Siemens-Projekt kann Hamburg zum Schaufenster der Energiewende machen

Gute Entscheidungen brauchen manchmal länger, um ihre positive Wirkung zu entfalten. Als der Siemens-Konzern im Herbst 2011 beschloss, seine Windenergieaktivitäten künftig in Hamburg zu konzentrieren, war sicherlich nicht allen Managern klar, welche Chance sich ihnen eröffnen würde: Damals ging es darum, Planung und Projektierung neuer Windparks draußen auf See, von Hamburger Büros aus zu steuern. Doch die Branche hat sich inzwischen weiterentwickelt - nicht nur positiv. Erste Erfahrungen mit Problemen bei den neuen Offshore-Anlagen, Verzögerungen beim Netzausbau, die Notwendigkeit, Windstrom zwischenspeichern und verzögert weitergeben zu können, all diese Themen werfen Fragen auf, die von der Industrie beantwortet werden müssen. Siemens bekommt in der europäischen Hauptstadt für Windenergie dazu die Möglichkeit.

Hier gibt es dafür Raum, hier entsteht ein europaweit, wenn nicht gar weltweit einmaliges Netzwerk der Windkraftbranche, und hier wird der Fachkräftenachwuchs gefördert. Das Unternehmen kann Hamburg zu seinem Schaufenster für die Energiewende machen. Es muss nur zugreifen.

Mehr als 1000 zusätzliche Jobs will das Unternehmen hier schaffen. Das ist eine gute Nachricht für den Industriestandort Hamburg, der in Gefahr geriet abzurutschen. Beispiel Energieversorgung: Von vier Atomkraftwerken in der Umgebung, welche die Energieversorgung der Hansestadt über viele Jahre sicherten, sind drei weg, die Tage des vierten gezählt. Die sichere Stromversorgung, das Pfund, mit dem der Standort in der Vergangenheit wuchern konnte, wurde quasi über Nacht zu einem essenziellen Problem. Beispiel Arbeitsplätze: Die erneute Abkühlung der Weltkonjunktur, nachdem die tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 gerade erst überwunden schien, hat auch bei den rund 600 Industrieunternehmen in der Hansestadt ihre Bremsspuren hinterlassen. Lufthansa Technik hat gerade erst angekündigt, 400 Stellen in Hamburg streichen zu müssen. Beispiel Schifffahrtskrise: Der Industrie-Dienstleister Germanischer Lloyd verliert seine Eigenständigkeit und wird künftig von Norwegen aus gesteuert. Werften gingen pleite, und Schifffahrtslinien versuchen die schweren Zeiten durch Zusammenschlüsse zu überstehen. Da eröffnet ein Industriefeld, das Wachstum verspricht, neue Möglichkeiten. Dabei setzen Millionen-Investitionen eines Konzerns von Weltrang ein wichtiges Signal.

Der Hamburger Politik - auch früheren Senaten - ist es zu danken, dass sie weitsichtig früh auf die Förderung der Windenergie gesetzt hat. Wie schon bei der Entwicklung des Luftfahrtclusters hat sie den richtigen Riecher für eine neue Wachstumsbranche bewiesen und diese finanziell gefördert. Hier darf die Stadt nicht nachlassen. Dem SPD-Senat eröffnet sich nämlich die Chance, die Dauerdiskussion über den Baustopp der Elbvertiefung zurückzustellen und endlich mit guten industriepolitischen Nachrichten zu punkten. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) betont allenthalben, wie wichtig ihm die "Innovation" ist, um die er den Namen seiner Behörde erweitert hat. Was aber wäre innovativer als eine Demonstrationsanlage zur Speicherung von Windstrom? Deshalb muss die Behörde, die die Federführung übernommen hat, das Siemens-Projekt zu einem Erfolg führen.

Sollte der Konzern seine Ideen für Hamburg umsetzen, würde nicht nur die Industrie davon profitieren, sondern die ganze Stadt. Hamburg braucht den Mut, seine neue Erfolgsbranche wie schon die Luftfahrt mit dem Airbus-Werk im Stadtbild sichtbar zu platzieren. Ein Standort in der HafenCity wäre dazu angemessen.