Zahl der 90-Jährigen verdoppelt sich, Hansestadt wächst weiter. Während am Stadtrand zunehmend Ältere wohnen, ziehen Jüngere Citylage vor.

Hamburg. Im Jahr 2030 wird die durchschnittliche Hamburgerin 44 Jahre alt sein, irgendwo im erweiterten Gürtel um die Innenstadt wohnen und der immer kleiner werdenden Gruppe der Mittelalten angehören. Wenn sie überhaupt Kinder hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie zumindest eine Zeit lang alleinerziehend gewesen ist. Außerdem hat sie mit ziemlicher Sicherheit ihre Studentenzeit in einem der Innenstadt- oder sonstigen In-Viertel verbracht.

Doch anders als heute werden die Durchschnittshamburgerin und ihr männliches Pendant nicht mehr den größten Teil der Bevölkerung repräsentieren. Hamburg wird älter, und mit der Gruppe der über 65-Jährigen werden die Herausforderungen wachsen, denen sich die Stadt und die Gesellschaft stellen müssen. 2030 wird schon jeder vierte Einwohner der Hansestadt im Rentenalter sein, die Zahl der über 90-Jährigen wird sich mehr als verdoppelt haben. Auf der anderen Seite wird es immer weniger Menschen im jungen Erwachsenenalter geben und auch die Generation der 40- bis 50-Jährigen wird schrumpfen. Hamburgs große Hoffnung: Das Statistikamt Nord, das die Berechnungen für das Jahr 2030 vorgenommen hat, geht davon aus, dass die Stadt bis ins Jahr 2027 weiter wächst, weil der Zuzug aus dem Ausland und den Umlandgemeinden anhalten wird. Außerdem sagt die Bertelsmann Stiftung voraus, dass der Anteil der Kinder- und Jugendlichen an der Bevölkerung stabil bleibt. Die Stadt bereitet sich auf diese Zeit vor. Die Gesundheitsbehörde beispielsweise entwickelt ein Demografiekonzept, das sich Themen wie der gesundheitlichen Versorgung älterer Menschen und den Herausforderungen der Pflege widmet. Aufgenommen werden auch weitere Fragen, die Senioren bewegen, wie die Barrierefreiheit in U- und S-Bahnhöfen und die Möglichkeiten der Seniorenarbeit.

In der Stadtentwicklungsbehörde wird parallel eine Vision für die Stadt im Jahr 2030 entwickelt. Wie wollen wir Hamburger in eineinhalb Jahrzehnten leben? Wie grün wollen wir es haben? Wie sollen unsere Quartiere aussehen? Wie und wo wollen wir wohnen? Es geht dabei um konkrete Ansätze der Stadtplanung. Die Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr vorliegen.

Doch schon heute kann man sehen, welche Effekte die Altersentwicklung auf die Stadt hat. "Die Stadtränder altern überproportional", sagt Thomas Pohl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geografie der Uni Hamburg. Der promovierte Geograf hat untersucht, wo Hamburg altert und warum. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem in der Vorstadt immer mehr ältere Menschen wohnen. "Wir haben Quartiere, in denen der Anteil der älteren Bewohner immer weiter zunimmt", sagt Pohl. Nicht so sehr, weil ältere Menschen die Mieten in den verteuerten Innenstadtlagen nicht mehr bezahlen könnten. "Gentrifizierung ist hier nicht der größte Faktor", sagt der Wissenschaftler. Bei den Quartieren, die überproportional gealtert sind, handele es sich zumeist um reine Wohngebiete, die in den 60er- und 70er-Jahren entstanden sind. Damals zogen junge Familien in diese Stadtrandlagen, "heute sind die Kinder der Familien längst ausgezogen und nur die Eltern bleiben zurück. Hinzu kommt, dass das Reihenhaus früherer Jahre nicht dem heutigen Wohnideal junger Familien entspricht." Dementsprechend sind die Eltern der 60er- und 70er-Jahre heute Groß- oder Ur-Großeltern im Alter von mehr als 70 Jahren - ohne dass der Stadtteil durch hinzuziehende Familien verjüngt würde. Zudem beobachten die Forscher seit langem den Trend, dass junge Menschen gerne innenstadtnah wohnen. Das wird sich auch in den kommenden Jahren nicht ändern, glaubt Geograf Pohl. Eher das Gegenteil sei der Fall. Wer als Student oder junger Erwachsener das urbane Gefühl in der Sternschanze oder auf St. Pauli erlebt habe, wolle es heute und künftig länger behalten als das in früheren Generationen der Fall war. Wer dann aber doch wegzieht, wird durch einen anderen jungen Menschen ersetzt. Dementsprechend jung werden die begehrten Stadtteile Hamburgs bleiben, während die Randlagen weiter altern werden.

"Wir reden nur von Tendenzen. Es gibt natürlich immer noch junge Menschen, die an den Stadtrand oder ins Umland der Metropolregion ziehen und sich dort Eigentum kaufen", sagt Pohl. Aber die Zahlen und Entwicklungen der vergangenen Jahre ließen den Schluss zu, dass Randlagen zunehmend unattraktiver würden. Verantwortlich dafür seien unterschiedliche Faktoren. Einer sei die Demografie. Die Anzahl der Menschen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren wird in den kommenden Jahren abnehmen, die Zahl der potenziellen Eigenheimkäufer damit sinken. Zudem sind in immer mehr Beziehungen heute beide Partner berufstätig. "Das macht es unattraktiver, suburban zu leben", sagt Pohl, denn im Zweifel müssten beide Partner pendeln. In einer zentralen Lage mit guter Verkehrsanbindung lässt sich das leichter vereinbaren als in Quartieren, in denen beide auf ein Auto angewiesen wären. Weitere Faktoren sind aus Sicht des Forschers die Arbeitsverhältnisse, die in den vergangenen Jahrzehnten immer flexibler geworden sind. Einen Bürojob, der um 17 Uhr endet und damit eine entspannte Fahrt mit der Bahn an den Hamburger Stadtrand oder ins Umland möglich macht, gibt es kaum noch. Spät am Abend aber fahren nicht mehr alle Verkehrsmittel so regelmäßig wie die U- und S-Bahnen. Zudem würde die neue Arbeitswelt mit ihren Zeitverträgen Arbeitsverhältnisse so unsicher machen, dass sich der Wunsch nach dem Eigenheim nicht verwirklichen ließe.

Der Trend wird sich nach Aussage der Forscher wohl nicht so schnell umkehren. Für die Stadtplaner der Zukunft wird es deshalb darauf ankommen, sich vor allem auf die Effekte der älter werdenden Stadtrandgebiete einzustellen.