Das Unglück der “Costa Concordia“ schwächt den Zuwachs bei den Binnenkreuzfahrten ab. Die Preise sollen 2013 wieder steigen.

Hamburg. Lange wurde die Branche von hohen Zuwachsraten verwöhnt. Über zehn Jahre hinweg lag das Plus bei den Passagieren von Binnenkreuzfahrten bei jeweils knapp unter zehn Prozent. Dann lief am 13. Januar 2012 der Hochseekreuzer "Costa Concordia" vor der italienischen Insel Giglio auf einen Felsen. 32 Menschen kamen uns Leben, viele wurden verletzt. Gleichzeitig wirkte sich das Unglück auf das Vertrauen der Menschen in die Ferien auf dem Wasser aus - selbst auf den Flüssen. "Die Havarie hat sich auch für die Binnenschifffahrt stärker bemerkbar gemacht als erwartet", sagte SeaConsult-Chef Helge Grammerstorf dem Abendblatt. Dennoch blieb es auch 2012 bei einem Plus bei den Buchungszahlen. "Wir rechnen mit fünf Prozent", sagt der Hamburger Experte.

Nach den Daten seiner maritimen Beratungsfirma SeaConsult dürften im vergangenen Jahr 480.000 bis 490.000 deutsche Passagiere ihren Urlaub auf den Flüssen verbracht haben. Ihr Durchschnittsalter blieb mit 57 bis 58 Jahren weitgehend konstant. 2011 wurden 461.615 Passagiere gezählt. Die Zahlen für Binnen- und Hochseekreuzfahrten legt der Deutsche ReiseVerband traditionell im März bei der Internationalen Tourismus Börse in Berlin vor.

Für 2013 rechnet Grammerstorf, der seit März 2012 als Präsident den europaweiten Flusskreuzfahrtverband IG River Cruise führt, wieder mit einem höheren Zuwachs bei den Passagieren als im vergangenen Jahr. So werden allein in Westeuropa in diesem Jahr zusätzlich 22 Schiffe unterwegs sein. Mit den Neubauten erhöht sich die Zahl der Betten um 10,8 Prozent. Bisher ist auf den Ende des Jahres eingesetzten 241 Schiffen Platz für 33.992 Passagiere.

Auch in Zukunft werde der Zuwachs bei den Passagieren anhalten, ist Grammerstorf überzeugt. "Schon durch die älter werdende Gesellschaft steigt das Potenzial für diese Art des Reisens", sagt er. Für 2014 sind derzeit erneut 14 Neubauten geplant, die für Fahrten auf Rhein, Main, Donau oder auch dem portugiesischen Douro vorgesehen sind. "Wir gehen dabei davon aus, dass für den Bau der Schiffe immer stärker Anleihen ausgegeben werden", sagt Grammerstorf, der über seine Firma SeaConsult (Fin) auch in die Schiffsfinanzierung eingestiegen ist. Anlegern, die sich ab 1000 Euro beteiligen können, würden hier Renditen von mehr als sieben Prozent angeboten.

Bei den Reisepreisen, die 2012 um fünf bis zehn Prozent auf durchschnittlich 145 Euro pro Tag gesunken waren, erwartet der Hamburger Kreuzfahrtexperte für 2013 wieder ein Plus. Hintergrund dafür sind steigende Kosten für Treibstoff und die im vergangenen Jahr von sieben auf 19 Prozent angehobene Mehrwertsteuer auf die Tickets.

Erfolgreichster deutscher Konstrukteur für Flusskreuzfahrtschiffe ist die Rostocker Neptun-Werft, die zur Papenburger Meyer-Gruppe zählt. Sie hat erst zuletzt einen Großauftrag von der Schweizer Reederei Viking River Cruises erhalten und kommt damit auf 25 feste Aufträge und acht Optionen allein von dieser Reederei. In den kommenden zwei Jahren sollen nun zehn 135 Meter lange Schiffe entstehen. Für den Einsatz auf europäischen Flüssen ist dies die maximale Länge, weil für größere Schiffe die Schleusenbecken zum Teil nicht mehr ausreichen.

Auf der Oberelbe und damit auch für Hamburg verhindern bisher die niedrigen oder manchmal auch zu hohen Wasserstände ein kontinuierliches Geschäft mit den Flusstouristen. Droht im ersten Fall das Auflaufen, bleibt bei zu hohen Pegeln zu wenig Platz unter den Brücken. "Allenfalls zwei bis drei Schiffe legen pro Jahr zumeist an der Überseebrücke an", sagt Nadine Palatz, Sprecherin des Hamburg Cruise Centers, das die Hochseeterminals vermarktet. Dabei wäre die Hansestadt ein attraktives Ziel auch für Touristen von Binnenschiffen. So machen etwa im gut zugänglichen Amsterdam jedes Jahr mehrere Hundert Schiffe fest.

Als Interessenvertretung der Flusskreuzfahrtreedereien hat sich die von Grammerstorf präsidierte IG River Cruise inzwischen bei der EU in Straßburg und Brüssel akkreditiert. "Wir werden jetzt bei den von der Kommission geplanten neuen Vorschriften für Umweltschutz und Sicherheit auf den Schiffen sowie bei den Beratungen für den Ausbau der europäischen Wasserstraßen 2014 bis 2020 gehört", sagt Grammerstorf. Immerhin vertritt der Verband 22 Flussreedereien, die für 87 Prozent der Flottenkapazität auf Europas Flüssen stehen.

Bundesweit steht für die Interessengemeinschaft nun die Besteuerung von Übernachtungen an Bord ähnlich wie für Hoteltouristen im Raum. "Wir gehen aber davon aus, dass sie für uns nicht angewendet werden kann", sagt Grammerstorf. Er bezieht sich dabei auf die Mannheimer Akte, die seit 1860 eine Besteuerung aufgrund des Befahrens des Flusses verbietet. "Diese Regelung dürfte sich auf andere Flüsse übertragen lassen." Ohnehin sei es schwierig, eine Übernachtung in einem Hafen für die Steuer zu definieren. "Wie lange muss ein Schiff dafür am Kai liegen", fragt der Experte. "Und wird bei einer nächtlichen Weiterfahrt in einen anderen Hafen die Steuer zweimal fällig?"