Die Großfamilie nimmt fünf Gäste zum Kirchentag auf. Doch noch immer fehlen 7500 Betten. Kritik an der Organisation wird laut.

Hoheluft-Ost. Wo sechs Platz haben, passen auch elf rein. "Wir rücken eben ein bisschen zusammen", sagt Frauke Scheunemann und lacht. Nachdem sie vor ein paar Wochen im Abendblatt gelesen hatte, dass für den Kirchentag noch dringend Privatquartiere gesucht werden, meldete die Hamburgerin sich spontan. "Ich habe aber gleich gesagt, dass es bei uns für ältere Menschen vielleicht nicht ganz das Richtige ist", sagt die Mutter von vier Kindern. "Hier geht es manchmal ziemlich hoch her." Und wie bestellt flitzt Henri durch die Tür, verfolgt von seinen drei großen Schwestern.

Die Scheunemanns, das sind Kira, 11, Tessa, 9, Greta, 5, Henri, 3, die Eltern Frauke und Bernd. Ach ja, Elmo gehört natürlich auch dazu: der Familienhund. "Ich war als Jugendliche zweimal auf dem Kirchentag und verbinde damit sehr gute Erinnerungen", sagt die 43-Jährige. Inzwischen lebt die Familie in Sichtweite von St. Markus in Hoheluft - in einem Pfarrhaus aus der Gründerzeit zur Miete. "Das verpflichtet ja auch ein bisschen", sagt die promovierte Juristin, die als Autorin arbeitet und erfolgreich Liebesromane schreibt. Zwei Zimmer wollen die Scheunemanns in den ersten fünf Maitagen für Kirchentagsbesucher räumen. Eine Familie könnte da unterkommen, "gern mit kleinen Kindern".

Noch sind Bettenspender wie die Scheunemanns allerdings eher rar in der Millionenstadt Hamburg. Seit die Privatquartiersuche unter dem Motto "Koje frei" Ende November startete, wurden gerade mal gut 4500 freie Betten gemeldet - 12.000 werden gebraucht. Bei den beiden letzten Kirchentagen 2009 in Bremen und 2011 in Dresden waren es nach vergleichsweise langer Suche schon deutlich mehr. "Der Start war schwierig, aber jetzt melden sich laufend Bettenspender", gibt sich Torsten Flader optimistisch. Er ist in der Kirchentagsgeschäftsstelle für die Kampagne verantwortlich. Im Wochentakt gibt es öffentlichkeitswirksame Termine, prominente Hamburger rühren die Werbetrommel. "Steter Tropfen höhlt den Stein", sagt Flader.

Doch es gibt auch ernst zu nehmende Kritik an den Kirchentagsmachern, etwa vom Zukunfts- und Gesellschaftsforscher Professor Horst W. Opaschowski. Während sein Schwiegersohn, der TV-Moderator Jörg Pilawa, öffentlich für die Kojen-Kampagne geworben hat, sagt der Wissenschaftler: "Die verhältnismäßig geringe Zahl der Privatquartiere lässt auf gravierende Planungs- und Organisationsmängel schließen. An der Gastfreundschaft der weltoffenen Hamburger liegt es jedenfalls nicht." Den Veranstaltern sei es angesichts fehlender Transparenz und Kommunikation noch nicht gelungen, die Hanseaten für solches Bürgerengagement zu begeistern. Viele Hamburger, sagt Opaschowski, haben die zentrale Koordinierungsstelle unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Scholz und mit dem Segen von Bischöfin Fehrs noch nicht wahrgenommen. Da engagiert sich aus seiner Sicht auch die Hamburg Tourismus GmbH zu wenig. Tatsächlich wird es langsam eng. Ende März sollen eigentlich alle, die eine Unterkunft brauchen, benachrichtigt sein. Nach Berechnungen von Privatquartiermanager Flader würde es bei dem aktuellen Rücklauf aber bis zum Beginn des Kirchentags dauern, genügend Quartiere zusammenzubekommen.

Dass es inzwischen besser läuft, hat auch mit Leuten wie Christiane A. Hoffmann zu tun. Hauptberuflich ist die Werbefachfrau bei der Agentur Wangenrot beschäftigt, in ihrer Freizeit trommelt die Kirchenvorsteherin als Privatquartiersbeauftragte der Hauptkirche St. Nikolai für die Bettenkampagne. "Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen ist kein Problem", sagt Hoffmann, die auch mit einem Stand auf dem Isemarkt für Betten warb. Schwierig werde es, weil der Kirchentag in die Ferien falle und viele Hamburger verreist seien. "Die Resonanz ist es sehr verhalten, wenn es darum geht, den Wohnungsschlüssel weiterzugeben."

Grit Tubach aus Schnelsen hat auch länger überlegt, bis sie zum Telefonhörer griff und sich als Gastgeberin meldete. "Erst haben mein Mann und ich gedacht, Gäste bringen doch nur Unruhe ins Haus. Und man weiß ja auch nicht, wer da kommt", sagt die 74-Jährige, die selbst gar nicht in der Kirche ist. Nachdem sie dann hörte, dass alle Besucher registriert werden, war der Entschluss gefasst. "Man tut ja auch ein gutes Werk." Die Tubachs stellen eine kleine Einliegerwohnung, die im Moment leer ist, zur Verfügung.

Es gibt auch einige ungewöhnliche Gästequartiere, etwa auf einem Hausboot im Geesthachter Hafen. Und auf dem Kinderbauernhof Kirchdorf weckt der Hofhahn die Kirchentagsbesucher wahrscheinlich zu früher Stunde. Betriebsleiter Gerd Horn hat kurzerhand das selbst gebaute Baumhaus als Unterkunft angeboten. "Es gibt drei Schlafplätze, Tisch und Pumpsklo", sagt er. "Das ist was für junge Leute, auch wenn es ein bisschen weiter draußen ist."

Die Scheunemanns sind längst gespannt, welche Gäste im Mai kommen werden. "Ich fände es cool, wenn ein Mädchen in meinem Alter dabei wäre", sagt Kira. Dafür würde sie auch ihr Zimmer räumen - oder teilen.. "Ich verstehe gar nicht, warum das nicht mehr Hamburger tun", sagt Bernd Scheunemann. Er betreibt eine Agentur und Medienproduktion und kann die Sorgen der Kirchentagsmacher verstehen. Vor 13 Jahren war er maßgeblich an der Organisation des Katholikentags in Berlin beteiligt - und hat auch Betten gesucht. "Damals kamen die meisten Gastgeber ganz zum Schluss." Das könnte auch in Hamburg passieren.