Geschäftsführerin Hiltrud Seggewiß plant Werbekampagne für die Restaurantkette und setzt auf modernes Ambiente mit Flachbildschirmen.

Hamburg. Hell und groß ist die Filiale der Restaurantkette Nordsee im Elbe-Einkaufszentrum im Hamburger Stadtteil Osdorf. Schlichte Bänke, Stühle und Tische aus Holz, an den Wänden Lichtbilder mit Strandmotiven von der deutschen Küste, Reihen von Seegras aus Kunststoff, ein Strandkorb mit blau-weißem Streifenbezug. Filialleiterin Ires Wilczinski und ihre Mitarbeiter haben die beiden Verkaufstresen für den Tag vorbereitet. Auf der einen Seite die fertigen und warmen Speisen: Fischbrötchen, Seelachs, Scholle, Pangasius im Teigmantel oder gegrillt, Portionen von Fish & Chips in verschiedener Größe. Gegenüber die Kühltheke mit frischem Fisch, mit Lachs, Kabeljau, Seelachs, Zander und anderen Sorten, dazu Räucherfisch, Garnelen und Meeresfrüchte. Für Menschen, die gerne Fisch genießen, liegt in der Auslage ein umfassendes Angebot zu akzeptablen Preisen.

Am Vormittag herrscht noch nicht viel Betrieb. Erst gegen Mittag kommen mehr Kunden. Es sind vor allem ältere Menschen, die ohne Hektik ein Menü auswählen oder etwas zum Mitnehmen kaufen. Diese Kundenfrequenz zeigt eines der Probleme, die Nordsee heutzutage hat: "Es gibt bei jüngeren Menschen viel Interesse an unserem Produkt, aber auch das Vorurteil, Nordsee sei eine altbackene Fischbraterei", sagt Hiltrud Seggewiß, 52, seit Ende 2011 Geschäftsführerin des Unternehmens mit Sitz in Bremerhaven.

Die Ausstattung der Verkaufsräume will sie demnächst modernisieren, um für Nordsee ein neues Image zu schaffen. Eine Werbekampagne soll im kommenden Jahr für Aufmerksamkeit sorgen. "Wir versuchen, für unsere Filialen einen neuen Standard bei der Ausstattung zu kreieren, mit neuen Materialien, neuen Farben und einer subtileren Umsetzung", sagt Seggewiß. "Anstelle der Dias, auf denen heute über den Tresen die Produkte und deren Preise gezeigt werden, wollen wir künftig Flachbildschirme mit bewegten Bildern installieren." An einigen Standorten wie etwa in Wien habe man mit dem Umbau bereits begonnen und verzeichne reges Interesse bei den Kunden.

Systemgastronomie und das Lebensmittel Fisch - beides erfreut sich bei den Kunden in Deutschland wachsender Beliebtheit. Beides müsste deshalb vor allem Nordsee nützen, dem wohl traditionsreichsten deutschen Filialrestaurant und der führenden Systemgastronomie für Fisch in Europa. Doch das Unternehmen konnte in den vergangenen Jahren von den Trends nicht profitieren. Das Umsatzwachstum lag nicht höher als die Inflationsrate von einem bis zwei Prozent, die Zahl der Filialen ging auf derzeit 404 zuletzt leicht zurück. 337 der Nordsee-Läden arbeiten in Deutschland, die anderen überwiegend im Rest Europas, einige auch in Ägypten und in Dubai. Nordsee, gegründet 1896 als Fischereigesellschaft in Bremen, blickt auf eine lange Geschichte zurück. Die aber wirkt heutzutage auch als Hypothek. Im Bewusstsein vieler Menschen steht Nordsee eher stellvertretend für die alte Bundesrepublik, für die Zeit, als man begann, zum Einkaufsbummel in Fußgängerzonen zu gehen, als es so etwas wie Kettenrestaurants in Deutschland noch kaum gab. Nordsee und die aus Österreich stammende Hähnchenkette Wienerwald waren die Pioniere im deutschen Filialgeschäft, das auf günstige Preise, zugleich aber hohe Qualität der Produkte setzte.

Von den 1970er-Jahren an aber drängten mehr und mehr ausländische Ketten nach Deutschland, vor allem McDonald's, Burger King und Kentucky Fried Chicken, später etliche andere, die gerollte Teigtaschen (Wraps), rohen Fisch (Sushi), panierten Fisch mit Pommes Frites (Fish & Chips) und etliches andere offerierten. Für Nordsee und Wienerwald begannen harte Zeiten. Wienerwald stand mehrfach vor dem Aus, landete bei verschiedenen Eignern und gelangte 2007 wieder in die Hände der Gründerfamilie. Die versucht nun, in einer Verbindung von Tradition und Moderne an alte Zeiten anzuknüpfen.

Auch die derzeit rund 6000 Mitarbeiter von Nordsee erlebten eine wechselvolle Unternehmensgeschichte, unter anderem als Teil des Unilever-Konzerns und später des Finanzinvestors Apax Partners. 2005 kaufte Heiner Kamps Nordsee, ein gestandener Unternehmer, der zuvor Deutschlands größte Bäckereikette aufgebaut und sie durch eine feindliche Übernahme wieder verloren hatte. Seggewiß arbeitet seit den 1990er-Jahren mit Kamps. Nach dem Börsengang seines Bäckereikonzerns war sie dort eine zeitlang Finanzvorstand. 2011 übernahm sie von Kamps die Geschäftsführung von Nordsee. Er ist nach wie vor Miteigner der Fischrestaurants. Die Mehrheit der Anteile allerdings hält nun der Milchunternehmer Theo Müller, dessen Firmengruppe Kamps inzwischen führt.

Seggewiß will Nordsee nicht nur modernisieren, sondern auch die Zahl der Filialen wieder ausbauen. Zuletzt eröffnete sie im September ein neues Lokal in Neumünster. Die Hälfte aller Nordsee-Restaurants sind derzeit, wenig individuell, Teil von Einkaufszentren. "Wir müssen wieder sichtbarer werden und zeigen, welche Kompetenz Nordsee beim Thema Fisch besitzt", sagt sie. Eine wichtige Rolle dabei spielt Hamburg. Elf Filialen gibt es in der Hansestadt, sie trugen im vergangenen Jahr gut zwölf Millionen Euro zum Gesamtumsatz von rund 360 Millionen Euro bei. Allerdings liegen die Restaurants eher in den äußeren Stadtteilen, etwa in Bergedorf, Billstedt oder Stillhorn. "Wir würden sehr gern auch in der Hamburger Innenstadt expandieren. Aber 200 Euro Miete je Quadratmeter sind auch für ein großes Unternehmen der Systemgastronomie nur schwer darzustellen", sagt die Nordsee-Chefin.

Zwei der Hamburger Toplagen jedoch hat Nordsee als Standort, im Hauptbahnhof und an den Landungsbrücken. Die kleine Filiale an der Elbe lockt vor allem Touristen an. Für ein Gastronomieunternehmen mit Orientierung zum Meer hin ist dieser Standort quasi ein Filetstück. "Unsere Filiale in den Landungsbrücken werden wir im Zuge der Modernisierung zu einer Art Flaggschiff für Nordsee in Hamburg ausbauen", sagt Seggewiß.

Nicht nur bei den Standorten, auch beim Verbrauch ist der Markt für den Fischverzehr in Deutschland vermutlich noch längst nicht ausgereizt. Rund 15,6 Kilo Fisch und Fischereierzeugnisse verzehrten die Deutschen im vergangenen Jahr im Durchschnitt. In südeuropäischen Ländern ist der Fischverzehr pro Kopf teils viermal so hoch. "Die demografische Entwicklung, das wachsende Bewusstsein vor allem jüngerer Menschen für gesündere Ernährung läuft einem Unternehmen wie Nordsee entgegen", sagt Seggewiß. "Fisch ist ein frisches, natürliches und eiweißhaltiges Nahrungsmittel."

Ohne Zweifel liegt Fisch im Trend, obgleich der Anteil von Zuchtfisch wie Pangasius steigt und obwohl es immer wieder Debatten um die Überfischung großer Bestände gibt, politisches Gerangel um die Zuteilung von Fangquoten etwa in der Europäischen Union. Die Nordsee-Chefin weicht dem Thema nicht aus. "Man muss die Situation beim Fisch differenziert sehen", sagt Seggewiß. "Wir setzen vor allem auf Arten wie Lachs, Seelachs oder Scholle, bei denen keine Überfischung droht. Produkte wie Schillerlocke, die auf Fleisch vom Hai basieren, haben wir schon vor Jahren aus dem Sortiment genommen. Wir achten sehr genau auf die Problematik der Überfischung. Auch, wenn uns das im Zweifel Umsatz kostet."