Die größte Sorge der Union: Die SPD kürt Hannelore Kraft statt Peer Steinbrück

Eigentlich hat die schwarz-gelbe Regierung in Berlin im Moment wenig Grund, Angst vor der SPD und vor allem vor deren Kanzlerkandidaten zu haben. Die Umfragewerte Peer Steinbrücks sind nach mehreren kommunikativen Pannen (letztes Stichwort: der Kanzler verdient zu wenig) bescheiden, Angela Merkel liegt scheinbar uneinholbar vorn. Trotzdem ist die Koalition mit der aktuellen Lage nicht hundertprozentig zufrieden. Die Schwäche Steinbrücks könnte, so die Sorge, aus schwarz-gelber Sicht im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Sozialdemokraten ihren Spitzenkandidaten kurzfristig austauschen. Das wäre zwar ungewöhnlich, für ausgeschlossen hält man es im Lager der Regierung allerdings nicht und blickt deshalb umso gespannter auf die Landtagswahl in Niedersachsen am kommenden Wochenende.

Was passiert, wenn dort die schwarz-gelbe Koalition doch an der Macht bleibt, wenn die Nominierung Steinbrücks also überhaupt keinen Effekt auf die wichtigste Entscheidung vor der Bundestagswahl hätte? Denkt die SPD nach den Pannen der vergangenen Wochen dann noch einmal um und setzt, das wäre aus schwarz-gelber Sicht die kritischste Option, auf Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft?

Vor der beliebten Politikerin hat man im Lager von CDU und FDP am meisten Respekt, um nicht zu sagen Angst. Ihr traut man am ehesten zu, Angela Merkel gefährlich zu werden, eben weil Hannelore Kraft so ganz anders ist als die Kanzlerin. Dass man sich in Berlin überhaupt mit solchen Gedankenspielen beschäftigt, dass selbst SPD-Sympathisanten sich in Umfragen in größerer Zahl für eine Abberufung Steinbrücks aussprechen, ist ein weiteres Indiz dafür, wie der Kandidat seinen Start ins Wahljahr verpatzt hat. Steinbrück wird bei den Gegnern als das geringste Übel betrachtet, als ein von Merkel leicht zu schlagender Gegner.

Seine Anhänger hoffen nur, dass genau darin eine Chance liegen könnte. Denn den Steinbrück der vergangenen Wochen wird man zumindest bei der CDU nicht mehr ernst nehmen und einfach stur so weiter ignorieren, wie es Angela Merkel zuletzt getan hat. Das kann ein Vorteil sein, genauso wie die derzeitige Ausgangsposition des Sozialdemokraten: Zu verlieren hat Peer Steinbrück schließlich nichts mehr ... Und genau für solche scheinbar ausweglosen Situationen ist er der richtige Typ. Einer, der dann gefährlich werden kann, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt (auch wenn er dabei gern vergisst, dass er selbst nicht unschuldig daran ist, dort zu stehen).

Kommt hinzu, dass Steinbrück seine Fehler aus sozialdemokratischer Sicht wenigstens zu einem Zeitpunkt gemacht hat, der weit genug von der Bundestagswahl im September entfernt ist. Der Mann hat noch nicht verloren, er braucht nur möglichst schnell ein Erfolgserlebnis: am besten, wieder aus sozialdemokratischer Sicht, am kommenden Sonntag.

Und wenn das nicht gelingt? Wenn David McAllister erneut Ministerpräsident wird? Bleibt die SPD dann standhaft an Steinbrücks Seite? Oder wird es dann nicht in der Partei doch deutliche Stimmen geben, zumindest über eine Alternative nachzudenken?

Es sind genau diese Fragen, die die Führung der Sozialdemokraten ursprünglich vermeiden wollte. Deshalb sollte der Kanzlerkandidat eigentlich auch erst nach der Wahl in Niedersachsen bekannt gegeben werden. Zu groß sei das Risiko, hatte es noch im vergangenen Jahr geheißen, dass die Entscheidung in Hannover zu einer Abstimmung über den Kandidaten werden könnte - mit unbekanntem Ausgang. Wie wir jetzt wissen, ist es noch schlimmer gekommen. Nichts wäre besser, als könnte die SPD ihren Herausforderer nach dem kommenden Sonntag bekannt geben. Moment, das könnte sie ja: Aber dann wäre es eben nicht mehr Peer Steinbrück ...