Hamburgs Schulsenator Ties Rabe will den Weg zum Turbo-Abitur erleichtern. Absage an Wiedereinführung des Neun-Jahre-Gymnasiums.

Hamburg. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) stellt eine konkrete Entlastung für Schüler in Aussicht, die das "Turbo-Abitur" am Gymnasium (G8) ablegen wollen. Es geht in erster Linie um die Schüler in den siebten und achten Klassen, deren zeitliche Belastung mit 34 Unterrichtsstunden pro Woche besonders hoch ist.

"Die Frage ist, in welchem Umfang Hausaufgaben gegeben werden und wie eine Zusammenballung von Klausuren, Tests und Hausaufgaben in bestimmten Wochen vermieden werden kann", sagte Rabe im Abendblatt-Interview. Außerdem sei der Unterricht in Doppelstunden weniger anstrengend als in Einzelstunden. "Das sind vernünftige Mittel, um Belastungen von G8 abzufedern." Weil zwar einige Gymnasien diese Schritte bereits eingeleitet haben, andere aber nicht, kündigte Rabe "verbindliche Vorgaben" an. Schüler und Eltern haben immer wieder darüber geklagt, dass den jungen Menschen wegen der Schulzeitverkürzung zu wenig Zeit für Sport und Hobbys neben der Schule bleibe und der Stress zunehme.

Mit seinem Vorstoß reagiert der SPD-Politiker auf die vor zwei Wochen gestartete Online-Petition zur Wiedereinführung des um ein Jahr längeren Wegs zum Abitur am Gymnasium (G9). Bislang haben mehr als 4000 Unterstützer die Petition unterschrieben. Rabe bleibt allerdings bei seinem Nein zur Rückkehr zu G9. "Das führt nur zu jahrelangem Chaos an den Schulen und wird den Schülern sicherlich nicht guttun", sagte der Senator.

Andererseits überraschte der Sozialdemokrat, der bis vor zwei Jahren am Luisen-Gymnasium in Bergedorf unterrichtete, mit dem Bekenntnis, bei der Einführung der Schulzeitverkürzung vor zehn Jahren durch den damaligen CDU-Schill-FDP-Senat gegen die Reform gewesen zu sein. "Ich war damals kein Anhänger von G8 und sehe heute, dass es gute Gründe für und gegen G8 gibt", so der Senator.

Nach den Erkenntnissen der Hamburger Schulbehörde seien die Belastungen für die Hamburger G8-Schüler kaum größer als die der bayerischen Gymnasiasten mit G9 seit Jahrzehnten. "Schule hat etwas mit Anstrengen zu tun. Ohne Anstrengung keine Leistung", so Rabe. Nur dürfe die Anstrengung "nicht zum Leiden werden".

Freimütig räumte Rabe die erheblichen Defizite im Bereich Schulbau ein. Auf die Frage, ob der Senat in diesem Jahr die bereitgestellten 300 Millionen Euro auch tatsächlich verbauen werde, antwortete der SPD-Politiker: "Wir geben uns große Mühe. Aber ich fürchte, wir schaffen das nicht." Allerdings sei das noch nie einem Senat gelungen. Die Umsetzung der Behördenpläne gestalte sich vor Ort schwierig. "Wegen der boomenden Baukonjunktur sind die Hamburger Baufirmen ausgelastet, sodass wir Kapazitätsprobleme haben."

Außerdem gebe es Probleme in der Detailplanung. Manchmal stelle sich heraus, dass für vorgesehene Neubauten ein Parkplatz im Weg sei oder in der Erde ein Blindgänger stecke. Dennoch zeigte sich Rabe optimistisch: "Wir haben Hierarchien abgebaut und viel Verantwortung auf die Beteiligten vor Ort übertragen. Darauf setze ich."

Rabe sieht die Inklusion (Unterricht von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen) als "große Herausforderung" für die Stadtteilschulen. Der SPD-Politiker moniert, dass an den allgemeinen Schulen 3300 Sonderschüler unterrichtet werden, obwohl die Sonderschulen nur 1300 Kinder abgegeben hätten. "Es gibt klare Indizien, dass viele Schüler, die an Grund- und Stadtteilschulen schon immer beschult wurden, jetzt plötzlich als Sonderschüler eingeschätzt werden", sagte Rabe. Für Sonderschüler gebe es mehr Fördermittel. Die Personalausstattung wegen der Zusatzaufgabe Inklusion hält der Senator langfristig für ausreichend. "Anfangsphasen sind überall schwierig, deswegen müssen wir uns das noch einmal genau ansehen", so der SPD-Politiker.