IBA und igs sollen hunderttausende Touristen nach Wilhelmsburg bringen. Nun werden auch die Stadtkarten geändert

Wilhelmsburg . Die erwarteten zweieinhalb Millionen Besucher der Internationalen Gartenschau (igs) in diesem Jahr in Wilhelmsburg (26. April bis 13. Oktober) dürften den Hotels, Restaurants und dem Einzelhandel in Hamburg einen zusätzlichen Umsatz im hohen zweistelligen Millionenbereich bescheren. Davon geht die Hamburg Tourismus GmbH aus. Die Gartenschau, die erste seit 40 Jahren in der Hansestadt, gilt für die Tourismus-Vermarktung Hamburgs als das zentrale Thema des Jahres. "Neben den Musicals ist die igs der touristische Höhepunkt in diesem Jahr", sagt Sascha Albertsen von der Gesellschaft Hamburg Tourismus.

Bisher galt der Hamburger Süden mit Europas größter bewohnter Flussinsel bestenfalls als Ausflugsziel für einige wenige Entdecker auf der Suche nach dem Hamburg, das noch keiner kennt - aber nicht als touristisches Reiseziel. Mit den beiden Großereignissen in Wilhelmsburg, der Internationalen Gartenschau und dem Präsentationsjahr der Internationalen Bauausstellung (IBA), werde sich das laut Hamburgs Tourismus-Gesellschaft ändern. Die Flussinsel bietet jetzt erstmals ein touristisches Potenzial, um auch Reisende aus Berlin, Köln, Kopenhagen oder London aus den City-Hotels zum "Sprung über die Elbe" zu bewegen. So ist es kein Wunder, dass Hamburg Tourismus in die Vermarktung der Internationalen Gartenschau eingestiegen ist.

Ausdruck dieses neuen Potenzials, das Hamburgs Tourismus-Experten dem Süden der Stadt zubilligen, ist der Stadtplan, der in den Tourist-Informationen und in Hotels ausliegt. Die Front des Faltplans zeigt Werbung für die Gartenschau - und rückt damit den Fokus auf den bisher touristisch unbedeutenden Stadtteil Wilhelmburg. Erstmals enthält der Stadtplan auch eine Zusatzkarte zur groben Orientierung in Wilhelmsburg, die bis zur Harburger Schlossinsel reicht. Bisher war Hamburgs Süden auf den Stadtplänen für Touristen schlicht und einfach nicht existent. Der unsichtbare Süden wurde sogar zum Politikum, weil Politiker aus Harburg und Wilhelmsburg das nicht länger hinnehmen wollten.

Dank der Internationalen Gartenschau hat es Wilhelmsburg nun auch als Reiseziel in den Gruppenreise-Katalog der Hamburg-Tourismus geschafft. Die Gartenschau-Hamburg-Reise mit zwei Übernachtungen, Eintrittskarte und Alsterrundfahrt kostet ab 116 Euro pro Person im Doppelzimmer.

Aus dem Ausland erwartet Hamburg Tourismus vor allem Gäste aus Skandinavien bei der Internationalen Gartenschau in Wilhelmburg. Schon lange ist Hamburg ein beliebtes Reiseziel der Dänen, Schweden und Norweger. 250 000 Dänen haben im vergangenen Jahr die Hansestadt besucht - das bedeutete eine Steigerung von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Touristen aus Skandinavien kennen Hamburg sehr gut. Sie seien gierig nach neuen Geschichten aus der Stadt, sagt Sascha Albertsen. Die Gartenschau sei so eine.

Die neuen Erlebnisareale in Wilhelmsburg, der 100 Hektar große Gartenschau-Park und die neuen ungewöhnlichen architektonischen Bauformen, böten neue Erlebnisse in Hamburg, auf die Touristen nur warteten. "In diese Strategie passt es, auf den Süden der Stadt hinzuweisen", sagt Albertsen. Die Gartenschau eröffne Hamburgs Tourismus-Vermarktern die Chance, Touristen den Tipp zu geben, mal Kanu in Wilhelmsburg zu fahren.

Die rauen Areale in dem multikulturellen Arbeiterviertel seien für bestimmte Zielgruppen besonders attraktiv. Studenten etwa, die bewusst nicht das typische Touristen-Programm in Hamburg absolvieren wollen: Kaffee in der Fährstraße statt auf dem Jungfernstieg, Insel-Lichtspiele statt Dämmertörn auf der Alster, Tanz in der "Tonne" statt auf der Reeperbahn. Erlebnishungrige junge Menschen seien auf der Suche nach Szene-Tipps jenseits der Reiseführer. "Sie wollen eigene Pfade gehen auf der Suche nach dem Puren", beschreibt Sascha Albertsen den jungen Wilhelmsburg-Entdecker.

111 Millionen Tagesgäste besuchen Hamburg im Jahr. Nach Berechnungen des Deutschen wirtschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr gibt jeder Tagesgast durchschnittlich 40 Euro aus. Profitiert der Stadtteil Wilhelmsburg von den Tagesgästen der Gartenschau?

Elbinselbewohner haben in dem Bürgerbeteiligungsgremium der igs und IBA mehrfach bemängelt, dass die Tageseintrittskarte nach dem Verlassen des Gartenschaugeländes ihre Gültigkeit verliere. Besucher haben damit nicht die Möglichkeit, Pause im Stadtteil zu machen. Sie befürchten, Cafés und Restaurants im Stadtteil könnten deshalb vom den Ansturm der Tagesgäste nicht profitieren.

Kein Geschäftsinhaber in Wilhelmsburg dürfe erwarten, so Sascha Albertsen, dass er mit dem einen Jahr Gartenschau seine Umsatzzahlen dramatisch steigern könne. Die Gartenschau verhelfe Wilhelmsburg aber zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit. "Der eine oder andere Hamburger mehr als heute wird die Veränderung in dem Stadtteil wahrnehmen", sagt Albertsen.

Die Gesellschaft Hamburg Tourismus hat die Aufgabe, die Stadt außerhalb der Stadt als Reiseziel zu vermarkten. Normalerweise bleibt da neben den Musicals, Hamburg Dungeon, historischer Hurentour oder Hagenbecks Tierpark kein Raum für Hinweise auf kleine Kulturanbieter in den Stadtteilen. Sascha Albertsen schließt aber nicht aus, dass zumindest im Gartenschau-Jahr Besonderheiten wie das Musikspektakel "48 Stunden Wilhelmsburg" mit seinen Konzerten an ungewöhnlichen Orten oder das Programm in dem nur für einem Sommer wiedereröffneten Rialto Kino für die Touristen-Vermarktung interessant sein könnten. "Wir sind bemüht, Insider-Tipps zu geben", sagt er. Hamburg Tourismus bediene dazu Kanäle in den Social Media.