Infektionswelle erreicht den Norden. Zehn Patienten liegen auf Intensivstationen. H1N1 aggressiver als andere Influenza-Viren.

Hamburg. Die Grippewelle hat jetzt auch Hamburg erreicht - und sie ist womöglich stärker als im Vorjahr. Im Januar wurden der Gesundheitsbehörde bereits 171 Influenza-Fälle gemeldet; im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur vier gewesen. Am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) liegen derzeit fünf Grippepatienten zwischen 30 und 60 Jahren mit schwerer Lungenentzündung auf der Intensivstation. Alle sind an dem Erreger H1N1 erkrankt, der die sogenannte Schweinegrippe verursacht und als etwas aggressiver gilt als andere Influenza-Viren.

"Wir haben in diesem Jahr deutlich mehr schwere Verläufe als in den vergangenen beiden Jahren", sagt Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am UKE. "Die Situation ist noch nicht besorgniserregend, aber wir beobachten sie sehr aufmerksam."

Unter den 171 in Hamburg gemeldeten Grippeerkrankungen sind 79 H1N1-Fälle. Auch am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg behandeln die Ärzte derzeit drei Patienten mit Schweinegrippe auf der Intensivstation. An der Asklepios Klinik St. Georg wurden in den vergangenen Tagen vier mit H1N1 infizierte Patienten auf der Intensivstation betreut, zwei von ihnen seien inzwischen außer Lebensgefahr und auf eine normale Station verlegt worden. Bei Asklepios teilen die Ärzte die Einschätzung des UKE nicht: "Bisher hält sich die Zahl der bei uns behandelten schweren Erkrankungen in Grenzen", sagt Sprecher Mathias Eberenz.

Tatsächlich ist unklar, ob die Lage Grund zur Sorge gibt. Im vergangenen Jahr verlief die Grippewelle in Hamburg deutlich schwächer, 2011 dagegen im Januar erheblich stärker als in diesem Jahr: Damals wurden 516 Influenza-Fälle gemeldet, davon 288 Schweinegrippe-Fälle. So viele schwere Krankheitsverläufe wie derzeit allerdings verzeichnete zumindest das UKE in jenem Jahr nicht.

Durch Grippe ausgelöste Lungenentzündungen gebe es in jedem Jahr, sagt UKE-Arzt Kluge, sie seien aber prinzipiell selten. Die meisten Erkrankten, auch jene mit dem Schweinegrippe-Erreger, litten an typischen Beschwerden wie Kopf- und Gliederschmerzen, hohem Fieber und trockenem Husten. Warum es bei einigen Menschen - jungen ebenso wie alten - zu schweren Verläufen komme, sei bisher unklar; womöglich sei dies unter anderem genetisch bedingt.

Die Tatsache, dass derzeit am UKE mehr Grippefälle mit schweren Verläufen behandelt werden als in den Vorjahren, solle niedergelassene Ärzte dafür sensibilisieren, bei unklaren Lungenentzündungen genauer hinzuschauen, sagt Stefan Kluge. Denn normalerweise würden Mediziner eher Bakterien als Grippeviren verdächtigen, die Ursache einer Lungenentzündung zu sein. Wenn die Erkrankung durch ein Influenza-Virus verursacht wird, könnten Patienten in den ersten zwei Tagen mit dem Medikament Tamiflu behandelt werden.

Eine Impfung gegen Grippe sei auch jetzt noch sinnvoll, so Kluge. "Es ist gut möglich, dass der Höhepunkt der Grippewelle in Hamburg noch kommt." Die Impfung wirkt auch gegen H1N1.