Eigner des Schiffs-TÜV bringen Anteile in Norske Veritas ein. In Hansestadt soll Geschäft mit Schiffsklassifikation konzentriert werden.

Hamburg. Ein großes Unternehmen der Hamburger maritimen Wirtschaft verliert seine Eigenständigkeit: Nach Zustimmung der Kartellbehörden wollen der Germanische Lloyd (GL) und dessen norwegischer Konkurrent Det Norske Veritas (DNV) fusionieren. Das teilten beide Unternehmen am Donnerstag mit und bestätigten einen Abendblatt-Bericht vom selben Tag. Damit geht eine Geschichte von 145 Jahren zu Ende, in denen der Germanische Lloyd als selbstständiges Unternehmen weltweit operierte, vor allem im Geschäft mit der technischen Abnahme - der Klassifikation - von Schiffen. Insgesamt beschäftigt der GL 6900 Menschen, davon 1400 in Hamburg.

Faktisch wird eine Übernahme vollzogen: Die GL-Eigner Günter Herz und Daniela Herz-Schnoeckel bringen ihre Anteile in die neue Gesellschaft DNV GL Group ein. Deren Zentrale wird der heutige DNV-Sitz in Høvik bei Oslo sein. DNV-Chef Henrik O. Madsen wird auch das neue, größere Unternehmen leiten. Der Sitz des Germanischen Lloyd in Hamburg bleibt lediglich eine von vier Geschäftseinheiten, wenn auch eine wichtige. In der Hansestadt soll künftig das gesamte Geschäft mit der Schiffsklassifikation beider Unternehmen konzentriert werden. Mit insgesamt 13.000 betreuten Schiffen wird DNV GL dann Weltmarktführer sein. GL-Chef Erik van der Noordaa ließ gestern offen, ob er in der Führung des neuen Unternehmens bleibt.

"Die Transaktion gründet auf weitreichenden strategischen Überlegungen", sagte Madsen in Hamburg. "Sie ist unsere Antwort auf die Herausforderungen der weiter zunehmenden Globalisierung." Van der Noordaa ergänzte: "Beide Unternehmen passen strategisch sehr gut zusammen, teilen in vielerlei Hinsicht die gleichen Werte und ergänzen sich in ihren Stärken." Das neue Unternehmen soll mit 17.000 Mitarbeitern 2,5 Milliarden Euro Umsatz im Jahr erwirtschaften. "Dies ist keine Geschichte von Rationalisierung, sondern von Wachstum", sagte Madsen.

Wie viele Arbeitsplätze es künftig in Hamburg geben wird, vermochte Madsen nicht zu sagen. Die Belegschaft müsse in den vier geplanten Sparten Schifffahrt, Öl und Erdgas, Strom und erneuerbare Energien sowie Versicherungen an den verschiedenen Standorten in Europa neu organisiert werden. "In ein oder zwei Jahren werden viele Mitarbeiter nicht mehr in der Stadt und in der Funktion arbeiten, in der sie heute tätig sind", sagte Madsen. "Nicht nur, weil sie sich verändern müssen, sondern auch, weil ihnen das Unternehmen die Möglichkeit dazu bieten wird."

Seit Jahrzehnten schon versucht DNV, den Germanischen Lloyd zu übernehmen. In mehrmonatigen Verhandlungen konnten Madsen und sein Aufsichtsrat die Geschwister Herz von einem Zusammenschluss überzeugen. Zuletzt hatten die Norweger im Jahr 2006 ein Angebot für den GL vorgelegt, als Gegenofferte zu einem Angebot des französischen Bureau Veritas (BV). Der damalige Eignerkreis verkaufte den GL jedoch an Günter Herz und Daniela Herz-Schnoeckel. Beide waren als Miteigner des Kaffeerösters Tchibo im Jahr 2003 nach Differenzen von den anderen Mitgliedern der Familie Herz mit vier Milliarden Euro abgefunden worden. Sie investieren mit ihrer Gesellschaft Mayfair seither in andere Unternehmen, derzeit neben dem GL in die Hamburger Restaurantkette Vapiano.

Die Geschwister Herz werden an DNV GL über Mayfair einen Anteil von 36,5 Prozent halten, 63,5 Prozent liegen bei der DNV Stiftung, der Eignerin von Det Norske Veritas. Günter Herz ließ am Donnerstag ausrichten, dass Mayfair als Investor bei DNV GL langfristig beteiligt bleiben wolle: "DNV ist aus unserer Sicht der ideale Partner für den GL. Als langfristig orientierter Gesellschafter sehen wir in dieser Partnerschaft die Fortsetzung unseres erfolgreichen Engagements beim Germanischen Lloyd", teilte er mit.

Die Geschwister Herz hatten den GL 2006 für 575 Millionen Euro gekauft. Anschließend investierte Mayfair in den Ausbau des Unternehmens durch Zukäufe etwa von Noble Denton oder Garrad Hassan. Damit baute der Germanische Lloyd seine Präsenz bei den erneuerbaren Energien wie auch am Öl- und Erdgasmarkt aus. Nun wird das Unternehmen am Standort Hamburg als Sparte von DNV GL wieder auf die Klassifikation von Schiffen konzentriert. Das ist die Rückkehr zum ursprünglichen Geschäft, allerdings mit mehr Schiffen und stärkerer Präsenz bei mehr Schiffstypen. Bislang war der GL besonders stark in der Containerschifffahrt vertreten, DNV bei Tankern.