Mehr Disziplin an den Schulen nützt allen - Lehrern, Eltern und vor allem den Schülern

Mehr Disziplin in der Schule - die Forderung mag in manchen Ohren zunächst ziemlich konservativ klingen und Erinnerungen an die 50er-Jahre und das Strammstehen zu Beginn des Unterrichts wecken. Gemeint ist jedoch etwas anderes, und wenn man Eltern zuhört, dann sind gerade sie es, die sich wieder mehr klare Regeln für ihre Kinder im Alltag an den Schulen wünschen. Das Gymnasium Hamm hat nach ausführlicher Diskussion mit Schülern, Lehrern und Eltern allgemein akzeptierte Normen für ein respektvolles Miteinander gesetzt und achtet konsequent auf deren Einhaltung. Ein Modell, das Schule machen sollte. Es kostet Zeit und Mühe, zahlt sich aber aus.

Der Alltag an vielen Schulen sieht anders aus, belastet aber mindestens ebenso sehr. Entnervte Lehrer, nicht nur in Wilhelmsburg, berichten von manchmal chaotischen Verhältnissen, von zeit- und kraftraubenden Störungen, wenn Schüler zu spät kommen und im Unterricht oder in der Pause nicht zu bändigen sind, von tausenderlei Problemen, die die Pädagogen von ihrer eigentlichen Aufgabe, dem Unterricht, ablenken. Seit auch Schüler mit Behinderungen, Verhaltensauffälligkeiten und Lernstörungen im Rahmen der sogenannten Inklusion gemeinsam mit anderen unterrichtet werden und sich gerade Stadtteilschulen dafür nicht ausreichend ausgestattet sehen, ist die Situation noch komplizierter geworden.

Mehr feste Regeln - altmodisch gesprochen: mehr Disziplin - können diese Probleme allein nicht lösen, gewiss. Deren Wurzeln liegen in einer schwierigen Schülerschaft und Eltern, die sich nicht um die Bildung ihrer Kinder kümmern, wie die Schulleiter der Elbinselschulen beklagen. Und wer eine Grundschülerin erlebt hat, über deren häufige Verspätungen sich die Lehrer ärgern, bis sie feststellen, dass das Mädchen morgens zu Hause mehrere kleinere Geschwister zu versorgen hat, für die es anstelle der alkoholkranken Mutter die Verantwortung übernimmt, weiß, dass diese Kinder Hilfe brauchen und nicht nur strengere Regeln.

Aber bessere Lernbedingungen würden auch ihre Chancen erhöhen, sich später einmal aus ihren bedrückenden Verhältnissen zu befreien und für sich selbst aus eigener Kraft ein besseres Leben zu gestalten. Denn ein Schulalltag ohne feste Regeln belastet nicht nur Lehrer, sondern auch die Schüler - und beeinträchtigt ihren Lernerfolg.

Erziehungswissenschaftler wissen das. So hat der australische Bildungsforscher John Hattie in einem viel beachteten Monumentalwerk untersucht, welche Faktoren gute Schule ausmachen. Die 50.000 internationalen Studien, die er dafür ausgewertet hat, haben unter anderem ergeben: Schule ist dann gut, wenn der Unterricht von der ersten Minute an auch tatsächlich möglichst störungsfrei zum Lernen genutzt wird. Dann lernen Schüler mehr. Das mag banal klingen, wird aber längst nicht überall umgesetzt.

Klare Regeln an sich sorgen nicht gleich für guten Unterricht, sondern schaffen nur die Voraussetzungen. Die Vorgaben bieten den Rahmen dafür, dass dann Pädagogik und Fachdidaktik ihre Wirkung entfalten können. Und sie sorgen auf diese Weise - und das ist wichtig - eben nicht nur für mehr Disziplin und Selbstverantwortung, sondern auch für mehr Chancengerechtigkeit, wie sich am Gymnasium Hamm mit seinen Schülern aus 60 Nationen zeigt.

Jeder, der einmal einen einschlägigen Ratgeber zur Hand genommen hat, weiß, dass transparente Verhaltensvorgaben und vorher genau benannte Sanktionen, die auch tatsächlich durchzusetzen sind, das A und O in der Erziehung sind. Wer selbst Kinder hat, hat wohl auch die Erfahrung gemacht, dass das im Alltag nicht immer einfach ist. Doch der Weg ist richtig - in der Schule wie zu Hause.