Verbot zur Elbwasserentnahme verstärkt Zweifel an Wirtschaftlichkeit des Kohlekraftwerks. Scholz lädt zum “Energiegipfel“.

Hamburg. Nach dem gerichtlichen Verbot der Entnahme von Elbwasser zur Kühlung wachsen die Zweifel, dass das Steinkohlekraftwerk Moorburg langfristig überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann. Das Oberverwaltungsgericht hatte einer Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) stattgegeben. Nun muss Kraftwerksbetreiber Vattenfall seine Systeme durchgehend mit einem sogenannten Hybridkühlturm kühlen. Das aber kostet mehr Energie als die Kühlung durch Elbwasser. Der Wirkungsgrad des umstrittenen Kraftwerks verringert sich dadurch von bisher 46,5 auf 45,4 Prozent. Als Wirkungsgrad bezeichnet man den Anteil, der bei der Verbrennung der Kohle in Energie umgewandelt wird. Der Rest ist Abwärme. Damit steigt der CO2-Ausstoß.

Aber nicht nur das aktuelle Urteil lässt die Entscheidung des Baus von Moorburg mittlerweile als fragwürdig erscheinen. So haben sich mittlerweile auch die Baukosten drastisch erhöht - von ursprünglich 1,7 Milliarden auf jetzt 2,8 Milliarden Euro. Zudem hat sich die Fertigstellung um zwei Jahre verschoben. Statt 2012 kann das Kraftwerk erst 2014 in Betrieb gehen.

Und dann kann es vermutlich noch nicht einmal Volllast fahren. Denn nach den gesetzlichen Vorgaben und dem sogenannten Merit-Order wird zunächst Strom aus regenerativen Energien genutzt, danach der aus Gaskraftwerken und erst am Ende der aus Kohlekraftwerken. Deswegen geht selbst Vattenfall mittlerweile davon aus, dass das Kraftwerk nicht durchgehend auf volle Kraft laufen kann. Denn der Strom wird zum Teil gar nicht mehr benötigt. Je weiter weg man aber von einem Volllastbetrieb kommt, desto unwirtschaftlicher ein Kraftwerk. Auch ein anderer Faktor bereitet Vattenfall Probleme: der deutlich gestiegene Kohlepreis. Zudem ist man möglicherweise wegen der Verzögerungen gezwungen zusätzliche, teure CO2-Lizenzen zu erwerben.

"Wenn man es heute entscheiden müsste - man würde ein solches Kraftwerk wohl nicht mehr bauen", heißt es aus dem Rathaus. Noch deutlicher drücken es die Grünen aus, deren Senatorin Anja Hajduk das Kraftwerk 2008 genehmigen musste. "Moorburg ist längst ein Mühlstein um den Hals von Vattenfall", sagt ihr Fraktionschef Jens Kerstan. "Die Rechnung mit umweltschädlicher Kohle Gewinne zu machen, geht nicht mehr auf." Ein Grund für den Kostenanstieg und die Zeitverzögerung ist unter anderem der Bau des Hybridkühlturms. 2008 war die wasserrechtliche Erlaubnis der damals noch grünen Umweltbehörde an mehrere Auflagen gekoppelt. Danach hätte Vattenfall das Kraftwerk an mehr als 200 Tagen im Jahr nicht unter Volllast laufen lassen können, weil die Temperatur des Kühlwassers, welches wieder in die Elbe eingeleitet worden wäre, zu hoch gewesen wäre. Die Umweltverbände fühlen sich durch die aktuelle Entwicklung in ihrer Auffassung bestätigt. "Das sind alles Indizien dafür, dass Großkraftwerke dieser Art technologisch überholt sind", sagte BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. "Die Entscheidung, die Vattenfall und der CDU-Senat zwischen 2005 und 2007 getroffen haben, war falsch. Das war, wie sich heute zeigt, kein Ruhmesblatt. Weder für die Politik noch für das Unternehmen."

Die SPD-Fraktion bewertete die OVG-Entscheidung trotz aller Probleme positiv. "Ich denke, dass das Urteil für die Elbe gut ist", sagte Umweltpolitikerin Monika Schaal. "Niemand kann das Interesse haben, dass der Fluss umkippt. Aus diesem Grund sollte es uns Wert sein, dass weniger Strom verkauft werden kann. Wenn Vattenfall das Kraftwerk trotzdem wirtschaftlich betreiben kann, ist es umso besser." Vertreter der Hamburger Wirtschaft dagegen blicken voller Sorge auf die Entwicklung in Moorburg. "Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist bedenklich", sagte Ulrich Brehmer, Bereichsleiter für Innovation und Umwelt in der Handelskammer. "Aus dem einstmaligen Vorzeigekraftwerk ist ein Durchschnittskraftwerk geworden." Dies habe mit dem Wegfall der Fernwärmeauskopplung begonnen und werde nun mit der energiebetriebenen Kühlung fortgeführt. Dennoch sei das Kraftwerk wichtig für energieintensive Betriebe in der Hansestadt. "Moorburg ist unerlässlich für die Standortsicherheit."

Ebenso sieht es der Industrieverband Hamburg. "Am Industriestandort Hamburg muss die Erzeugung von Energie in großen Mengen zu wirtschaftlich auskömmlichen Bedingungen möglich sein, um eine sichere und bedarfsgerechte Stromversorgung für die produzierenden Unternehmen zu garantieren", sagte dessen Vorsitzender Michael Westhagemann. "Für dieses Ziel gilt es nun, mit vereinten Kräften zu arbeiten." Das sieht auch der Senat so. Am 31. Januar hat Bürgermeister Olaf Scholz zum "Energiegipfel" geladen. Dabei wollen Vertreter des Senats und der Energieunternehmen eine Strategie entwickeln, "mit der die Energiewende in Hamburg trotz der Probleme gelingen kann", hieß es im Rathaus.