Egal ob Homos oder Heteros. CDU-Spitze in Berlin stellt sich gegen Gleichstellung. Justizsenatorin Jana Schiedek will Ehe für alle.

Hamburg/Berlin. In der Sprache der Diplomatie, die in unseren sensiblen Zeiten längst auch die Innenpolitik erreicht hat, gibt es so böse Dinge wie Ärger, Streit oder auch nur Meinungsverschiedenheiten gar nicht mehr. Es gibt, wenn überhaupt, nur noch "intensive" Gespräche. Und so berichtete der Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe, am Montag nach der Sitzung des Parteipräsidiums, man habe sich "intensiv mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts" beschäftigt, anschließend "noch einmal intensiv bekräftigt", dass der Beschluss des letzten Parteitages gelte, der ja "durchaus nach intensiver und respektvoller Diskussion" getroffen werden soll. Dreimal "intensiv" im ersten Satz. Der Eindruck entstand: Die CDU ist in Debatte um Homo-Ehe und Homo-Adoption eine Partei auf der Intensivstation.

Dabei soll die Debatte mit der Präsidiumssitzung eigentlich zu Ende sein: Die CDU kippt bei der Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften mit der Ehe nun doch nicht. Vielmehr bleibt sie bei ihre Beschlusslage: keine steuerliche Gleichstellung, also kein Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften. Kein Adoptionsrecht. Lediglich die "Sukzessivadoption" will man rechtlich ermöglichen. Dann darf ein Lebenspartner das Kind des anderen ebenfalls adoptieren. Dies hatte das Verfassungsgericht vor zwei Wochen in einem Urteil dem Gesetzgeber konkret aufgegeben.

Vor allem Ruhe suchen CDU und die Parteispitze um Kanzlerin Angela Merkel in dieser Debatte - nach den internen Streitigkeiten, dem Zwist mit der CSU und dem drängelnden Koalitionspartner FDP, der eine Gleichstellung unbedingt will.

Und nun wächst der Druck auf die CDU aus den Bundesländern. Vor allem aus Hamburg. Gemeinsam mit Rheinland-Pfalz plant die Hansestadt eine Bundesratsinitiative zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. "Wir wollen eine vollständige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare. Sie treten genauso füreinander ein wie Eheleute", sagte Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) dem Hamburger Abendblatt. "Mit einer Öffnung der Ehe beseitigen wir alle bestehenden Diskriminierungen auf einen Schlag." Der Gesetzentwurf soll nach Angaben des Familienministeriums in Mainz voraussichtlich am 22. März in den Bundesrat eingebracht werden. Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, "was eine konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt", heißt es in dem Gesetzentwurf, der dem Abendblatt vorliegt.

Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der damit verbundenen Änderung des Eheverständnisses gebe es keine haltbaren Gründe homo- und heterosexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten. Schiedek beklagt zudem, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft noch immer gegenüber der Ehe benachteiligt sei. Dies betreffe in erster Linie das Sorgerecht, das Unterhaltsrecht und das Adoptionsrecht. "Wir versprechen uns von der Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare auch, dass wir damit das Kindeswohl stärken", erklärte die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt (Grüne). Die Chancen für eine Mehrheit im Bundesrat stehen gut. Denn seit dem rot-grünen Wahlsieg in Niedersachsen haben SPD und Grüne eine Mehrheit in der Länderkammer.

In Deutschland gab es 2011 etwa 67.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Ihre Zahl ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit 1996 um rund 29.000 gestiegen. 40 Prozent der gleichgeschlechtlichen Paare lebten in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ("Homo-Ehe"). Ihre Quote hat sich seit 2006 (19 Prozent) ungefähr verdoppelt. In den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften lebten ganz überwiegend keine Kinder. Nur etwa 7000 Kinder, davon 6000 unter 18 Jahren, wohnten bei Elternteilen gleichen Geschlechts - laut Statistik fast nur bei Frauenpaaren. Die Zahlen beruhen auf dem Mikrozensus 2011.

Im Streit über die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften hatten sich am Wochenende die Fronten in der Union verhärtet. Hartnäckig hält sich nicht nur bei den marginalisierten Konservativen der Verdacht, dass die Führung ein Überrumpelungsmanöver plante: Der "Energiewende" sollte demnach eine "Ehe-Wende" folgen. Belege dafür fanden die Kritiker viele: Finanzminister Wolfgang Schäuble plädierte für eine steuerliche Gleichstellung. Auch drei der fünf Stellvertreter Merkels sind eher dafür, nur zwei sind skeptisch. Die drei CDU-Vizes, Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, der baden-württembergische Landeschef Thomas Strobl wie auch die Landesvorsitzende von Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, hatten sich für ein Abweichen von der auf dem Parteitag beschlossenen Linie ausgesprochen.

Dagegen hielt Unionsfraktionschef Volker Kauder: Mit der Union werde es "keine totale Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft geben". Auch CSU-Chef Horst Seehofer schloss hierzu ein Gesetz in dieser Wahlperiode aus.

Die konservative Parteibasis der CDU treibt das Thema um. Und doch: Große Proteste sind bislang ausgeblieben. In der niedersächsischen CDU gibt es zwar Unruhe, aber keine übermäßige Empörung oder gar Austrittsandrohungen von Parteimitgliedern. "Die Debatte wird in der Partei von vielen Mitgliedern geführt, ist aber nur eine von vielen thematischen Diskussionen", sagte CDU-Landeschef David McAllister.

Und die Parteizentrale der CDU gab am Montag bekannt, dass zum Thema "Homo-Ehe" lediglich 200 Mails eingegangen seien - bei Christian Wulffs Äußerungen zum Islam, der zu Deutschland gehöre, seien es 2000 gewesen.