Seit gut einem Monat kämpfen die 200 Mitarbeiter der Verpackungsfirma Neupack für gerechte Löhne. Produktion steht nahezu still.

Hamburg. Es ist der längste Streik in Hamburgs jüngster Geschichte: Seit gut einem Monat stehen sie vor dem Werkstor, Tag und Nacht, 24 Stunden lang, in drei Schichten. Die 200 Mitarbeiter der Verpackungsfirma Neupack kämpfen in der Hamburger Hauptniederlassung und dem Zweitwerk in Rotenburg (Wümme) für einen Tarifvertrag. Bisher sollen die Löhne laut der Gewerkschaft IG BCE von der Hamburger Neupack-Eigentümerfamilie Krüger nach Gutsherrenart bezahlt worden sein. Die Produktion steht seit dem 1. November nahezu still. Verpackungen, etwa für Kunden aus der Molkerei- oder Feinkostbranche, werden kaum noch produziert, obwohl inzwischen offenbar insgesamt 29 polnische Streikbrecher in beiden Werken arbeiten. Sie kamen von einer Zeitarbeitsfirma, jetzt sind sie befristet von Neupack eingestellt worden.

"Ich arbeite seit 28 Jahren bei dem Unternehmen und habe noch niemals eine Gehaltserhöhung bekommen", sagt ein Packer, der 9,60 Euro pro Stunde verdient. Damit steht er sogar besser da als viele seiner Kollegen. Laut der Gewerkschaft zahlt Neupack für Packer zwischen 7,80 und zwölf Euro die Stunde. Neupack selbst spricht von 8,20 Euro plus Zulagen als niedrigsten Lohn für diese Arbeit. Ein anderer Mitarbeiter hat seit zehn Jahren keinen Cent Gehaltserhöhung bekommen. "Die Preise steigen, doch mein Verdienst ist gleichgeblieben", sagt er.

Zwar verhandeln die Geschäftsführung und die Gewerkschaft mittlerweile wieder. Doch eine Lösung ist nicht in Sicht. Rund dreieinhalb Stunden dauerte die zweite Gesprächsrunde. "Es war eine sachliche Atmosphäre, beide Seiten haben versucht, sich anzunähern", sagte Rajko Pientka von der IG BCE im Anschluss. "Es wird aber noch erheblicher Anstrengungen auf beiden Seiten bedürfen, damit wir zu Ergebnissen kommen." In den kommenden Tagen soll das nächste Treffen stattfinden.

Gleichzeitig beschäftigen beide Seiten die Gerichte. Jüngst verbuchte die Gewerkschaft einen ersten kleinen Erfolg. Das für Rotenburg zuständige Arbeitsgericht Verden hat einen Antrag von Neupack abgelehnt, nach dem Streikbrechern, Kunden und Lieferanten ein völlig ungehinderter Zugang zum Werk zu garantieren sei. Vielmehr sei es im Rahmen des Streikrechts gestattet, "alle Zutrittswilligen anzusprechen und über den Streik zu informieren", hieß es. "Das macht Mut. Auch die Gerichte sehen, dass sich die Menschen vor den Betriebstoren mit der Situation der Streikenden auseinanderzusetzen haben", sagt Hamburgs IG-BCE-Chef Jan Eulen. Es müsse möglich sein, dass die Streikenden ihre Ziele immer wieder mit den Streikbrechern, Kunden und Lieferanten besprechen dürfen.

Der Graben zwischen beiden Seiten war zwar schon tiefer, doch noch sieht es so aus, als ob es noch einige Zeit dauern dürfte, bis der Konflikt beigelegt ist. So wirft die Gewerkschaft Neupack vor, zumindest einigen Mitarbeitern die Gehaltsbescheinigungen für Oktober vorenthalten zu haben. Die Bescheide brauchen viele Kollegen, um etwa Wohngeld beantragen zu können. Des Weiteren soll das Unternehmen dem Betriebsrat Claus Dieter Thiele 2011 die Kostenerstattung für Autofahrten vom Werk Rotenburg nach Hamburg und zurück teilweise verweigert haben. Er könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen, soll es damals zur Begründung geheißen haben. Bereits 2010 hatte Thiele einen Gerichtsbeschluss erwirkt, wonach ihm Neupack seine Kosten erstatten musste.

"Wir möchten an dieser Stelle selbstkritisch anmerken, dass manche Kommunikation von Neupack vor und während des Streiks - in dieser für unser Unternehmen überraschenden Situation - nicht immer konstruktiv und hilfreich war", heißt es nun in einer Stellungnahme des Unternehmens. "Wir haben zudem gelernt, dass unser Entlohnungssystem im Interesse der Mitarbeiter einer Überprüfung und Verbesserung bedarf. Wir haben uns daher zum Ziel gesetzt, das Entlohnungssystem nachvollziehbarer zu machen und die Entlohnung in den Niedriglohngruppen zu verbessern."

Wenige Tage nach Streikbeginn legte Neupack den Beschäftigten einen neuen Vorschlag zur Entlohnung vor. Dieser sieht eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39,5 auf 38 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich, einen gestiegenen Mindestgrundlohn, eine Erhöhung des Urlaubsgelds und der Urlaubstage und eine Anpassung der Zulagen in Rotenburg an jene in Hamburg vor. Doch den Mitarbeitern reicht das nicht. Sie wollen einen Tarifvertrag. Doch den lehnt das Unternehmen bisher weiter ab. Ob es vor diesem Hintergrund noch vor Weihnachten eine Einigung gibt, ist ungewiss.