sollen nicht Ihren eingemotteten Trainingsanzug aus dem Schrank holen, um die Alster joggen oder sich im nächsten Fitnessstudio anmelden. Sie sollen nur für einen Moment von Ihrer Couch oder Ihrem Schreibtischstuhl aufstehen und das tun, was im Prinzip jeder kann: sich bewegen. Die in den nächsten Tagen steigenden Temperaturen - vom Eise befreit sind Strom und Bäche - laden Sie förmlich dazu ein, das an frischer Luft zu tun. Ein gemächlicher Osterspaziergang wäre der erste Schritt in eine neue, gesunde Erlebniswelt.

Bewegungsmangel ist in Deutschland eine der Hauptursachen für viele Zivilisationskrankheiten. Unsere Vorfahren kannten viele der heutigen gesundheitlichen Probleme nicht. In den 1890er-Jahren gab es in Hamburger Krankenhäusern kaum Todesfälle durch Herzinfarkt. Das ergaben Analysen des Sektionsgutes. Gut 120 Jahre später sind Schäden des Herz-Kreislaufsystems bei fast jedem zweiten Verstorbenen der Grund seines Ablebens. Der Zusammenhang ist einfach: Früher bewegten sich die Menschen viel und aßen wenig, heute ist es genau umgekehrt. Obwohl wir überwiegend sitzen, ernähren wir uns, als würden wir immer noch körperliche Schwerstarbeit verrichten. Die Konsequenz ist eine vermehrte Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse. Bei jahrelanger Überbeanspruchung kann daraus Diabetes entstehen mit zum Teil erschreckenden Spätfolgen. Alle 20 Minuten müssen Ärzte in Deutschland verfaulte Extremitäten abschneiden, alle 90 Minuten erblindet ein Zuckerkranker.

Schon jede einfache Form der Körperarbeit, jede Art von Muskeltätigkeit mit höherem Energieumsatz, vermindert den Insulinbedarf des Körpers, verhindert, dass zu viel Zucker im Blut schwimmt und am Ende kleinste Blutgefäße und Adern verstopft. Der aktive Mensch braucht kaum Insulin.

Klaus-Michael Braumann, 62, ist Professor für Sportmedizin an der Universität Hamburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention. Er hat das Buch "Die Heilkraft der Bewegung" geschrieben und viele Tipps für Sie bereit. Sie erfordern keinen größeren Aufwand und sind leicht in Ihren Alltag zu integrieren. "Empfinden Sie jede zusätzliche Möglichkeit zur Bewegung als Geschenk. Ärgern Sie sich nicht, wenn Sie irgendetwas vergessen oder liegengelassen haben und es holen müssen. Auch das sind ein paar Schritte mehr, die Sie sonst nicht gehen würden. Sie werden feststellen, dass bereits geringe Aktivitäten ausreichen, damit Sie sich nach einigen Tagen besser fühlen", sagt Braumann. Und das können Sie tun:

1. Fangen Sie an mit einem kleinen Spaziergang um den Häuserblock. Der entspannt und entstresst. Gerade wenn Sie kaputt von der Arbeit kommen, wirkt sich Bewegung positiv auf Ihre Stimmung und Psyche aus.

2. Vermeiden Sie zu Hause und unterwegs alle Aufstiegshilfen wie Rolltreppen und Fahrstühle. Benutzen Sie, wo immer sich Ihnen die Chance dazu bietet, die Treppe. Ein Stockwerk am Anfang, steigern Sie das Pensum danach langsam, aber kontinuierlich.

3. Steigen Sie im Bus, der U- oder S-Bahn eine Station vorher aus und laufen Sie die restliche Strecke zu Fuß. Lassen Sie zum Einkaufen das Auto stehen. Gehen Sie zu Fuß oder fahren Sie Fahrrad.

4. Wenn Sie im Büro Ihre Kollegen sprechen wollen, greifen Sie nicht zum Telefonhörer, und schreiben Sie keine Mail. Stehen Sie auf und besuchen ihn. Das verbessert nicht nur die Durchblutung, es führt auch zu einer angenehmeren Art der Kommunikation.

5. Müssen Sie doch einmal telefonieren, setzen Sie sich nach dem Gespräch kerzengerade hin, ziehen Sie dabei die Schultern nach oben. Oder stehen Sie nach dem Telefonat auf, strecken sich, führen Sie die Hände über dem Kopf zusammen und versuchen nach imaginären Gegenständen zu greifen. Am besten stellen Sie sich dabei auf die Zehenspitzen. Fortgeschrittene können diese Übung auch auf einem Bein ausführen (siehe Foto) - oder im Schneidersitz vom Fußboden aus.

6. Zur Kräftigung Ihrer Po- oder Rückenmuskulatur legen Sie Ihren Oberkörper auf einen Tisch, die Hüfte ist gebeugt. Strecken Sie dann ein Bein nach hinten und spreizen Sie es gleichzeitig ab, so weit es geht - so wie es Hunde am Laternenpfahl tun.

7. Trinken Sie viel, möglichst Wasser. Das schwemmt nicht nur Schadstoffe aus Ihrem Körper, Sie müssen auch öfter zur Toilette g e h e n.

8. Stellen Sie sich zum Beispiel beim Zähneputzen an ein Waschbecken, und machen Sie einbeinige Kniebeugen. Beugen Sie das Knie zunächst vorsichtig, erst zehn Grad, später 20 und mehr. Damit kräftigen Sie Ihre Oberschenkelmuskulatur und verbessern zudem Ihre Koordinationsfähigkeit.

9. Stehen Sie von Ihrem Sofa oder Ihrem Stuhl auf, ohne dafür die Hände zu Hilfe zu nehmen.

10. Bewegen Sie sich in der Natur. Schauen Sie sich dabei um, entdecken Sie Ihre Umgebung, genießen Sie das, was Sie sehen. Sie trainieren damit Ihren Körper und leisten gleichzeitig etwas für Ihre mentale Entspannung. Auch Gartenarbeit an frischer Luft bleibt ein ideales Betätigungsfeld.

Wenn Sie beginnen, Bewegung als einen Teil Ihres Alltags zu betrachten, werden Sie bald die ersten Effekte spüren, sich wohler und belastbarer fühlen. Sie werden Fett verbrennen und Muskelmasse aufbauen, was nicht nur langfristig zur Reduzierung des Körpergewichts führt, sondern auch das Herz entlastet. Ist der Körper trainiert, sinkt die Herzfrequenz. Und irgendwann werden Sie auch noch Lust bekommen, regelmäßig Sport zu treiben.

Das Institut für Sportmedizin der Universität Hamburg an der Mollerstraße 10 bietet individuelle Beratungen an, um Bewegung sinnvoll zu lernen. Telefon: 040/428 38 63 39.