Abkehr vom Turbo-Abitur würde Schulwesen lähmen. Mechanik der Gymnasien müsste geändert werden. Elternbündnis erwägt Volksinitiative.

Hamburg. Die Drähte in Teilen der Elternschaft glühen heiß. Rund 1600 Hamburger haben bis zum Dienstag bereits die Petition unterzeichnet, mit der die Elterninitiative "G9 jetzt!" für die Einführung einer Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjähriger Schulzeit an Gymnasien streitet. "Es gibt einen wunderbaren Schwung", sagt die Initiatorin Mareile Kirsch. "Wir bekommen im Moment viele begeisterte Mails von Schülern, Eltern, Großeltern, Lehrern und Unterstützern und Befürwortern des G9." Die Elterngruppe setzt zunächst auf die Überzeugungskraft ihrer Petition. "Sollte das aber noch nicht reichen, haben wir als Elterninitiative ,G8-Jetzt-HH' auch einen zweiten Schritt, nämlich eine Volksinitiative, geplant", kündigte Mareile Kirsch gegenüber dem Abendblatt an. Man wolle aber besonnen, ohne Aktionismus, vorgehen. Um die erste Stufe der Volksgesetzgebung zu nehmen, müsste die Gruppe innerhalb von sechs Monaten 10.000 Unterschriften sammeln - vorher allerdings eine Initiative gründen, Vertrauenspersonen benennen und offiziell ihre Absicht beim Senat anzeigen.

Schulsenator Ties Rabe hat dem Anliegen der Eltern eine klare Absage erteilt - allerdings nicht, weil der SPD-Politiker ein glühender G8-Verfechter ist, sondern weil die Rückkehr zu G9 die Gymnasien aus seiner Sicht zu einer mehrjährigen Reformbaustelle machen würde. "Es gibt in der Tat gute Gründe für und gegen eine verlängerte Schulzeit", sagte Rabe. Deshalb werden in Hamburg beide Wege angeboten - an den Gymnasien und den Stadtteilschulen.

"Wer das jetzt wieder ändern will, zettelt ohne Not einen großen Schulstreit an, der Politik, Verbände, Öffentlichkeit, Lehrer, Eltern und Schüler jahrelang in Atem halten wird", so Rabe. Hamburgs Gymnasien würden in eine länger dauernde Reformbaustelle gestürzt. "Stundentafeln, Stundenpläne, Bildungspläne, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, Stellenpläne, Raumpläne, Baupläne und vieles mehr - die gesamte Mechanik der Gymnasien müsste in einem langwierigen Verfahren mit unübersehbaren Folgewirkungen geändert werden", so Rabe. "Nach meinem Eindruck wünschen sich Hamburgs Eltern an den Gymnasien eine verlässliche Schulpolitik, guten Unterricht und keine neue Reformkrise."

G8 habe in den vergangenen zehn Jahren nicht zu den großen Aufregerthemen gehört. Ob es jetzt wirklich die ganze Stadt aufwühle, bleibe abzuwarten, so Rabe. An die Schulstruktur will er nicht herangehen, womöglich aber an den Schulalltag. "Die Hamburger Bildungspläne wurden bereits angepasst", sagte er. Es geht aber weiterhin darum, Unterricht, Klassenarbeiten und Hausaufgaben auf G8 einzustellen.

Aus Sicht des CDU-Bildungsexperten Robert Heinemann wurden die Bildungspläne bisher hingegen noch keineswegs ausreichend entrümpelt. Auch sei es nicht gelungen, in zehn Jahren den Schultag anders einzuteilen. Er halte es für zielführender, an diesen Punkten zu arbeiten, die die G9-Befürworter zu Recht kritisierten, sagte Heinemann. Hier sei die Schulaufsicht gefordert, aber auch wie von der CDU gefordert ein "Bündnis für Schulqualität", das die SPD aber in der Bürgerschaft abgelehnt hatte. Von einer Rückkehr zu G9 an Gymnasien hält Heinemann dagegen nichts - auch mit Rücksicht auf die Stadtteilschulen.