Pädagogische Einrichtungen in Wilhelmsburg, Kirchdorf und auf der Veddel profitieren von der IBA. 100 Einrichtungen kooperieren miteinander.

Wilhelmsburg. Mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) sollen sich die Elbinseln nicht nur städtebaulich verändern, es sollen auch bessere Bildungschancen für die Menschen dort geschaffen werden. Im Vergleich zum Hamburger Durchschnitt sind die Bewohner von Wilhelmsburg, der Veddel und Kirchdorf jünger, haben häufiger einen Migrationshintergrund und sind sozial stärker benachteiligt. Es gibt weitaus weniger Abiturienten, fast 20 Prozent der Jugendlichen schaffen nicht einmal den Hauptschulabschluss.

Deshalb haben sich mehr als 100 Bildungs- und Beratungseinrichtungen aus Wilhelmsburg und der Veddel zur "Bildungsoffensive Elbinseln" zusammengeschlossen. In Kooperation mit der IBA, den zuständigen Fachbehörden und dem Bezirksamt Hamburg-Mitte sind in den vergangenen Jahren viele Projekte entstanden. Sie reichen von der Förderung kleinerer Initiativen bis hin zum Bau von fünf neuen Einrichtungen: dem Media Dock für die Medienbildung, dem Sprach- und Bewegungszentrum mit kombinierten Sport- und Sprachförderungsangeboten, dem Bildungszentrum Stübenhofer Weg, dem Bildungszentrum Tor zur Welt und dem Haus der Projekte, einer Bootswerft und Jugendeinrichtung. Sie alle wollen künftig eng zusammenarbeiten und so ein Lernnetzwerk für Elbinsulaner aller Altersstufen bilden.

Angestoßen wurde diese Entwicklung vom Forum Bildung Wilhelmsburg (FBW). Seit 2002 hat diese Gruppe Untersuchungen zur Leseförderung, Forschungsprojekte, den Kinderzirkus Willibald sowie die Lese-Wochen auf die Beine gestellt. "Als klar war, dass die IBA nach Wilhelmsburg kommt, haben wir uns gesagt: Die IBA braucht eine Internationale Bildungsausstellung" sagt FBW-Geschäftsführer Wilhelm Kelber-Bretz. Schließlich sei die Bildungssituation ein wichtiger Motor für die Stadtentwicklung. Das fand man auch bei der IBA, deren Geschäftsführer Uli Hellweg die Bildungsoffensive mittlerweile als sein Lieblingsprojekt bezeichnet. Inzwischen sind in den Regionen Reiherstieg, Kirchdorf und Veddel mehrere Projekte entstanden, die sich eng miteinander abstimmen. Das sind die fünf Neubauten:

Media Dock

Der schlichte Holzbau an der Neuenfelder Straße ist mit Film- und Tonstudio, einem Multimedia- und einen PC-Raum ausgerüstet, außerdem gibt es Seminar- und Übungsräume für Musik, Tanz und Theater. Das Media Dock wird von mehreren Kooperationspartnern betrieben, darunter die Grundschule Kirchdorf, das Haus der Jugend Kirchdorf, die Nelson-Mandela-Schule und Tide-Radio. Schwerpunkt des Media Docks sind Kultur- und Medienbildung: Elbinselbewohner können hier den Umgang mit verschiedenen Medien lernen. "Medienkompetenz ist wichtig, besonders für die Menschen in Wilhelmsburg, die sich nicht so gut über Sprache ausdrücken können", sagt Beatrix Nimphy, seit 2011 Center-Managerin.

Sie stellt den Belegungsplan auf, legt die Miete fest und sucht Projektpartner und Sponsoren. "Im Media Dock sind schon tolle Sachen entstanden", sagt Beatrix Nimphy. Eines der Projekte ist das schulübergreifende Schülermagazin "H20": die Redaktion aus mehr als 20 Schülern, die von 15 Schulen aus ganz Hamburg kamen, wurde bei ihrer Arbeit von einem Illustrator und einem Journalisten unterstützt. Außerdem ist hier Sitz der Redaktion Elbinsel des Hamburger Mitmach-Senders Tide, für den die Jugendlichen kleine Fernseh- und Radiobeiträge verfassen. Die weitestgehende Vernetzung hat es bisher bei der Erstellung eines Theaterstücks gegeben. An Konzept, Bühnenbild und Ausführung haben die Kita-Elb-Kinder, Grund- und Stadtteilschulen sowie verschiedene Künstler mitgewirkt.

Sprach- und Bewegungszentrum

In dem modernen Gebäude im Reiherstiegviertel werden seit Ende 2012 Sprachförderung und Spracherwerb mit Bewegungsangeboten kombiniert. Dafür stehen den Nutzern aller Altersstufen eine Zweifeld-Sporthalle, Bewegung- und Seminarräume zur Verfügung. "Auch in unseren Integrationskursen für Migranten werden Bewegungselemente eingebaut", sagt Projektleiterin Susanne Lages. Genutzt wird die Einrichtung von Schulen, dem Haus der Jugend Wilhelmsburg, dem Turn-Club Wilhelmsburg, der Bürgerinitiative ausländische Arbeitnehmer, der Stiftung Berufliche Bildung und der Volkshochschule. Da es im Foyer ein Café mit Zugang zum umliegenden Park und Platz für Veranstaltungen gibt, ist das Sprach- und Bewegungszentrum auch Treffpunkt für die Bewohner des Stadtteils.

PraxisLernen

In Kirchdorf hat sich ein Netzwerk aus Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen und Beschäftigungsträgern gebildet. Der Name PraxisLernen ist Programm: mit gemeinsamen Projekten und neuen Arbeitsansätzen soll das Lernen an praktischen Aufgaben gefördert werden. Laut Projektkoordinator Gottfried Eich soll PraxisLernen an den beteiligten Einrichtungen fester Bestandteil werden. Bislang gehören dazu mehrere Schulen, das Laurens-Janssen-Haus und der Verein Dolle Deerns. Angesiedelt ist das Projekt PraxisLernen am Bildungszentrum Stübenhofer Weg. Bislang sind Schülerfirmen entstanden, die Produkte aus Holz, Naturkosmetik, Schilder oder Bildbearbeitung anbieten. Außerdem gibt es Kooperationen wie die zwischen einer Produktionsschule und der Grundschule An der Burgweide. In der dortigen Schulküche bereiten Dritt- und Viertklässler das Frühstück für ihre Mitschüler zu, die Produktionsschüler kochen für sie das Mittagessen. "Man sieht schnell, was man gelernt hat und was man kann. Außerdem kann man seine Produkte auch außerhalb der Schule anbieten und hat dadurch Erfolgserlebnisse", so Eich.

Bildungszentrum Tor zur Welt

Unweit des Berta-Kröger-Platzes entsteht das größte Neubauprojekt der Bildungsoffensive. Schon jetzt gilt es als ein herausragendes Beispiel für die Zusammenarbeit von Schulen, Kitas, Erwachsenenbildung und Kultur. Es vereint Um- und Neubauten für drei verschiedene Schulen (Helmut-Schmidt-Gymnasium, Elbinselschule und ehemalige Sprachheilschule) mit nicht schulischen Bildungseinrichtungen. Das sind die Grundbausteine:

Westlich der Krieterstraße, die verkehrsberuhigt über den neu entstandenen "Ankerplatz" führt, liegen vier Gebäude, zwei davon mit integrierten Sporthallen: Die Elbinselschule mit einem integrierten Umweltzentrum für Schüler der Klassenstufen eins bis sechs. Das Regionale Bildungs- und Beratungszentrum, entstanden durch die Zusammenlegung der Einrichtung Rebus mit der Sprachheilschule. Das Gebäude für die Beobachtungsstufe des Helmut-Schmidt-Gymnasiums. Und schließlich das "Torhaus", in das die nicht schulischen Einrichtungen ziehen - darunter Volkshochschule, Theater am Strom, Elternschule, Mensa, Produktionsküche und Elterncafé. Alle vier Gebäude sind durch einen Flachbau verbunden, dessen Dachterrasse als Schulhof genutzt werden kann.

Östlich der Krieterstraße, auf dem Gelände des Helmut-Schmidt-Gymnasiums, befinden sich Oberstufen-, Mittelstufen- und Verwaltungsgebäude, eine weitere Sporthalle, ein umgebautes Fachraumgebäude für ein Science Center der Sekundarstufen sowie ein School & Business Center für die Berufs- und Ausbildungsorientierung. Markanter Neubau in der Mitte ist die gläserne Energiezentrale. Von hier aus wird der gesamte Neubau versorgt. Außerdem beherbergt das Gebäude im Obergeschoss eine Geowerkstatt, die einem Kleinplanetarium gleicht. "Hier bieten sich den Schulen der Region neue Perspektiven für die Unterrichtsentwicklung", sagt Projektkoordinator Jörg-Robert Schreiber. Das Pilotprojekt in Kooperation mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung hat zum Ziel, medientechnische Entwicklungen schneller in Bildung einfließen zu lassen.

Haus der Projekte - die Mügge

Die Mügge ist in erster Linie eine Bootswerft. Hier können sich Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden, handwerklich für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren. Doch in dem prägnanten Bau aus Holz und Stahl auf der Veddel steckt noch viel mehr. Es ist gleichzeitig ein Haus der Jugend, eine Bildungs-, Freizeit- und Beratungseinrichtung und eine Ausbildungsstätte: Den Jugendlichen stehen Musikproberäume, eine Filmwerkstatt und ein Fitnessraum zur Verfügung. Auch Schülern steht die Mügge offen: In Kooperation mit der Stadtteilschule Wilhelmsburg etwa entstand das Profil "Lernen am Wasser". Es umfasst vier Arbeitsbereiche: Boot (Bau einer norwegischen Fjordjolle), Trecker (Restaurierung eines alten Porsche-Traktors), Medienkompetenz (Dokumentation der Arbeitsfortschritte) und Wassersport (segeln und paddeln lernen).

Initiator des Projekts ist Jürgen Hensen vom Verein "Get the Kick". Er hatte 2006 die Idee, auf der Nordseite des Zollhafens eine Werft zu bauen. Umsetzen konnte Hensen seine Vision letztendlich, weil die Internationale Bauausstellung Interesse daran zeigte und er dadurch auch Unterstützung von Bezirk und Stadtentwicklungsbehörde bekam. "Ein Glücksfall", sagt Hensen. Er sei "mit der richtigen Idee zur richtigen Zeit am richtigen Ort" gewesen.