Der Ex-Chef der maroden HSH Nordbank darf seine Millionenabfindung dann behalten, wenn bis Mitternacht keine neuen Vorwürfe auftauchen.

Hamburg. Sollte Dirk Jens Nonnenmacher gerne Champagner trinken, wäre heute möglicherweise ein guter Tag zum Öffnen einer Magnum-Flasche. Vor exakt zwei Jahren nämlich, am 15. Dezember 2010, schloss der Professor der Mathematik einen Vertrag mit der HSH Nordbank, der ihn zwar um den Vorstandsvorsitz des maroden Instituts brachte - dafür aber um 3.931.500 Euro reicher machte. Nur falls sich bis 15. Dezember 2012 neue Erkenntnisse über Amtsverfehlungen ergeben würden, müsste der 49-Jährige die fast vier Millionen zurückzahlen, die sich aus einem "Abgeltungsbetrag" und einer Tantieme zusammensetzen. So steht es in der "Aufhebungsvereinbarung", die dem Abendblatt vorliegt. Die Frist verstreicht an diesem Sonnabend um Mitternacht. Nonnenmacher (Spitzname "Dr. No") wird das Geld wohl behalten dürfen.

Die Vereinbarung, die Nonnenmacher und HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper an jenem grauen Dezembermittwoch vor zwei Jahren in Hamburg unterzeichneten, wirft bis heute viele Fragen auf. Nicht nur die, warum ein nur durch Steuermilliarden gestütztes Institut so hohe Abfindungen zahlt. Sondern auch die Frage, warum die Nordbank sich bereit erklärte, sämtliche Anwaltskosten Nonnenmachers zu übernehmen, die ihm "wegen seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied" entstehen könnten - sogar in einer Höhe deutlich über den normalen Anwaltssätzen, wie es in Punkt 11 der Vereinbarung heißt. Zudem legten Kopper und Nonnenmacher vorab eine ganze Reihe von Punkten fest, die nicht als Verfehlungen zu werten seien.

Aus heutiger Sicht sei dieser Vertrag "eindeutig zum Nachteil der Stadt" geschlossen worden, sagt der Hamburger CDU-Fraktionsvize Roland Heintze. "Herr Kopper hat die Gunst der Stunde genutzt, als in Hamburg gerade die Koalition zerbrochen war."

Tatsächlich will heute kein seinerzeit verantwortlicher Politiker etwas von der für Nonnenmacher so günstigen Vereinbarung gewusst haben. Das Problem: CDU-Finanzsenator Carsten Frigge war am 24. November 2010 zurückgetreten, vier Tage später platzte die schwarz-grüne Koalition. Interims-Finanzsenatorin war nun die bisherige Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) - nicht eben eine Expertin in den komplexen Finanz- und Rechtsfragen rund um die HSH. Gundelach bestreitet ohnehin, den Vertrag zwischen Kopper und Nonnenmacher gekannt zu haben. "Ich habe die Vereinbarung nie zu Gesicht bekommen", sagte sie am Freitag dem Abendblatt.

Mittlerweile gibt es Stimmen, die die Rechtsgültigkeit des Vertrages grundsätzlich infrage stellen - so etwa der frühere Kieler Wirtschaftsminister und Ex-Chef der Norddeutschen Affinerie Werner Marnette. "Ich bin fest davon überzeugt, dass es im deutschen Arbeitsrecht keinen vergleichbaren Fall gibt", schreibt Marnette in einem Brief an Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), der dem Abendblatt vorliegt. "Nach vorläufiger Prüfung komme ich sogar zu dem Ergebnis, dass die Vereinbarung rechtswidrig ist." Vor allem die Regelung zur Rückforderung der Abfindung hält Marnette für "sittenwidrig, wenn nicht sogar rechtswidrig".

Unterstützung bekam der Ex-Minister nicht nur von CDU-Fraktionsvize Roland Heintze, der den Senat aufforderte, die von Marnette aufgeworfene Frage zu prüfen, ob der Vertrag möglicherweise rechtswidrig und damit ungültig sein könnte. Auch Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan schloss sich dieser Forderung an. Notfalls werde er Marnettes Fragen selbst in Form einer Schriftlichen Kleinen Anfrage an den SPD-Senat richten. "Der Senat tut so, als hätte er mit der Nordbank nichts zu tun", sagt Kerstan. Auch FDP-Landeschefin Sylvia Canel warf dem Senat in einer Pressemitteilung mit dem Titel "Der große Tag des Dr. No" vor, er versuche die Probleme "auszusitzen".

Die Nordbank prüfte bis Freitagabend eine letzte Möglichkeit, Nonnenmacher zur Rückzahlung der vier Millionen Euro zu zwingen. Hintergrund sind die Hausdurchsuchungen bei Nonnenmacher vor zwei Wochen wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung gegen einen früheren Vorstandskollegen. "Wir haben Akteneinsicht erhalten und zwei Anwaltskanzleien mit der Prüfung des Materials beauftragt", sagte Nordbank-Sprecher Rune Hoffmann am Freitag. "Die Ergebnisse werden dem Aufsichtsrat bis zum 15. Dezember abschließend vorgelegt." Damit wäre, sollte sich tatsächlich für Nonnenmacher Belastendes finden, die Frist knapp gewahrt - und der Aufsichtsrat könnte binnen eines Monats die Rückforderung der Abfindung beschließen. Darauf weist auch Tschentscher in seiner Antwort an Marnette hin. Vielleicht sollte "Dr. No" den Champagner also noch stehen lassen - bis zum 16. Januar.

Seite 2 Leitartikel: Lehrstück Nordbank