Atombombentest soll Nordkoreas jungem Diktator das politische Überleben sichern

Nordkoreas junger Diktator Kim Jong-un wird von den Medien des Landes gern bejubelt als ein weiterer Führer, den der Himmel geschickt hat. Der Himmel ist indes kaum verantwortlich zu machen für das Elend dieses Landes, in dem immer wieder Hunderttausende verhungern, während weitere Hunderttausende in Straflagern vegetieren, die mit der mörderischen Unmenschlichkeit von NS-Konzentrationslagern betrieben werden. Die staatliche Nachrichtenagentur schrieb dazu in kaum zu übertreffendem Zynismus: "Es gibt keine ,Menschenrechtsfragen' in diesem Land, da hier jeder das würdigste und glücklichste Leben führt."

Die einzige kommunistische Erbdynastie der Geschichte ist die Spitze einer hauchdünnen Elite, die sich auf einen monströs aufgeblähten Sicherheitsapparat aus Militär und Geheimdienst stützt. Die Wirtschaft Nordkoreas ist nahezu nichtexistent. Das Regime weiß sehr wohl um die prekäre Lage des Landes. Der nunmehr dritte Atomtest nach 2006 und 2009 soll dreierlei bewirken: Er soll zunächst nach innen wirken, indem er den 24 Millionen Nordkoreanern vorgaukeln soll, dass ihr Land technologisch und militärisch zur Weltspitze gehört, was Verdienst seiner genialen Führung sei. Auf keinen Fall sollen die geschundenen Bürger begreifen, dass ihr Land das Armenhaus Asiens ist und der Abstand zum reichen Südkorea gigantisch. Denn falls die Nordkoreaner ungeachtet aller Abschottungen eines Tages ihre tatsächliche Stellung in der Welt begreifen sollten, könnte eine blutige Revolution ausbrechen. Das feudalistische gesellschaftliche System mit der Einteilung in drei Klassen (loyale, neutrale und feindselige Elemente) und 51 Unterklassen dürfte wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, falls die Legitimation der als gottähnlich installierten Kim-Clique einmal flächendeckend erschüttert ist.

Es überrascht nicht, dass von Kim Jong-un, dessen politische Statur aufgrund seiner Jugend zunächst wenig eindrucksvoll daherkommt, berichtet wird, er habe sich in einer blutigen Säuberung blitzartig seiner Kritiker unter den Generälen entledigt. Der Jung-Diktator hat zunächst sein eigenes Überleben sichergestellt und sucht nun das Überleben des gesamten maroden Systems zu gewährleisten. Im Grunde pfeift das Kim-Regime aus dem letzten Loch, doch der eiserne Griff um das ahnungslose Volk verhindert derzeit noch den Zusammenbruch.

Ferner soll der Atomtest nach außen wirken, um vor allem die USA und ihre westlichen Verbündeten davon abzuschrecken, einen Regimewechsel in Pjöngjang erzwingen zu wollen. Die Despoten der Welt haben aus dem Schicksal ihrer Kollegen im Irak oder in Libyen eines gelernt: Die Bombe macht unangreifbar. Dies zählt auch zu den Triebkräften hinter dem iranischen Atomprogramm.

Drittens verschafft sich Nordkorea mit den in der Intensität bedrohlich ansteigenden Tests eine Handhabe zur Erpressung der Staatengemeinschaft. Die unmissverständliche Botschaft lautet: Helft uns mit Energie und Nahrungsmitteln, sonst können wir für nichts mehr garantieren.

Der Westen hat kaum wirksame Möglichkeiten, dem nuklearen Irrsinn in Nordkorea entgegenzuwirken. Proteste und Uno-Resolutionen verhallen wirkungslos. Weitere Sanktionen sind angesichts der Not in Nordkorea sinnlos, und militärische Optionen verbieten sich wegen der Gefahr einer apokalyptischen Eskalation.

Wenn es einen Akteur gibt, der zumindest begrenzten Einfluss auf die Kim-Despotie besitzt, dann ist es China. Der Volksrepublik ist das atomare Zündeln an ihrer Grenze überhaupt nicht recht. Ein regionaler Konflikt mit allen Gefahren einer dramatischen Eskalation könnte Chinas dringend benötigtes Wachstum abwürgen. Doch auch wirtschaftlicher Druck aus Peking würde allenfalls in sparsamer Dosierung funktionieren. Ansonsten würde Pjöngjang dies benutzen, um die Reihen noch fester zu schließen.