Nirgendwo sonst steigen die Mieten und Immobilienpreise so rasant an wie in Hamburg. Einer der Hauptkostentreiber ist der Klimaschutz.

Hamburg. Innenstadtnah sollte es sein, nah zum Job, zu den Geschäften, Museen, Restaurants - nicht irgendwo am Rand der Stadt. Für Peter Kurz und seine Frau ist Wohnen auch eine Frage der Lebensqualität. Der Diplom-Kaufmann im öffentlichen Dienst sieht sich als Normalverdiener mit sicherem Job. Eigentlich sollte es kein großes Problem sein, sich eine Wohnung in Hamburg zu kaufen. Dachte er - vor vier Jahren schon. Inzwischen hat er eine neue Einsicht gewonnen: "Wohnen in der Stadt - das geht kaum, wenn man sonst seinen Lebensstandard halten will", sagt er.

Schon jetzt zahlt er für seine Mietwohnung in Blankenese mehr als ein Drittel des Einkommens. Doch die Preise für Eigentum in der Stadt ließen ihn blass werden. Selbst wenn in Altona Hinterhöfe bebaut werden, muss man mehr als 4000 Euro für den Quadratmeter zahlen, hat er erfahren müssen. "Das ist für Normalverdiener nicht zu finanzieren", sagt Kurz, der nun einen anderen Weg gehen will, um den Traum vom Wohnen in der Stadt doch wahr machen zu können. Er schloss sich mit 20 anderen zusammen und gründete ein Baugemeinschaftsprojekt unter dem Namen "Tor zur Welt". Alle hatten ähnliche Erfahrungen und Vorstellungen, gemeinsam will die Gruppe nun selbst ein Haus bauen und kalkuliert mit rund 3000 Euro als Quadratmeterpreis. Einfach nur dadurch, dass Spekulationsgewinne wegfallen.

Tatsächlich erleben gerade innenstadtnahe Viertel in Hamburg einen Preisanstieg, den viele nicht mehr mitmachen können. Die Kaltmieten kletterten in einem beobachteten Zweijahreszeitraum pro Jahr laut Mieterverein um 5,8 Prozent auf eine Durchschnittsmiete von 7,15 Euro pro Quadratmeter. Bei Neuvermietung liegt die durchschnittliche Quadratmeter-Miete in Hamburg inzwischen bei 10,55 Euro. Die Kaltmiete wohlgemerkt. Heiz- und Energiekosten stiegen in den vergangenen Jahren ebenfalls deutlich an: um 112 Prozent seit dem Jahr 2000.

Doch selbst teure Wohnungen mit Mieten jenseits von 15 Euro haben derzeit keine Vermarktungsprobleme. "Selbst sehr Hochpreisiges geht gut weg", sagt die Geschäftsführerin des Landesverbandes Freier Immobilienunternehmen, Verena Herford. Grund für diese starke Nachfrage sei die Unsicherheit vieler Anleger wegen der Euro-Krise. Man investiert dann lieber in vermeintlich sicheres "Betongold", wie es in der Branche heißt.

Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper in Hamburg, beklagen deshalb Mietervereine oder neue Initiativen wie "Mietwahnsinn stoppen". Tatsächlich gilt die alte Regel schon lange nicht mehr, wonach maximal ein Wochenlohn für die Wohnkosten kalkuliert werden muss. Bundesweit sind es im Durchschnitt inzwischen etwa 33 Prozent. In Hamburg beträgt dieser durchschnittliche Anteil nach Zahlen des Immobilienverbands sogar schon etwas mehr als 40 Prozent. Allerdings sind dies Durchschnittswerte, die höher und auch niedriger liegen können: Siegmund Chychla, stellvertretender Vorsitzender des Mietervereins, berichtet von Mitgliedern, die sogar über 50 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben müssen. "Oft sind das Rentner und Menschen, die unterdurchschnittlich verdienen", so Chychla. Bei vielen Mitgliedern sei die maximale Belastungsgrenze erreicht.

Der Grundeigentümer-Verband spricht von einem sehr unterschiedlichen Markt in Hamburg. Hohe Mieten - das sei vor allem ein Phänomen der Innenstadtlagen, sagt Verbandsgeschäftsführer Heinrich Stüven. Weiter außen in Harburg, Hamm, Öjendorf oder Farmsen lägen die Mieten deutlich niedriger, selbst bei Neuvermietung im Bereich zwischen sieben und neun Euro. Zudem weist Hamburg im Vergleich mit anderen Großstädten (die ähnliche Preissteigerungen erleben) eine Besonderheit auf. Die Spanne zwischen günstigen und teuren Mieten ist laut dem Immobilien-Institut Forschung&Beratung nirgendwo so groß wie in Hamburg. Sie beträgt an der Elbe 164 Prozent, in Frankfurt und München etwa 95 Prozent.

Doch Wegziehen aus Eppendorf, Altona oder Eimsbüttel - das fällt schwer, auch wenn es teurer wird. "Ich würde lieber auf einen Urlaub oder das zweite Auto verzichten, als aus meinem wunderschönen Stadtteil wegzuziehen", sagt etwa Normen Niehbuhr, ein 36-jähriger Geschäftsmann. Schöne Cafés, Sauberkeit und ein Gefühl der Sicherheit haben den Familienvater vor 18 Jahren von dieser Ecke Hamburgs überzeugt. Heute lebt er gemeinsam mit seiner Ehefrau, seiner 18 Monate alten Tochter und einem Hund in einer "wunderschönen Altbauwohnung". Er zahlt für die rund 75 Quadratmeter 1150 Euro Warmmiete. "Das ist für die Gegend eigentlich normal, nicht besonders teuer", sagt der Betriebswirt, der die Wohnung vor vier Jahren "mit viel Glück" bekommen hat. "Mittlerweile zahlen unsere Nachbarn hier in kleineren Wohnungen mehr Miete als wir." Wenn das zweite oder dritte Kind kommen sollte, dann könnte es aber auch für die Niehbuhrs eng werden, wenn sie eine größere Wohnung brauchen. Alternativen seien aber nur Klein Flottbek, Winterhude und Alsterdorf. Der Sprung über die Elbe etwa stehe nicht zur Debatte. "Mir ist es wichtig, dass meine Kinder das Stadtleben kennenlernen, eine gute Schulbildung genießen können und in einer gepflegten Umgebung leben", sagt Niebuhr.

Die Probleme der Familie aus Eppendorf dürften unabhängig vom Einkommen typisch sein für den Wohnungsmarkt in Hamburg. Mit teuren Preisen kämpft vor allem, wer sich verändern will oder muss. Mitunter treibt das seltsame Blüten. Der 27-jährige CDU-Abgeordnete Christoph Ploß aus Winterhude etwa weiß von mehreren Pärchen seines Alters aus seinem Stadtteil, die zusammenziehen wollten, den Plan dann aber verwarfen: "Durch die extrem gestiegenen Mieten wäre es sogar teurer, wenn sie ihre Wohnungen aufgeben und zusammen etwas Größeres suchen würden", sagt er.

Wenn nun Menschen wie Diplom-Kaufmann Kurz oder Geschäftsmann Niehbuhr sich schon mit dem immer teurer werdenden Wohnen herumschlagen müssen, wie geht es dann Menschen, die eher wenig verdienen?

Stadtforscher warnen daher eindringlich vor einem Auseinanderdriften der Stadtteile in arme und reiche Viertel. Menschen werden verdrängt, sagten sie. Junge Familien ins Umland, andere in die Siedlungen in Stadtrandlagen. "Das ist ein Riesenproblem", so Stadtplanungs-Professsor Jörg Knieling. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sei aber ein internationales Problem wachsender Städte. "Affordable Housing" lautet der Fachbegriff.

Doch was ist zu tun? Darüber, natürlich, gibt es viele Ansichten. Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) etwa hat jetzt eine Bundesratsinitiative gestartet: Neue Mieten sollen danach maximal 20 Prozent über der ortsüblichen Miete liegen dürfen. Die Grundeigentümer halten einen solchen staatlichen Eingriff für grundfalsch. "Das schreckt Investoren ab", warnt Geschäftsführer Stüven. Chychla vom Mieterverein widerspricht: "Zwischen 1990 und 2001, als diese Grenze noch galt, wurden in Hamburg viel mehr Wohnungen gebaut als seitdem." In der Tat: Waren es in den 90ern im Schnitt 6355 Wohnungen pro Jahr, sind es von 2001 bis heute durchschnittlich 3675.

Stadtforscher wie Knieling fordern indes neue Konzepte bei der Grundstückvergabe durch die Stadt. Das dürfe nicht mehr nach Höchstpreisverfahren geschehen. Hamburg selbst versucht wieder, verstärkt Sozialwohnungen zu bauen, deren Bestand dramatisch abgenommen hat, weil nichts nachgebaut wurde. Doch man darf nicht vergessen: Elf Euro Kaltmiete - das gilt bei Bauherren als Untergrenze, um Mietwohnungsbau finanzieren zu können. Den Abstand zur Sozialmiete von 5,80 Euro aufzufüllen kostet Geld: Steuergeld.

Deshalb versucht die Stadt auch andere Wege: So sollen Genossenschaften und Baugemeinschaften gefördert und bedacht werden bei Neubauprojekten. 20 Prozent aller für den Geschoßwohnungsbau geplanten Flächen sind jetzt für solche Gemeinschaften aus mehreren Eigennutzern reserviert, heißt es in der Stadtentwicklungsbehörde. Schöne Worte, doch die Umsetzung gestaltet sich mitunter langwierig. Peter Kurz und seine Mitstreiter vom Projekt "Tor zur Welt" setzen genau auf diese Ansage. Sie hoffen nun auf ein Grundstück von der Stadt in der HafenCity. 2016, so vermutet Kurz, können sie dort bauen. Gegründet wurde die Baugemeinschaft 2009.

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