Vorwurf: massiver Abrechnungsbetrug. Es geht um rund 20 Millionen Euro. Insolvenzverwalter wähnen Prof. Auffermann in Berlin.

Hamburg. Dem Gründer der in die Insolvenz geratenen Hamburger Diagnoseklinik Hanserad Radiologie, Prof. Wolfgang Auffermann, wird massiver Abrechnungsbetrug vorgeworfen. Wie Oberstaatsanwältin Birgit Heß dem Abendblatt bestätigte, liegen der Staatsanwaltschaft Kiel zwei gleichlautende Anzeigen vor. Die Ermittlungen stünden aber noch am Anfang. Nach Abendblatt-Informationen geht es um einen Betrag in Höhe von geschätzt 20 Millionen Euro.

Deutschlands größte gesetzliche Krankenkasse, die Barmer GEK, bestätigte, dass es Hinweise für Abrechnungsbetrug gebe. "Aus ermittlungstaktischen Gründen dürfen wir dazu derzeit nichts sagen", sagte ein Sprecher. Bei Hanserad soll Kontrastmittel zulasten der Krankenkassen, also aller Versicherten, falsch abgerechnet worden sein. Details sind noch unklar. Möglicherweise wurde ein günstiges Mittel verwendet, aber ein teures den Kassen in Rechnung gestellt.

Es gibt zudem Berichte aus Hamburger Ärztekreisen, wonach Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung bereits vor Wochen Unregelmäßigkeiten am Bergedorfer Hauptsitz von Hanserad Radiologie überprüft haben sollen. Dabei sei es auch um Abrechnungen gegangen. Die medizinische Qualität der Untersuchung und Behandlung wurde nie angezweifelt.

Wo sich der Mediziner und Klinikgesellschafter Auffermann derzeit aufhält, ist ungewiss. Die Insolvenzverwalter, mit denen er per Handy kommunizieren soll, wähnen ihn in Berlin. Dort soll er sich nach einem Unfall in einer Klinik befinden. Von einem Unfall sprachen auch Hanserad-Mitarbeiter, die Auffermann zu einer Betriebsversammlung zitieren wollten. Diese Version sei ihnen vor einigen Wochen mitgeteilt worden.

Nach anderen Aussagen aus dem Unternehmen hat sich Auffermann jedoch in die Arabischen Emirate abgesetzt, wo er geschäftliche Kontakte hat. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht.

Am Montag hatte das Abendblatt über die Insolvenz des verschachtelten Unternehmens berichtet. 300 Mitarbeiter an acht Standorten wären von einer Pleite betroffen. Dass eine derart moderne Radiologie überhaupt in eine finanzielle Schieflage geraten konnte, hat Experten verwundert. "Da kommen jeden Monat Millionen herein, die haben teure Geräte und qualifiziertes Personal", heißt es in Hamburger Ärztekreisen.

Der Betrieb gehe derzeit weiter, teilten die Insolvenzverwalter mit. Für die Mitarbeiter gebe es Insolvenzgeld. Im Vordergrund stehe nun der Erhalt der Arbeitsplätze. Von den Ermittlungen zum mutmaßlichen Abrechnungsbetrug wussten die Anwälte noch nichts. Sie verschaffen sich derzeit einen Überblick über die Bilanzen und die laufenden Einnahmen.

Nach Informationen aus Justizkreisen wollte Hanserad noch einen Tag vor der offiziellen Insolvenz drei weitere Medizinische Versorgungszentren eröffnen. Entweder war Auffermann die dramatische finanzielle Lage nicht klar, oder er hat sie ignoriert. Die Insolvenz ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Hanserad die Millioneninvestitionen in die Diagnoseklinik am Stephansplatz nicht mehr finanzieren konnte.

Führende Ärzte von Hanserad hoffen nun, dass ein Neuanfang ohne den Gründer möglich ist.