Chinesischer Solarmodulhersteller Linuo sucht Standort für Fotovoltaiksparte. Produkte sind bereits vom deutschen TÜV zertifiziert.

Hamburg. Sie haben lange überlegt. Im vergangenen Jahr, als Dirk Fricke mit Mitarbeitern seines Außendienstes in einem Frankfurter Büro saß. Von dort aus suchte er den passenden Standort für die neue Europazentrale der Fotovoltaiksparte des chinesischen Konzerns Linuo. "Wir haben viele Alternativen geprüft", sagt Fricke. Die Wahl fiel auf Hamburg. Derzeit sitzt der Manager mit einer Halbtagssekretärin in einem Mietbüro und sucht nach einem festen Standort für die Hamburger Zentrale des Konzerns, der umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro umsetzt. Das Unternehmen gehört mit seinen weltweit 13.000 Mitarbeitern zu den Schwergewichten der eigentümergeführten chinesischen Privatfirmen.

"Die Standortbedingungen in Hamburg sind gut. In der Stadt sind bereits rund 440 chinesische Firmen aktiv. Wir haben deshalb Hamburg als Standort gewählt, weil wir von der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) intensiv betreut wurden", sagt Fricke.

Für die Stadt spreche auch die Hafenanbindung und die Tatsache, dass bereits Hunderte Firmen aus dem Bereich erneuerbare Energien in der Metropole ansässig sind. Fricke will noch einen oder zwei Mitarbeiter einstellen. Das entspricht den Gepflogenheiten der chinesischen Unternehmen, die in der Regel erst einmal mit kleinen Niederlassungen nach Hamburg kommen. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber die meisten Firmen aus China beschäftigen in Hamburg nur zehn bis 50 Mitarbeiter. Eine Ausnahme bilden die Reedereien. China Shipping beschäftigt rund 100 Mitarbeiter in der Stadt, bei Cosco sind es etwas mehr als 100 Beschäftigte. Insgesamt leben in der Metropolregion mehr als 10.000 Menschen chinesischer Abstammung.

Hamburg ist traditionell die erste Anlaufadresse in Europa für Investoren aus dem Reich der Mitte. Schon seit Jahrhunderten gibt es einen regen Handelsverkehr zwischen China und der Hansestadt. Inzwischen werden mehr als die Hälfte des deutschen Außenhandels mit der Volksrepublik China über den Hamburger Hafen abgewickelt.

"Die Ansiedlung der Linuo Group ist für Hamburg in doppelter Hinsicht ein großer Erfolg. Mit der Europazentrale hat sich erneut ein globales Unternehmen der erneuerbaren Energien in Hamburg niedergelassen und es handelt sich um ein Unternehmen aus Nordchina", sagt Jutta Ludwig, Geschäftsführerin der HWF. "Innerhalb Chinas ist der Norden eine wirtschaftlich besonders chancenreiche Region und die HWF hat ihre Akquisitionsaktivitäten hier gezielt verstärkt."

Bislang wurde das Europa-Geschäft des Konzerns von Nordchina aus gelenkt. Linuo Photovoltaik ist der älteste Solarmodul-Produzent in China sowie der erste vom deutschen TÜV zertifizierte chinesische Hersteller. Das Unternehmen ist in mehr als 20 Ländern aktiv. Auch in Deutschland ist Linuo Photovoltaik bereits seit längerer Zeit auf dem Markt. Die in China und den USA produzierten Anlagen werden entweder unter dem Namen Linuo gehandelt oder für den Großhandel produziert, der die Anlagen dann unter einem eigenen Namen verkauft. "Für dieses Jahr peilen wir in Deutschland einen Umsatz von 40 Millionen Euro an", so Europachef Fricke. Er ist zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen, auch weil die chinesischen Module rund 30 Prozent günstiger sind als die deutschen Konkurrenzprodukte und eine Garantie über die gesamte Laufzeit haben.

Der Linuo-Gründer Yuankun Gao hat bereits seit rund 20 Jahren Kontakte nach Deutschland. Neben der Fotovoltaik betreibt sein Unternehmen weitere Firmen in den Bereichen Chemie, Pharmazie und Glas. So sei die Medizin- und Naturheilkundesparte von Linuo der größte Lieferant von Coca-Cola für Konservierungsstoffe. Seit Jahren betreibt das Unternehmen auch Joint Ventures mit deutschen Firmen. So arbeitet Linuo seit 2001 unter anderem mit dem Schokoladenproduzenten Alfred R. Ritter im Bereich Solarthermie zusammen. Zudem gibt es eine Kooperation mit Schott. "Im Bereich Röhrenglas für die Solaranlagen sind wir weltweit nach Schott die Nummer zwei. Wir müssen technologisch weiterkommen", sagt Fricke, der bereits seit den 1990er-Jahren für verschiedene Unternehmen auf dem chinesischen Markt unterwegs war. Neben den Gemeinschaftsunternehmen betreibe Linuo stabile Partnerschaften mit Hochschulen unter anderem in China und in den USA.

Den Vorwurf, Linuo würde mit der Zusammenarbeit mit westlichen Partnern Know-how kopieren, weist Fricke zurück. "Kopieren ist das vollkommen falsche Wort, wenn Partner unterschiedlicher Größe dauerhaft zusammenfinden. Das Erfolgsmodell von Porsche und Volkswagen ist eine gute Analogie, es zeigt, wie eine herausragende aber kleine Ideenschmiede nachhaltig die eigene Zukunft sichern kann."

Die neue Europazentrale ist zwar hauptsächlich für die Sparte Fotovoltaik errichtet worden, aber Fricke ist auch für mögliche Übernahmen oder die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen in anderen Linuo-Bereichen zuständig. "Im Bereich Glas streben wir Zukäufe an", sagt er. In der Fotovoltaik hat er derzeit keine Übernahmepläne. Linuo könne den Markt aus eigener Kraft abdecken.

Wenn Fricke den richtigen Standort in Hamburg gefunden hat, will er weiterhin eng mit der Hamburgischen Wirtschaftsförderung HWF zusammenarbeiten und bei der Anwerbung von Unternehmen aus dem Land behilflich sein. "Wir sind dabei, unsere China-Strategie zu erweitern und unsere Ansiedlungsaktivitäten auf chinesische Regionen auszudehnen, die bislang nicht im Fokus standen. Das gilt insbesondere für Nordchina", sagt HWF-Chefin Jutta Ludwig. Die Frau weiß, worüber sie spricht. Vor ihrem Job in Hamburg war sie sieben Jahre lang bei der deutsch-chinesischen Handelskammer in China tätig.