Lufthansa-Technik-Chef Henningsen über unterschiedliche Arbeitskosten, den Abbau von 650 Stellen und die Zukunft des Werks am Flughafen.

Hamburg. Seit knapp einem Jahr steht fest, dass es bei Lufthansa Technik zu einem Stellenabbau kommen wird. Jetzt nennt der Vorstandsvorsitzende August Wilhelm Henningsen erstmals Einzelheiten. Im Abendblatt-Interview spricht er auch über die Rolle, die der Stammsitz Hamburg künftig in der Gruppe, die weltweit mittlerweile 26.000 Beschäftigte hat, spielen wird.

Hamburger Abendblatt: Wie ist die wirtschaftliche Lage von Lufthansa Technik?

August Wilhelm Henningsen: Wir sind zufrieden mit dem Geschäft im Jahr 2012. Der Umsatz ist ungefähr auf dem Vorjahresniveau geblieben, weil wir bei großen Kunden die Preise senken mussten. Das Ergebnis hat sich gut entwickelt, was auch eine Folge unserer Bemühungen um Effizienzsteigerungen in den vergangenen Jahren ist.

Aber dennoch planen Sie nun einen umfangreichen Stellenabbau. Was genau ist vorgesehen?

Henningsen: Im vergangenen Jahr haben wir alle Funktionen in den Bereichen, die nicht unmittelbar produktiv sind, unter die Lupe genommen und geprüft, wo es Doppelungen gibt und was wir künftig vielleicht nicht mehr selbst tun müssen. Auf dieser Basis haben wir entschieden, die Belegschaft um rund 650 Personen zu reduzieren. In Hamburg betrifft dies etwa 400 Arbeitsplätze. Insgesamt haben wir in der Stadt knapp 8000 Beschäftigte.

Welche Bereiche sind betroffen?

Henningsen: Es geht unter anderem um den Vertrieb, den Einkauf, die Personalbetreuung, das Controlling, um Entwicklungsabteilungen und andere. Bezogen auf den gesamten Technikkonzern in Deutschland sind dies mehr als 5700 Stellen.

In welchem Zeitraum sollen die Stellen abgebaut werden? Und gibt es betriebsbedingte Kündigungen?

Henningsen: Wir haben uns bis Ende 2014 dafür Zeit gegeben und wollen das auf freiwilliger Basis erreichen, also durch Maßnahmen wie Altersteilzeit und vorgezogenem Ruhestand. Wir sind zuversichtlich, dass wir das auch schaffen und betriebsbedingte Kündigungen vermeiden können - schließlich ist Lufthansa Technik kein Sanierungsfall. Seit ich Anfang des Jahres 2001 hier mein Amt als Vorstandsvorsitzender angetreten habe, hat es jedenfalls keine solchen Kündigungen gegeben.

Ver.di-Chef Frank Bsirske hat Lufthansa Technik dafür kritisiert, dass man Entlassungen nicht ausschließt.

Henningsen: In einer Branche, die so schwankungsanfällig ist wie die Luftfahrt, wäre es unredlich, Entlassungen für alle Zeit auszuschließen.

Wird es auch in den produktiven Bereichen in diesem Jahr einen Abbau von Arbeitsplätzen geben?

Henningsen: Wir gehen davon aus, dass das über die laufenden Maßnahmen hinaus nicht erforderlich ist.

Die Lufthansa-Konzernzentrale in Frankfurt hat vor knapp einem Jahr das Programm Score gestartet, das bis zum Jahr 2015 eine Ergebnissteigerung von 1,5 Milliarden Euro bringen soll. Muss da nicht bei den Beschäftigten der Verdacht naheliegen, der Sparkurs beim Lufthansa-Konzern werde der Tochterfirma aufgezwungen?

Henningsen: Auch wir haben Vorgaben bekommen, welchen Beitrag wir zum Score-Programm leisten sollen. Aber der eigentliche Treiber für die jetzt beschlossene Verschlankung ist die Sicherung unseres eigenen Geschäfts. Schließlich machen wir zum Beispiel in Hamburg 75 Prozent des Geschäfts nicht mit Unternehmen der Lufthansa-Gruppe, sondern mit 700 Kunden weltweit. Die Verträge mit diesen Kunden werden meistens global ausgeschrieben - und Hamburg gehört nicht zu den kostengünstigeren Standorten auf der Welt. Um da mithalten zu können, müssen wir effizienter werden.

Aber ist es nicht schwierig, in der Belegschaft Verständnis für Stellenstreichungen zu finden, wenn der Gewinn gestiegen ist?

Henningsen: Man muss dazu wissen: Das gute Ergebnis 2012 resultiert aus Verträgen, die in den Jahren zuvor abgeschlossen wurden. Solche Verträge haben Laufzeiten von bis zu zehn Jahren. Aber wenn sie auslaufen, müssen wir neue Aufträge gewinnen, und die Preise sind unter Druck. Unsere aktuelle Auftragslage ist nicht schlecht, aber wichtig ist der Blick in die Zukunft. Im vergangenen Jahr sind wir im Geschäft mit Kunden außerhalb des Lufthansa-Konzerns nur knapp mit dem Markt gewachsen. Das reicht uns nicht.

Wer sind die Wettbewerber, die Ihnen zu schaffen machen?

Henningsen: In den zurückliegenden Jahren sind schwächere Konkurrenten aus dem Markt verdrängt worden, was auch uns zugutekam. Die verbliebenen Wettbewerber sind hochprofessionell und effizient. Man findet sie in Hongkong, in Singapur, in den USA, vereinzelt auch in Europa. Hier ist es unter anderem die Wartungstochter der Air-France-Gruppe.

Sind am Heimatstandort Hamburg die Zeit steigender Personalzahlen endgültig vorbei?

Henningsen: Ich hoffe, dass wir in Zukunft auch hier wieder ausbauen können. Denn wir wollen wachsen und wir müssen wachsen. Wir werden uns aber noch stärker auf Tätigkeiten konzentrieren müssen, die Know-how- und materialkostenintensiv sind. Das trifft etwa auf die Triebwerks- und Geräteüberholung zu. In der Triebwerksüberholung macht der Anteil der Materialkosten rund 80 Prozent aus. Wir haben schon in der Vergangenheit immer neue Verfahren entwickelt, wie wir kein teures Material wegwerfen müssen, sondern Teile wie die Triebwerksschaufeln wieder aufarbeiten können. Wir wollen künftig noch mehr in innovative Produkte und Methoden investieren. Ein Beispiel für ein solches Verfahren ist die Triebwerkswäsche, die den Treibstoffverbrauch senkt, ohne dass man den Motor für die Reinigung abbauen muss. Personalkostenintensive Tätigkeiten wie die Überholung von Flugzeugen - bei einer Boeing 747 erfordert dies bis zu 50.000 Arbeitsstunden - haben wir weitgehend auf andere Standorte in unserem Unternehmensverbund übertragen, etwa nach Malta, Sofia oder nach Manila auf den Philippinen.

Um wie viel günstiger ist eine Arbeitsstunde in Manila verglichen mit Hamburg?

Henningsen: Sie kostet dort nur rund ein Drittel. Wir haben mit der Tochtergesellschaft in Manila sehr gute Erfahrungen gemacht. Junge Filipinos werden von uns drei Jahre lang ausgebildet, zum Teil hier in Deutschland. Durch einheitliche Standards ist sichergestellt, dass die Qualität der Arbeit vergleichbar ist. Das klappt hervorragend.

Welche Bereiche in Hamburg laufen gut, welche nicht so gut?

Henningsen: Der größte Unternehmensbereich mit etwa 2000 Beschäftigten ist die Geräteüberholung. Hier sind wir gewachsen. Die Triebwerksüberholung mit 1900 Mitarbeitern ist nach zwei schwierigen Jahren wieder auf Wachstumskurs. In der Ausstattung und Wartung von VIP-Jets arbeiten 1300 Personen. Dieser Bereich ist zuletzt eher gewachsen, aber er ist sehr schwankungsanfällig. In der Flugzeugüberholung mit 1300 Beschäftigten konzentrieren wir uns auf den anspruchsvollen Umbau von Kabinen. Für diesen Bereich haben wir mit der Umrüstung von fast 30 Lufthansa-Langstreckenjets allein in Hamburg einen Großauftrag erhalten.

Neue Flugzeuge wie die Boeing 787, die seit Ende 2011 im Liniendienst ist, und der Airbus A350, der in den nächsten Monaten erstmals abhebt, sollen nach Angaben der Hersteller deutlich weniger Wartungskosten verursachen als herkömmliche Jets. Geht Lufthansa Technik damit Geschäft verloren?

Henningsen: Bei diesen Flugzeugen sollen die Abstände zwischen den Grundüberholungen der Flugzeugzelle um mehrere Jahre länger sein. Diese Arbeiten machen aber nur einen kleinen Teil der gesamten Instandhaltungskosten aus. Der Großteil entfällt auf die tägliche Betreuung, und hier erwarte ich keinen wesentlichen Unterschied zu anderen Flugzeugtypen. Erste Verträge mit 787-Kunden konnten wir bereits abschließen.